Protokoll der Sitzung vom 12.11.2020

das sind Investitionen in Innovation und Forschung in Euro pa, das sind Investitionen in die Zukunft Europas. Deshalb ist diese Erhöhung so wichtig.

(Beifall)

Wir, die Landesregierung, haben das schon von Anfang an ge fordert – seinerzeit auch von Kommissar Oettinger unterstützt. Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Baden-Würt temberg sind bei der Einwerbung von EU-Forschungsmitteln besonders erfolgreich, was an der Spitzenforschung unserer Wissenschaftler liegt.

Ich hoffe nun, dass die Einigung der Unterhändler schnell for mell von Parlament und Rat bestätigt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die deutsche Ratspräsident schaft findet unter erschwerten Rahmenbedingungen statt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber man hat noch immer das Gefühl: Da geht noch ein bisschen mehr in dieser deutschen Ratspräsidentschaft; da dürfen schon noch ein paar Akzente kommen, die man am Ende dann auch mit der deutschen Rats präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 verbindet.

Allerdings – das wissen wir auch –: Die zweite Welle der Co vid-19-Pandemie schränkt die Möglichkeit der physischen Treffen weiterhin stark ein. Es ist halt so. Es gehört in Euro pa dazu, dass man sich begegnet. Diese persönliche Begeg nung ist Teil des europäischen Prozesses der Einigung, der eu ropäischen Entwicklung. Deswegen müssen wir durch die Co vid-19-Pandemie auf vieles verzichten, was wir uns für diese deutsche Ratspräsidentschaft vorgenommen hatten. Viele un serer Veranstaltungen können nur über Webkonferenzen statt finden, und auf vieles mussten wir auch ganz verzichten. Die Onlineformate sind natürlich geeignet, um Themen zu disku tieren, aber sie ermöglichen nicht die persönliche Begegnung.

Wir haben hier in Baden-Württemberg versucht, aus den ge gebenen Rahmenbedingungen das Beste zu machen. Leuchtendes Beispiel ist der Europaaktionstag, den wir in diesem Jahr digital durchgeführt haben. Es war mir übrigens immer wichtig – das war immer mein Motto im Haus wie überhaupt, wenn man sich Gedanken gemacht hat, wegen Corona etwas, was man geplant hat, einfach abzusagen –, zu überlegen: Da muss es noch eine kreativere Lösung geben zwischen dem, was wir uns vorgenommen haben, und der kompletten Absa ge. Ich glaube, da haben wir auch immer wieder interessante Projekte entwickelt.

Wichtig ist, dass diese deutsche Ratspräsidentschaft auch mit europapolitischen Akzenten aus Baden-Württemberg berei chert wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Verhand lungen über den Brexit sind von der Covid-19-Pandemie über schattet.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abg. Dr. Schweickert zu?

Bitte schön.

Herr Minister, vielen Dank. – Ich hatte vorher beim Mehrjährigen Finanzrahmen schon den Arm gestreckt, aber Sie sind so voller Enthusias mus, dass man gar nicht dazwischenkommt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Mich un terbricht nur die Präsidentin.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ja, ja, ist schon klar. Das meinte ich ja mit Enthusiasmus. Da wird es schwierig.

Wenn ein Brexit kommen sollte, was ja jetzt im November 2020 vielleicht ganz realistisch ist: Wie geht denn diese Rats präsidentschaft gerade beim Thema Geld z. B. mit Abstim mungen, die eine qualifizierte Mehrheit brauchen oder wo wir mit Großbritannien oftmals in einem Boot waren, um – ob das jetzt der Mehrjährige Finanzrahmen oder das Thema Rechts staatlichkeit ist? Wie möchten wir denn dem vorbeugen, dass nachher gerade die Länder, die wir bisher in einer paritäti schen Auseinandersetzung zwischen „Wir geben mehr aus“ und „Wir halten das Geld eher zusammen“ sehen, das Ganze verschieben, sodass dieses Sparen und Ausgeben tatsächlich in einer ordentlichen Balance bleibt?

Kollege Schweickert, ich kenne Sie zu gut, um nicht zu wissen, dass Ihnen bewusst ist, dass es hierauf zumindest von mir am heu tigen Tag keine perfekte Antwort geben kann. Aber die Frage trifft ja den Punkt und legt den Finger in die Wunde.

Der Austritt Großbritanniens ist für uns deshalb schwer zu verschmerzen, weil damit auch ein Ungleichgewicht in der unterschiedlichen Entwicklung, in der unterschiedlichen Stär ke der einzelnen europäischen Länder entsteht. Es ist eine Ge fahr, dass die Europäische Union immer mehr zu einer Trans ferunion werden könnte, weil die Unterschiede in den Positi onen deutlich werden und sich dadurch natürlich auch die Mehrheitsverhältnisse verschieben.

Ich will hier den kommenden Gesprächen und Diskussionen nicht vorgreifen. Ich will aber sagen: Es wird nicht leichter. Ich halte es durchaus für möglich – Europa hat sich in der Kri se immer wieder bewiesen –, dass wir auch aus dieser Situa tion neue Kraft schöpfen. Klar ist: Europäische Solidarität – das gilt jetzt vielleicht noch mehr – muss die Situation der är meren Länder in den Blick nehmen. Europa geht es nur dann gut, wenn wir insgesamt dafür sorgen, dass es auch den Län dern, die mehr Unterstützung brauchen, besser geht. Sonst ist das eine tickende Zeitbombe.

Diese Diskussionen werden zunehmen, diese Diskussionen werden stärker werden. Aber ich kann Ihnen heute nicht die Lösung anbieten, wie der Wegfall Großbritanniens diese Dis kussionslage final verändern wird. Leichter wird es nicht. Die Überzeugungsarbeit wird sicherlich noch schwieriger werden.

Meine Damen und Herren, die Verhandlungen über den Bre xit sind von der Covid-19-Pandemie überschattet. Positiv ist: Wir sehen, dass die britische Regierung ihre zwischenzeitli che Drohung eines Abbruchs der Verhandlungen nicht wahr gemacht hat. Das hat übrigens gezeigt: Die haben immer wie der gezockt. Die haben es probiert.

Da muss ich einmal mehr sagen: Barnier hat hier eine groß artige Arbeit abgeliefert, auch in dem Sinn, dass er ruhig ge blieben ist, dass er sich durch die Eskapaden eines britischen Premierministers nicht aus dem Konzept bringen ließ und dass er vor allem darauf achtete, dass die EU 27 beieinander blei ben, dass es Großbritannien, dass es Johnson nicht gelingt, ei nen Spaltpilz, einen Keil in die Europäische Union zu treiben. Das ist bei allem, was wir am Brexit bedauern, der schönste und größte Erfolg in diesem Prozess.

(Beifall)

Die Verhandlungen laufen, wie man hört, mit großer Intensi tät, ohne das übliche Durchstechen von Verhandlungsständen. Lassen Sie uns das als positiv denkende Parlamentarier als ernsthaften Versuch werten, wirklich substanziell voranzu kommen.

Leider ist noch immer kein Licht am Ende des Tunnels sicht bar. Ich hatte kürzlich einen guten Austausch mit dem Vorsit zenden des EU-Ausschusses des britischen Oberhauses, Lord Kinnoull. Er hatte deutlich gemacht, dass es auch in London weiterhin viele gibt, die einen No-Deal-Brexit verhindern wol len, die Verbündete suchen und die bis zur letzten Stunde auch mit ihrem ganzen politischen Einsatz dafür kämpfen.

Er hatte sich auch gegen das geplante britische Binnenmarkt gesetz ausgesprochen, das in Bezug auf Irland, Nordirland das Austrittsabkommen mit der EU verletzen würde. Diesen Mon tag hat das Oberhaus für weitreichende Änderungen gestimmt, die das geplante Gesetz wieder mit dem Prinzip „Pacta sunt servanda“ in Einklang bringen würden. Genau diese konst ruktive Haltung brauchen wir jetzt, wenn wir den harten Bre xit zum 1. Januar 2021 vermeiden wollen.

Wäre dieses Gesetz im Parlament auf eine Mehrheit gestoßen, wäre das ein Völkerrechtsbruch neuer Dimension gewesen. Es ist gut, dass dies zumindest auf der Ziellinie noch verhin dert werden konnte.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die deutsche Ratspräsident schaft hat bis zum Jahresende – das ist gar nicht mehr so lan ge – noch ein ambitioniertes Programm vor sich. Die Haus haltsverhandlungen und der Brexit stehen ganz weit oben auf der Agenda. Der Green Deal ist nicht von der Tagesordnung verschwunden, auch wenn er jetzt natürlich durch überholen de Ereignisse weitere Schwerpunktthemen neben sich sieht.

Wir dürfen weitere wichtige Themen wie das Asyl- und Mig rationspaket nicht vergessen. Auch dieses ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Das ist ein Lackmustest, ob Europa handlungsfähig ist oder eben nicht. Da muss es eine europäische Lösung geben.

Selbstverständlich geht es um die digitale Transformation der Wirtschaft und die Klimaziele der EU bis 2030. Allein diese

Themen zeigen, wie wichtig eine handlungsfähige Europäi sche Union ist.

Der künftige US-Präsident Joe Biden und sein Team werden hoffentlich wieder einen engeren Schulterschluss mit Europa suchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie Sie es erlebt haben: Selten hat man bei einer Wahl so wenig danach gefragt, was der potenziell neue Präsident denn inhalt lich eigentlich wirklich will. Denn das eigentliche Interesse war darauf gerichtet, dass es so, wie es war, nicht mehr wei tergehen sollte.

(Beifall)

Deshalb kann man eigentlich nur sagen: Bei allen Problemen, die es auch in der künftigen Zusammenarbeit geben wird, ist es doch schon einmal ein großer Gewinn, wenn es wieder ge lingt, deutsch-amerikanische Beziehungen und Gespräche in einer Art und Weise zu führen, die würdig sind und die auch den wirklichen Willen zu erkennen geben, dass man an guten Beziehungen interessiert ist. Das ist ein neues Kapitel in un seren Beziehungen, und darüber freuen wir uns, und da be gleiten den neuen Präsidenten und seine Vizepräsidentin un sere besten Wünsche.

Auch Biden wird von den EU-Partnern viel erwarten, etwa die Einhaltung des 2-%-Ziels der NATO. Genauso bleibt auf der Agenda, dass wir mehr Verantwortung in der Welt über nehmen müssen. Das ist nicht zuletzt das ureigene Interesse der Europäer. Hier müssen wir dringend gemeinsam zu mehr Europa kommen. Nur gemeinsam werden wir wettbewerbs fähig bleiben. Nur gemeinsam wird unser Verständnis von De mokratie und Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden können, und nur gemeinsam wird das europäische Modell von Frieden, Freiheit und Wohlstand für unsere Kinder und Enkelkinder gesichert werden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es noch weitere Wortmeldungen? Sie hätten Anspruch auf Verlängerung der Redezeit pro Fraktion.

(Zuruf: Hier!)

Ich höre es, ich bin aber noch nicht fertig. Wir müssten die Redezeiten der Fraktionen aufgrund der Länge der Regie rungsrede noch einmal verlängern.

Herr Abg. Sänze, Sie haben sowieso noch Redezeit. Sie ha ben das Wort. Ich hatte die Redezeit gerade aufgrund der Dau er der Regierungsrede noch einmal um zwei Minuten pro Fraktion verlängert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank, Herr Wolf. Es ist ja amü sant, dass Sie den Wahlkampf von Tuttlingen hier in den Ple narsaal hineintragen wollen. Es macht immer wieder Spaß, Ihre Reaktion zu hören und zu sehen.

(Zurufe, u. a.: Ganz verhalten!)

Ganz verhalten, ja, genau.

(Zuruf)

Aber Sie haben recht: Eine Europäische Union – –

(Unruhe)

Bitte keine Reden über drei Bänke hinweg. Das geht nicht.

Eine Europäische Union, die ihre Bür ger ohne demokratische Legitimation bevormunden will,