Protokoll der Sitzung vom 02.12.2020

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 135. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Dr. Balzer, Herr Abg. Deuschle, Frau Abg. Erikli, Herr Abg. Dr. Gedeon, Herr Abg. Gögel, Herr Abg. Halder, Herr Abg. Maier, Frau Abg. Philippi sowie Frau Abg. Wehinger.

Seitens der Regierung hat sich aus dienstlichen Gründen Herr Ministerpräsident Kretschmann entschuldigt.

Eine Zusammenstellung der E i n g ä n g e liegt Ihnen vor. – Sie nehmen davon Kenntnis und stimmen den Überwei sungsvorschlägen zu.

Im Eingang befinden sich:

1. Mitteilung der Landesregierung vom 17. November 2020 – Informa

tion über Staatsvertragsentwürfe; hier: Entwurf des Staatsvertrages des Landes Baden-Württemberg mit dem Freistaat Bayern über die Planfeststellungen für die Maßnahmen „Verlegung der L 2310 neu/ St 2315 bei Collenberg (Ortsteil Kirschfurt) mit Neubau einer Main brücke“ sowie „Ersatzneubau der Brücke über den Main bei Wert heim-Kreuzwertheim“ – Drucksache 16/9237

Überweisung an den Ausschuss für Verkehr

2. Mitteilung der Landesregierung vom 1. Dezember 2020 – Informa

tion über Verwaltungsabkommensentwürfe; hier: Verwaltungsverein barung zwischen dem Bund und dem Land über Ausgestaltung, Be trieb und Fortentwicklung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) – Drucksache 16/9419

Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gebe ich Ihnen, da mit Sie Bescheid wissen und sich darauf einstellen können, noch bekannt, dass die Fraktionen übereingekommen sind, Tagesordnungspunkt 7 ohne Aussprache zu behandeln.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Starke Kinder – chancenreich. BadenWürttemberg macht sich für Kinder und Jugendliche stark – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Po reski.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Dieses Jahr hat Spuren hinterlassen – nicht zuletzt bei Kindern und Jugendlichen, bei manchen am ganzen Körper, bei vielen an der Seele. Es hat uns in Erinne rung gerufen, wie zerbrechlich viele Errungenschaften in un serem Land sind. Denn Baden-Württemberg ist eigentlich ein wunderbarer Ort für Kinder und Jugendliche.

Gerade in diesen Zeiten sind sie mehr denn je darauf ange wiesen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bewahrt wird, und darauf, dass unsere bürgerschaftlichen und sozial politischen Strukturen tragen. An vielen Stellen haben sich diese in der Krise bewährt, an einigen haben wir alle dazuge lernt.

Gute Politik fängt dabei ganz früh an. Um junge Eltern und ihre neugeborenen Babys zu begleiten, haben wir das Landes programm STÄRKE neu aufgestellt. Mit Frühen Hilfen und offenen Angeboten stehen wir Kindern und Eltern mit Rat und Tat zur Seite, und wir stärken ihre Eigenverantwortung. Wei terführend haben wir eine Rahmenkonzeption Familienbil dung gefördert, die nun in drei Landkreisen und einer Stadt modellhaft umgesetzt wird.

Um mehr Chancengerechtigkeit zu schaffen, haben wir das Jahr 2020 zum Schwerpunktjahr „Starke Kinder – chancen reich“ gemacht.

(Beifall)

Mit insgesamt 5 Millionen € fördern wir Projekte gegen Kin derarmut. Ein Beispiel: Die Werkstatt PARITÄT betreut in neun Städten Kinder ab Klasse 5 mit einer festen Bezugsper son, um deren Lebenssituation zu stabilisieren und einen vor zeitigen Schulabbruch zu verhindern.

Ja, es ist leider wahr: Auch im wohlhabenden Baden-Würt temberg lebt fast jedes sechste Kind in Armut. Das nehmen wir Grünen nicht hin.

(Zuruf)

Im Land fördern wir kommunale Netzwerke gegen Kinderar mut. Sie müssen zum landesweiten Standard werden.

(Zurufe, u. a. Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los]: Sie befeuern Armut!)

Auf Bundesebene streiten wir für eine wirksame Kindergrund sicherung, damit keine Familie arm ist, nur weil dort Kinder leben.

(Zuruf)

Mittlerweile fordern dies 15 von 16 Bundesländern. Bis da hin war es ein langer Weg. 1999 habe ich für die grüne Bun destagsfraktion das erste Konzept für eine Kindergrundsiche rung entwickelt. Jetzt wollen es fast alle; nur Bayern verwei gert sich nach wie vor.

Soziale Arbeit beugt sozialer Ausgrenzung vor. Die Jugend sozialarbeit leistet eine wichtige Präventions- und Unterstüt zungsarbeit. Sie eröffnet Lebenschancen, wo diese aufgrund der persönlichen Lebensumstände verbaut scheinen. Damit beugen wir auch Gewalt und Kriminalität vor. Wir wollen sie deshalb bedarfsgerecht ausbauen.

Gerade am Stuttgarter Eckensee, wo die mobile Jugendarbeit vor wenigen Jahren eingestellt wurde, hätten wir sie dringend gebraucht. Es ist gut, dass sie nun wieder aufgenommen wird.

(Beifall)

In der Sondersituation der Pandemie leiden viele Jugendliche und auch viele junge Erwachsene darunter, dass sie die High speed-Phase ihres Lebens nicht wirklich ausleben können. Ih re sozialen Kontakte sind nicht nur in der Freizeit, sondern z. B. auch im Studium maximal reduziert. Gerade die Perso nengruppe zwischen 14 und 30 Jahren müssen wir deswegen in den kommenden Monaten verstärkt in den Blick nehmen. Wir brauchen eine offene Debatte darüber, was wir diesen jun gen Menschen bieten können.

(Beifall)

Kinder, Jugendliche und Familien sind auf offene und öffent liche Räume angewiesen, die zu ihren Bedürfnissen passen. Das sind z. B. niedrigschwellige Angebote wie Stadtteil- und Familienzentren. Wir wollen für sie eine Koordinationsstelle auf Landesebene. Sie soll Städte, Gemeinden und Träger da bei beraten, Konzepte zu erstellen und Qualitätsstandards wei terzuentwickeln.

Ein zentrales Anliegen ist es, Kinder und Jugendliche vor jeg licher Form von Gewalt zu schützen.

(Beifall – Zuruf)

Wir wissen inzwischen, dass im Schatten des Lockdowns im Frühjahr die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zugenom men hat.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sie üben doch Gewalt aus!)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, ich darf Sie wieder daran erinnern, dass Zwischenrufe zwar er laubt sind, aber nicht als Dauerrufe. Was Sie hier bringen, sind Dauerrufe.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Herr Abg. Poreski hat das Wort. Ich bitte Sie, sich zurückzu nehmen. Danke.

(Zurufe)

Ich setze noch einmal an. Wir wissen inzwischen, dass im Schatten des Lockdowns im Frühjahr die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zugenom men hat.

(Zuruf: Das stimmt!)

Eine Konsequenz, abgesichert durch die Kinderstudie des Landes, ist, dass Kitas und Grundschulen nun pandemiege recht offen bleiben können.

Kinderschutz beruht auf zwei Prinzipien – das gilt in Pande miezeiten mehr denn je –: auf einer Erziehungspartnerschaft mit den Eltern und einer klaren Orientierung an der UN-Kin derrechtskonvention. Kinderrechte sind Menschenrechte.

(Beifall)

Bereits Ende 2017 haben Land und Kommunen ein Kinder schutzkonzept für Baden-Württemberg unterzeichnet. Zwei von mir eingebrachte Anträge über die Strukturen und Pro zesse in den Jugendämtern zeigen: Die daraus entstandenen Angebote – sie sind freiwillig – sind gut.

Aber von einheitlichen, guten fachlichen und personellen Standards in der Jugendhilfe sind wir noch weit entfernt.