Protokoll der Sitzung vom 12.11.2020

(Beifall – Zuruf)

Herr Abg. Binder, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stein zu?

Nein. – Sie von der AfD haben ja eh schon Ihre eigenen Antworten, die nicht auf Fakten beru hen,

(Zurufe)

sondern auf Ihren ewigen Blasen. Sie missbrauchen Ängste, Sie missbrauchen die Unsicherheit, wie es in Zukunft weiter geht, für Ihren eigenen politischen Vorteil, ohne die Bürgerin nen und Bürger im Sinn zu haben, liebe Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Anton Baron AfD: Als Oppositioneller so was von sich zu geben! Nicht zu glauben!)

Wissen Sie, wenn die „Alternative für Deutschland“, wie Sie sich ja nennen, Abgeordnete in ihren Reihen hatte – seit ges tern scheint das nicht mehr der Fall zu sein –, die den Umsturz des Staates und der Regierung fordern,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Mit Gewalt!)

und das auch noch mit Gewalt, und wenn Sie so lange brau chen, um zu überlegen, ob das jetzt noch mit der Verfassung vereinbar ist oder nicht, spricht das für sich.

(Zurufe)

Die AfD hat schon von Anfang an in die falsche Richtung ten diert, aber jetzt hat sie endgültig ausgedient, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall)

Ja, nicht nur wir hier im Parlament sollen über Regelungen, Verordnungen und die Abwägung von Verfassungsgütern dis kutieren. Ja, auch unter Pandemiebedingungen muss Demo kratie funktionieren – hier im Parlament, in den Kreistagen, in den Gemeinderäten im Land, aber auch auf der Straße. Auch die Versammlungsfreiheit gilt in dieser Pandemie – aber eben unter anderen Auflagen, genauso wie auch die gewähl ten Volksvertreter, die Kommunalpolitikerinnen und Kommu nalpolitiker unter anderen Voraussetzungen beraten und de mokratische Entscheidungen fällen.

Ja, Bürgerinnen und Bürger sollen während dieser Zeit auch auf die Straße gehen können – wenn sie sich an die Regeln halten, wenn sie Mundschutz tragen, wenn sie auch bei der Ausübung dieser demokratischen Rechte den Schutz des an

deren im Blick haben. Was aber eben nicht geht und wo die Versammlungsfreiheit endet, wo auch der demokratische Rechtsstaat Grenzen setzen muss, ist, dass man gemeinsam mit Nazis, mit Rechtsextremisten, mit Reichskriegsflaggen auf die Straße geht. Das geht nicht in diesem Staat, liebe Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Udo Stein AfD: Was nicht geht, ist der Plan von Herrn Strobl!)

Auch deshalb muss hier genau aufgepasst werden, und zwar im Interesse der Bürgerinnen und Bürger,

(Zurufe)

die an einem Diskurs interessiert sind, die auf dem Boden die ses Grundgesetzes stehen und demonstrieren wollen. Wir müs sen bei allen anderen, die eben nicht im Sinne des Grundge setzes handeln, aufpassen. Dazu gibt es Mittel bei der Polizei, aber auch beim Verfassungsschutz. Da muss man wachsam bleiben.

Jetzt zu Einweisungen und zum Umgang mit Quarantäne. Meiner Meinung nach, Herr Sozialminister, gibt es dazu ja Regelungen. Es gibt Vorgaben, wie man damit umgeht, wenn gegen einzelne Regelungen verstoßen wird.

Deshalb ist es wichtig, Herr Innenminister, dass wir in dieser Pandemie nicht am Wochenende irgendeine schmissige For derung verkünden, ohne zu wissen, ob die Landesregierung insgesamt überhaupt hinter dieser Forderung steht. Wichtig wäre, Vorschläge geordnet vorzutragen, anstatt Regelungen, die es schon gibt, als schmissige Wahlkampfforderungen in den Raum zu werfen.

Viel, viel wichtiger wäre es, Herr Innenminister, die Kritik der Polizeigewerkschaft aufzunehmen. Bei den Polizeibeamtin nen und Polizeibeamten ist teilweise nicht klar, welche Rege lung wo gilt. Das betrifft nämlich mehr Menschen in diesem Land als Ihre schmissigen Wahlkampfforderungen, liebe Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall)

Deshalb heißt es jetzt: nicht spalten – wie die AfD es vorhat –, sondern zusammenhalten – zusammenhalten, weil für uns der Schutz der Menschen im Mittelpunkt steht, zusammen halten, damit Demokratie auch unter Pandemiebedingungen funktioniert, auch wenn es unterschiedliche Auffassungen zu den einzelnen Regelungen gibt. Das alles gehört zur Demo kratie und zu diesem Staat dazu.

Dass es uns, wenn wir diese Pandemie überstanden haben, weiterhin so geht, wie es mir in den letzten Monaten ging, dass die Menschen auch danach sagen: „Wir sind froh, in die ser Demokratie, in diesem Staat, in diesem Land Baden-Würt temberg zu leben, und wir sind froh, dass wir nicht woanders auf dieser Welt leben müssen“, dafür arbeiten wir alle jeden Tag.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Weinmann.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Coronapandemie spaltet unsere Gesellschaft. Statt des täglichen Gegeneinanders, statt weiter Öl ins Feuer zu gießen, würden wir uns wünschen, dieses durchaus komplexe, schwierige, emotionale Thema konstruk tiv, kritisch, wissenschaftlich, evidenzbasiert und ergebnis orientiert, dafür weniger populistisch, weniger aufgeregt und weniger reißerisch zu diskutieren.

(Beifall)

Klar ist, dass eine Verbotskultur angesichts der voraussichtli chen Dauer, mit der wir mit diesem Virus werden leben müs sen, nicht fruchtet. Wir brauchen den Rückhalt oder zumin dest die Bereitschaft einer breiten Mehrheit in der Bevölke rung, sich an die Regeln zu halten.

Dabei ist es am Ende nicht der Landtag von Baden-Württem berg, der über den Fortgang der Pandemie entscheidet, son dern es sind die elf Millionen Bürgerinnen und Bürger in Ba den-Württemberg. Diese müssen wir abholen, diese müssen wir mitnehmen und von den Maßnahmen überzeugen. Dabei sind es gerade die einfachsten Regeln, die überzeugen: Ab stand, Hygiene, Alltagsmaske – besser: FFP2-Maske –, er gänzt durch App und Lüften.

Als Jurist ist es mir durchaus geläufig: Der Teufel steckt im Detail. Jede einzelne Maßnahme greift in die Grundrechte der Bundesrepublik Deutschland ein,

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

greift in die freie Persönlichkeitsentfaltung, in die freie Be rufsausübung ein. Fragen der Verhältnismäßigkeit sind zu be rücksichtigen und nicht zuletzt auch der Gleichbehandlungs grundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes.

Aber manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass die Rechts widrigkeit einzelner Maßnahmen billigend in Kauf genom men wurde.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Nehmen Sie das Beherbergungsverbot oder die willkürliche Festlegung der Quadratmeterzahlen im Einzelhandel – Maß nahmen, die immanent rechtswidrig sind.

(Vereinzelt Beifall)

Im Ergebnis ist es zwar eine Bestätigung, ein Hoch auf die Gewaltenteilung, aber der Akzeptanz weiterer wichtiger Maß nahmen ist dies nicht förderlich.

(Zuruf: Sehr richtig!)

In all den Reden zuletzt wurde angesprochen, wie wichtig es ist, dass die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen vorhanden ist. Diese wird zuletzt auch durch jüngste Eilentscheidungen in Bezug auf die aktuelle Verordnung bestätigt, allerdings mit der Angabe von zwei wesentlichen Gründen: zum einen, dass die Maßnahmen wesentlich besser begründet sind, und zum Zweiten die Zusage der Politik, die Entschädigungen entspre chend gut einzustellen.

Aber gerade an Letzterem, auch als Begründung für die Recht mäßigkeit, fehlt es. Wir haben jetzt Mitte November. Bis heu

te sind in vielen Bereichen nicht einmal die entsprechenden Formulare da, um die Entschädigungen anzufordern.

(Abg. Anton Baron AfD: Sehr richtig!)

Deswegen ist es gut, dass es zwischenzeitlich mit dem Pan demiegesetz fraktionsübergreifend eine Grundlage gibt, die Licht in den Verordnungsdschungel bringen kann.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Wer waren die Ersten?)

Darauf, Herr Kollege Haußmann, könnten wir jetzt einge hen, aber ich denke, Corona ist eine sehr, sehr starke Heraus forderung und mitunter eine Zumutung,

(Zuruf)

vor allem aber auch eine Zumutung für unsere Gesellschaft und für das Gemeinwesen. Leider trägt die heutige Debatte und trägt auch die Politik – manchmal unbedacht, manchmal willentlich – dazu bei, dieses an sich schon brenzlige Thema weiter zu befeuern.

Der Titel der heutigen Aktuellen Debatte ist hierfür ein ordent liches Beispiel, und Sie fahren verbal ordentliche Geschütze auf. Ich zitiere Hoffmann von Fallersleben: