Protokoll der Sitzung vom 01.12.2016

Nach Auffassung vieler Bürger befinde sich der öffent lich-rechtliche Rundfunk in einer tiefgreifenden Vertrau enskrise.

(Abg. Anton Baron AfD: Ja!)

Nach einer repräsentativen Umfrage

(Abg. Anton Baron AfD: Von Ihrer Stiftung wahr scheinlich!)

von Infratest – mir ist keine andere bekannt – in den Jahren 2000 bis 2015 – also eine sehr lang angelegte Umfrage, in de ren Rahmen immer wieder Abfragen vorgenommen wurden – wurde der Frage nachgegangen: Welche Fernsehanstalten sind glaubwürdig? Hierzu nannten 70 % der Befragten ARD und ZDF und 21 % das Privatfernsehen. Auch diese Aussage von Ihnen ist somit falsch.

Die nächste Aussage:

Wichtige Ereignisse fänden medial nicht statt.

Welche wichtigen Ereignisse meinen Sie denn? Das wichtige Ereignis des Listenparteitags der AfD in Baden-Württemberg? Oder meinen Sie etwa den Bundesparteitag der AfD, der zwei Tage lange auf Phoenix – auch ein öffentlich-rechtlicher Sen der – live und in Farbe übertragen worden ist? Auch hier be legen Sie nicht, welche wichtigen Ereignisse Ihres Erachtens erst gar nicht gesendet werden,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

und Ihren Ausdruck „Gesinnungsrundfunk“ haben Sie mit kei nem Wort belegt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Dann sprechen Sie davon:

Die Bürger verspüren nach Auffassung der Antragsteller

das ist ja eine sehr gute Begründung: „verspüren“ –

die aus entsprechenden Beschwerden der Bürger resul tiert – angeblich starke Fehlleistungen und Versäumnis se bei dieser Aufgabenerfüllung. Der Berichterstattung fehlten demnach oft die journalistische Unabhängigkeit...

Herr Dr. Meuthen, Sie haben vorhin nur von Information ge redet. Stimmt. Informationen bekomme ich überall, aber jour nalistische Inhalte bekomme ich nicht überall.

(Unruhe bei der AfD)

Diesen Unterschied müssen Sie erst noch lernen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD)

Dann sprechen Sie davon, eine „gefühlt schlechte Qualität“ verstärke die „Unzufriedenheit der Bürger“.

(Zuruf von den Grünen: Lächerlich!)

Das ist Ihre Begründung dafür, Staatsverträge zu kündigen.

Jetzt schauen wir noch einmal in die erwähnte Umfrage hin ein. In der Umfrage für die Jahre 2000 bis 2015 zum Image der Fernsehsender im Zeitvergleich – Herr Präsident, ich bin gleich am Ende meiner Rede – halten die Zuschauer die Nach richten der ARD mit fast 80 % für die besten Nachrichten. Die Nachrichten des ZDF folgen mit knapp 60 %. Jetzt müssen Sie mir einmal nachweisen, wo Ihre „gefühlt schlechte Qua lität“ ist.

Natürlich sind auch wir nicht mit allem einverstanden, was Journalisten über uns schreiben; das gehört zum normalen Ge schäft.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nur die FDP ist im mer zufrieden!)

Die FDP scheint immer zufrieden zu sein; das nehmen wir ins Protokoll.

(Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Uli wider spricht dem!)

Aber das ist Demokratie, dass man mit dem, was über einen geschrieben wird, und dem, was über einen gesendet wird, z. B. im Radio, nicht immer zufrieden sein kann. Das ist näm lich Aufgabe des Journalismus und auch des öffentlich-recht lichen Rundfunks. Deshalb werden wir diesen Antrag aus Überzeugung ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich dem Kollegen Dr. Goll das Wort.

(Abg. Anton Baron AfD: Oje! – Abg. Dr. Jörg Meu then AfD: Jetzt wird es mal liberal!)

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es gäbe in der Tat Gründe, über die Her kunft und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu diskutieren und sich Gedanken zu machen. Es gäbe natürlich interessante Themen, wenn man die Geschichte des öffent lich-rechtlichen Rundfunks betrachtet.

Das ist natürlich eine Geschichte der sogenannten linearen Angebote, des sogenannten Broadcastings: Von einer Stelle wird gesendet, und alle sitzen andächtig am Empfänger. Das wurde vorhin auch genannt. Bei den sogenannten linearen An geboten muss man, wenn gerade gesendet wird, auch davor

sitzen, sonst hat man es nicht gesehen oder gehört. Es war auch eine Zeit der knappen Frequenzen; das darf man nicht vergessen. Die Wege für die lineare Übertragung waren knapp.

Das war die Zeit der Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – der einen Beitrag zu unserer Demokratie und Kultur geleistet hat, den man gar nicht hoch genug einschät zen kann.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Raimund Ha ser CDU: Bravo!)

Warum gäbe es Grund, nicht nur über die Herkunft, sondern auch über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu diskutieren und sich Gedanken zu machen, natürlich kon struktiv Gedanken zu machen?

Wir haben heute keine Knappheit an Übertragungswegen mehr. Wir haben eigentlich den Zustand, dass die Kinder, die Jugendlichen ein völlig anderes Erleben haben. Sie machen von linearen Angeboten nahezu keinen Gebrauch mehr. Sie lesen übrigens auch keine Zeitung. Ich meine, wir müssen das hier nicht vertiefen, aber das Medienverhalten der Jugend ist ein völlig anderes. Ich staune trotzdem, wie die jungen Men schen immer perfekt informiert sind, aber die Nutzung geht jedenfalls weg von den linearen Angeboten. Damit kommen wir immer mehr in einen Bereich, in dem überhaupt keine Knappheit an technischen Möglichkeiten herrscht.

In der letzten Sitzung des Ständigen Ausschusses habe ich da rauf hingewiesen, dass es gefährlich ist, wenn der Rundfunk immer staatsferner wird; denn am Schluss könnte wirklich die Frage stehen: Braucht man den Staat und die Öffentlichkeit bei der ganzen Veranstaltung überhaupt noch?

Das alles, meine Damen und Herren, sind Fragen, die man nicht nur stellen kann, sondern die man auch stellen sollte. Wir sollten darüber diskutieren – aber bitte nicht auf der Grundlage eines solchen Antrags, der ohne Maß und Ziel da herkommt, ohne Seriosität.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Sie haben doch zwei Jahre Zeit!)

Der vorliegende Antrag ist nichts anderes als die Fortsetzung Ihres Beschlusses, die Journalisten von Ihrem Parteitag aus zuschließen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Oh-Rufe von Ab geordneten der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Eigen tor! Das ist doch lächerlich! – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Sie wissen es doch besser! Was reden Sie da?)

Lieber Herr Meuthen, auch wenn Sie das nicht gern hören: Ich habe das, was Sie gerade gemacht haben, als Hetze emp funden. Ich habe es als scheinheilig empfunden, dass Sie sich wieder einmal als Anwalt des kleinen Mannes aufspielen, um dessen Geldbeutel es geht.

(Abg. Dr. Christina Baum und Abg. Anton Baron AfD: Das sind wir!)

Es ging Ihnen in Wirklichkeit in weiten Teilen Ihrer Rede um nichts anderes als darum, einen unabhängigen und kritischen Journalismus zu kritisieren. Das war der Kern Ihrer Botschaft.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und der SPD)

Ich darf mich auch einmal weigern: Deswegen weigere ich mich, über Ihren Antrag zu reden.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut!)