Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung sieht aus Anlass der Co ronaviruspandemie eine weitere Digitalisierung der Arbeit der Richter-, der Staatsanwalts- und der Personalvertretungen im Land vor.
Seit Beginn der Pandemie stehen die Vertretungsgremien vor der Herausforderung, zur Verhütung von Infektionsrisiken Präsenzsitzungen zu vermeiden. Zugleich muss aber deren Handlungs- und Beschlussfähigkeit gerade auch in Krisenzei ten erhalten bleiben. Um die Arbeitsfähigkeit der Mitbestim mungsgremien in rechtssicherer Weise zu gewährleisten, sind klarstellende Änderungen sowohl im Landesrichter- und -staats anwaltsgesetz als auch im Landespersonalvertretungsgesetz erforderlich.
Zugleich können wir mit diesem Gesetzesvorhaben die Fort schritte in der Informations- und Kommunikationstechnolo gie für die Arbeit der Vertretungsgremien im 21. Jahrhundert nutzbar machen.
Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Handlungsfähigkeit der Mitbestimmungsgremien auch in Krisenzeiten ganz kon kret sichern. In dem Gesetz werden drei Bereiche adressiert, wobei die Änderungen im Wesentlichen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten sollen.
Schwerpunktmäßig wollen wir in beiden Gesetzen, sowohl im Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz als auch im Landes personalvertretungsgesetz, Regelungen ergänzen, wonach al le oder einzelne Mitglieder der Richter-, der Staatsanwalts- und der Personalvertretungen unter bestimmten Voraussetzun gen mittels Video- und Telefonkonferenztechnik an Sitzungen teilnehmen können.
Ähnliche Regelungen haben der Bundesgesetzgeber anläss lich der Coronaviruspandemie im Bundespersonalvertretungs gesetz und der Landtag von Baden-Württemberg in der Ge meindeordnung und in der Landkreisordnung vorgesehen.
Es gibt keine Favorisierung der digitalen Sitzung. Ich bin re lativ sicher, dass sie auch nicht Praxis werden wird, und sie soll auch nicht Praxis werden, weil die persönliche Kommu nikation natürlich in einer Sitzungsatmosphäre besser ist und Gespräche auch anders befördert und ermöglicht. Aber die Möglichkeit des Einsatzes von Video- und Telefonkonferenz technik soll in der Besonderheit der aktuellen Lage eben auch möglich sein. Wir wollen die persönlichen Sitzungen nicht verdrängen, aber wir wollen diese Alternative gesetzlich ab sichern. Es soll im Ermessen des jeweiligen Vorsitzenden lie gen, die aus seiner Sicht sach- und situationsangemessene Art der Sitzung und Beschlussfassung zu wählen.
Zugleich trägt unser Gesetzentwurf auch Minderheitenpositi onen Rechnung. Nach dem Vorbild anderer Regelungen des Personalvertretungsrechts wird ein Widerspruchsrecht eines Viertels der Gremiumsmitglieder hinsichtlich des im Einzel fall beabsichtigten Einsatzes von Video- und Telefonkonfe renztechnik im Gesetz installiert. Hier können die Vertretungs gremien im Rahmen ihrer Geschäftsordnung auch anderwei tige Regelungen treffen.
Selbstverständlich müssen bei diesem digitalen Modus der Sitzung und Beschlussfassung die datenschutzrechtlichen Vor gaben eingehalten werden und der Grundsatz der Nichtöffent lichkeit gewahrt sein.
Mit Rücksicht insbesondere auf die kommunalen Belange und Gegebenheiten wird allerdings der Anwendungsbereich der Regelung für die Personalvertretungen zunächst nur beim Vor liegen besonderer Umstände wie eben der Coronaviruspande mie eröffnet.
Für die Richter- und Staatsanwaltsvertretungen wollen wir die neuen Regelungen auch unabhängig vom Vorliegen besonde rer Umstände ermöglichen. Ich meine, das passt hervorragend zur Vorreiterstellung der baden-württembergischen Justiz in Fragen der Digitalisierung. Insofern wollen wir das hier auch krisenunabhängig rechtssicher einführen.
Abschließend möchte ich betonen, dass das Gesetz keine zu sätzlichen Kosten verursacht. Im Gegenteil: Es schafft die rechtssichere Möglichkeit, die in den Dienststellen vorhande ne Technik auch in Mitbestimmungsverfahren einzusetzen. Kosten werden reduziert; denn durch die vermehrte Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen entstehen den Dienststel len aufgrund des Wegfalls von Reisekostenerstattungen für An- und Abreisen, Übernachtungen und Ähnlichem sowie durch den geringeren Zeitaufwand sogar Entlastungen.
Als zweiter Schwerpunkt wird mit diesem Gesetz auch für die Richter- und Staatsanwaltsvertretungen das elektronische Um laufverfahren dem schriftlichen Umlaufverfahren gleichge stellt. Entsprechende Regelungen im Personalvertretungsge setz gibt es bereits. Auch diese Maßnahme sichert die Effek tivität der Mitbestimmung der Richter- und Staatsanwaltsver tretungen unseres Landes in Krisenzeiten.
Und schließlich soll drittens bei den Personalvertretungsgre mien befristet bis 30. Juni 2021 eine Verfahrenserleichterung greifen. Ein schriftliches oder elektronisches Umlaufverfah ren sowie eine Übertragung von Befugnissen des Personalrats
auf den Vorstand soll in einfach gelagerten Angelegenheiten vorübergehend auch ohne vorherige Bestimmung in der je weiligen Geschäftsordnung möglich sein.
Ich den ke, dass es sinnvoll ist, bei der Einbringung eines Gesetzes dieses zunächst einmal vorzutragen und es dann der Debatte freizugeben. Anschließend findet die Diskussion im dafür vor gesehenen Ausschuss statt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Gesetz entwurf wurde im Rahmen des Anhörungsverfahrens im We sentlichen begrüßt, da er eine effektive und rechtssichere Mit bestimmung im Land auch in Krisenzeiten ermöglicht. Wir gehen damit einen weiteren Schritt bei der Digitalisierung der Landesverwaltung. Das Ziel des Gesetzes, die Arbeit unserer Vertretungsgremien rechtssicher und krisenfest auszugestal ten, ist in Zeiten der zweiten Welle dieser Pandemie umso dringlicher.
Vielen Dank. – Während das Redepult desinfiziert wird, kommen wir zurück zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer (Landes grundsteuergesetz – LGrStG) – Drucksache 16/8907
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/8907, be kannt:
Mit Ja haben 81 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 46 Abgeordnete gestimmt; Enthaltungen gab es keine.
Damit ist dem Gesetz mehrheitlich zugestimmt und Punkt 6 der Tagesordnung insgesamt erledigt. Vielen Dank.
GRÜNE: Muhterem Aras, Theresia Bauer, Hans-Peter Behrens, Andrea Bogner-Unden, Sandra Boser, Martina Braun, Nese Erikli, Jürgen Fili us, Josef Frey, Martin Grath, Petra Häffner, Martin Hahn, Thomas Hent schel, Winfried Hermann, Hermann Katzenstein, Manfred Kern, Petra Krebs, Dr. Ute Leidig, Andrea Lindlohr, Brigitte Lösch, Manfred Lucha, Alexander Maier, Thomas Marwein, Bärbl Mielich, Dr. Bernd Murschel, Jutta Niemann, Reinhold Pix, Thomas Poreski, Daniel Renkonen, Dr.
Markus Rösler, Alexander Salomon, Alexander Schoch, Andrea Schwarz, Andreas Schwarz, Hans-Ulrich Sckerl, Stefanie Seemann, Edith Sitz mann, Franz Untersteller, Thekla Walker, Dorothea Wehinger, Elke Zim mer.
CDU: Dr. Alexander Becker, Thomas Blenke, Klaus Burger, Andreas Deuschle, Thomas Dörflinger, Konrad Epple, Arnulf Freiherr von Eyb, Marion Gentges, Fabian Gramling, Friedlinde Gurr-Hirsch, Sabine Hart mann-Müller, Raimund Haser, Peter Hauk, Ulli Hockenberger, Dr. Ni cole Hoffmeister-Kraut, Isabell Huber, Karl Klein, Wilfried Klenk, Joa chim Kößler, Sabine Kurtz, Siegfried Lorek, Claudia Martin, Paul Ne meth, Christine Neumann-Martin, Claus Paal, Julia Philippi, Dr. Patrick Rapp, Nicole Razavi, Dr. Wolfgang Reinhart, Karl-Wilhelm Röhm, Karl Rombach, Volker Schebesta, Dr. Stefan Scheffold, August Schuler, Wil li Stächele, Stefan Teufel, Tobias Wald, Guido Wolf, Karl Zimmermann.
SPD: Sascha Binder, Daniel Born, Nicolas Fink, Dr. Stefan Fulst-Blei, Reinhold Gall, Gernot Gruber, Rainer Hinderer, Peter Hofelich, Andre as Kenner, Gerhard Kleinböck, Georg Nelius, Martin Rivoir, Gabi Rol land, Ramazan Selcuk, Rainer Stickelberger, Andreas Stoch, Jonas We ber, Dr. Boris Weirauch, Sabine Wölfle.
AfD: Dr. Rainer Balzer, Anton Baron, Dr. Christina Baum, Bernd Gö gel, Dr. Bernd Grimmer, Rüdiger Klos, Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa, Emil Sänze, Hans Peter Stauch, Udo Stein, Klaus-Günther Voigtmann, Uwe Wanke.
FDP/DVP: Stephen Brauer, Rudi Fischer, Dr. Ulrich Goll, Jochen Hauß mann, Klaus Hoher, Daniel Karrais, Jürgen Keck, Dr. Timm Kern, Ga briele Reich-Gutjahr, Dr. Hans-Ulrich Rülke, Dr. Erik Schweickert, Ni co Weinmann.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesrichter- und -staatsan waltsgesetzes und des Landespersonalvertretungsgesetzes aus Anlass der SARS-CoV-2-Pandemie – Drucksache 16/9088
Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsi dium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt nun der vom Justizministerium eingebrachte Gesetzentwurf zur Än derung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes und des Landespersonalvertretungsgesetzes aus Anlass der SARSCoV-2-Pandemie.
Der Entwurf regelt den Einsatz von digitalen Video- und Te lefonkonferenzen sowie von elektronischen Umlaufverfah rensmöglichkeiten zunächst bis zum 30. Juni 2021, um die Zusammenarbeit der Vertretungsgremien in den Dienststellen in dieser doch für alle sehr beschwerlichen Zeit, in der die We ge einfach andere sind, insgesamt zu gewährleisten.
Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich die Einbringung dieses Entwurfs in dieser Zeit, in der Kontaktbeschränkungen not wendig sind und Ausnahmesituationen geschaffen werden müssen. Beim Vorliegen besonderer Umstände ist es nunmehr zwingend notwendig, für einen reibungslosen Ablauf unseres Rechtsstaatsapparats Sorge zu tragen. Das wird mit dem Ge setzentwurf entsprechend umgesetzt.
Nicht nur wegen der Pandemie – aber vor allem deswegen – besteht in der Praxis ein großes Bedürfnis nach der Möglich keit von digitalen Konferenzen und der Möglichkeit von elek tronischen Umlaufverfahren. Wenn dieser Gesetzentwurf um gesetzt wird, hat man jetzt auch Rechtsklarheit, und zwar auch rückwirkend zum 1. März 2020, sodass die Beschlussfassun gen in den Video- und Telefonkonferenzen Bestandskraft ha ben.
Für den Personalrat soll mit diesem Gesetzentwurf auch oh ne vorherige Änderung der Geschäftsordnung die Übertra gung von Befugnissen auf den Vorstand ermöglicht werden.
Die Ausgestaltung des Gesetzes – das wurde von Herrn Mi nister Wolf auch schon entsprechend erwähnt – hat eine posi tive Resonanz bei der Anhörung gefunden. Die Gesetzesän derung wurde auch von vielen gewünscht, damit man beide Möglichkeiten haben kann: dass die entsprechende Möglich keit nicht nur in der Pandemiesituation besteht, sondern auch für andere Fälle geschaffen wird.