Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Unsere Straßen ver fallen. Experten haben errechnet, dass für den fortlaufenden Erhalt und die notwendigen Investitionen in die Substanz des Verkehrsträgers Straße jährlich etwa 4,7 Milliarden € fehlen. Marode Brücken und Tunnel verursachen einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden. Das Gleiche gilt für den Bahn verkehr mit veralteten und überlasteten Trassen.
Der Haushaltsentwurf 2017 der grün-schwarzen Landesregie rung umfasst 47,67 Milliarden €. Davon nimmt der Verkehrs haushalt, der Einzelplan 13, lediglich 1,917 Milliarden € oder ganze 4 % ein. Betrachtet man jedoch den Umstand, dass es sich beim Löwenanteil der Verkehrsausgaben – etwa 1,145 Milliarden € – um durchgereichte Mittel des Bundes handelt, reduzieren sich die vom Land Baden-Württemberg selbst auf gebrachten Eigenmittel im Verkehrsressort auf 771,3 Millio nen €.
Bei einem jährlichen Steueraufkommen in Baden-Württem berg von 35,7 Milliarden € handelt es sich gerade einmal um 2,15 %, die das Land selbst für Verkehrsbelange ausgibt. Für ein dicht besiedeltes, wirtschaftlich hoch entwickeltes Flä chenland erscheint dies bemerkenswert bescheiden.
Schlüsselt man weiter auf, sieht man: Die Mittel für den nicht straßengebundenen Verkehr insgesamt in Kapitel 1303 betra gen 1,5 Milliarden €, davon ca. 1,1 Milliarden € Bundesmit tel. Für den Straßenverkehr hingegen sind es ganze 375,45 Millionen €. Das sind gerade einmal 1,05 % des Steuerauf kommens von Baden-Württemberg oder 0,79 % des Landes haushalts.
Zum Vergleich: Der Haushaltsposten des Landes für Soziales und Integration – Einzelplan 09 – beträgt 1,679 Milliarden €, davon 1,624 Milliarden € an eigenen Landesmitteln. Das Land gibt damit 4,55 % seiner Steuereinnahmen für Soziales und Integration aus, mehr als doppelt so viel wie für Verkehr.
Hier wird schlicht unsere Zukunft ausverkauft, wenn verant wortungslose Politiker von einem angeblich so reichen und so großzügigen Land reden und ihre moralischen Befindlich keiten über das realpolitisch Gebotene stellen.
Die Sicherung und Erweiterung der Mobilität ist eines der he rausragendsten Themen überhaupt, wenn wir Baden-Würt temberg als Wirtschafts-, Industrie- und Dienstleistungsstand ort zukunftsfest machen wollen. Die Entwicklung zukunft weisender Technologien und die Generierung von Gewinnen und Steuern obliegen der Wirtschaft. Für die infrastrukturel len Voraussetzungen, insbesondere bei Verkehr und Bildung, steht indes die öffentliche Hand in der Verantwortung.
Unsere sachlich begründeten Änderungsanträge wurden samt und sonders abgeschmettert – diskussionslos. Wir haben ge fordert, die veranschlagten Kosten für Sachverständige, Ge richts- und ähnliche Kosten im Umfeld von Stuttgart 21 und
der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm von 1 Million € um 484 600 € auf 515 400 € wie bereits im Jahr 2015 zurückzu führen. All das wurde von Ihnen abgelehnt.
Wir haben beantragt, die Zuschüsse für Investitionen an öf fentliche Unternehmen von 1,273 Millionen € um 1,227 Mil lionen € auf 2,5 Millionen € zu erhöhen. Unser Antrag wurde von Ihnen abgelehnt.
Im Sinne unideologischer Sachpolitik haben wir beantragt, die Dienstleistungen Dritter und dergleichen von 1 Million € auf 150 000 € – das entspricht etwa dem 2015 eingesetzten Betrag – zurückzuführen. Auch das ist natürlich von Ihnen wieder abgelehnt worden.
(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: „Unideolo gisch“! – Abg. Felix Schreiner CDU: Unideologisch war das aber nicht!)
Der Antrag Drucksache 16/1413-6 betrifft die Dienstleistun gen Dritter bei der Durchführung von Brücken- und Tunnel untersuchungen, für Brückenübersichtspläne, für Untersu chungen und Gutachten im Zusammenhang mit dem Straßen bau und dergleichen. Zwar wurden hier die Ausgaben für Ex terne gegenüber dem Vorjahr bereits um ca. zwei Drittel stark heruntergefahren, aber wir sind der Ansicht, dass 1,39 Milli onen € in diesem Zusammenhang immer noch zu viel sind und maximal 693 000 € für solche Dienstleistungen bereitgestellt werden sollten.
Es handelt sich hier um Leistungen, die ein Fachministerium überwiegend mit eigenem Fachpersonal erbringen können muss. Die eingesparten Gelder sollen – wo immer möglich – für Planung, Bauüberwachung und Ausführungen von Stra ßenbauvorhaben umgewidmet bzw. zur Schuldentilgung ein gesetzt werden. Dieser Antrag wurde wie all unsere anderen Anträge diskussionslos beiseitegeschoben.
Ein besonders wichtiges Anliegen ist uns die im Änderungs antrag Drucksache 16/1413-8 vorgesehene Erhöhung der Er stattung an die Stadt- und Landkreise für die Unterhaltung der Landesstraßen von 72,6 Millionen € auf 80 Millionen €.
Der augenfällige Verfall vieler ländlicher Strecken erfordert zumindest genügend Mitteleinsatz für die Kreise, um die Stre cken verkehrssicher zu erhalten, da das Land seiner Pflicht zum Erhalt der Landesstraßen nur ungenügend nachkommt.
Gestatten Sie mir zum Ende meiner Rede noch ein Wort an den zuständigen Verkehrsminister. Eigentlich wäre der Ver kehrsminister gefordert, das Land infrastrukturell fit zu ma chen und sich im Kabinett und bei den Koalitionsfraktionen politische Unterstützung zu holen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Im Hause Hermann regiert offenbar das Chaos.
(Beifall bei der AfD – Lachen – Zurufe, u. a. Abg. Felix Schreiner CDU: Nicht mehr! Jetzt sind wir da bei! – Zuruf von den Grünen: Waren Sie schon mal da?)
Wenn ich lese, dass das Land Baden-Württemberg im letzten Jahr 25 Millionen € an Bundesmitteln für den Fernstraßenbau ungenutzt ließ, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll über so viel Wirrwarr und Inkompetenz,
Es ist ein Unding, dass Minister Hermann nun schon zum wie derholten Mal dringend benötigte Infrastrukturprojekte des Landes hintertreibt, indem er bewusst oder aus Schlampigkeit auf das Abrufen von Bundesmitteln für Baumaßnahmen von Fahrbahnen, Tunneln oder Brücken verzichtet.
Da bereits im Jahr 2013 6 Millionen € für den Bundesfern straßenbau nicht verbaut werden konnten, nährt dieses neuer liche Versagen den Verdacht, dass Herr Hermann entweder mit der Straßenbauverwaltung seines Hauses restlos überfor dert ist oder aber willentlich und wissentlich seine eigene Agenda verfolgt – zum Schaden dieses Landes.
Obgleich im Doppelhaushalt 2015/2016 insgesamt 100 zu sätzliche Stellen geschaffen wurden, hinken die Straßenbau verwaltungen mit den Planungen hoffnungslos hinterher. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie ein Verkehrsminister Gelder für wirklich notwendige Investitionen in die Lebensadern un seres Landes einfach liegen lassen kann.
Ein solches Nichthandeln ist mindestens grob fahrlässig. Die se Gelder sind unwiederbringlich verloren, Herr Minister, wie uns ja auch das Bundesverkehrsministerium noch einmal ganz klar bestätigt hat. Um von Ihrem Versagen auf ganzer Linie abzulenken, nützt es nichts, hier die Unwahrheit zu sagen, und auch nichts, dass nun auf einmal von 30 Millionen € an zu sätzlichen Landesmitteln in diesem Jahr die Rede ist. Wen wollen Sie eigentlich für dumm verkaufen?
Ich sage Ihnen voraus: Sie werden es – wie schon in den Jah ren zuvor – wieder nicht schaffen, die Straßenbauverwaltung mit den Planungen auf Vordermann zu bringen. Wäre ich an Ihrer Stelle, Herr Minister, dann wüsste ich, was ich zu tun hätte.
Statt die Mobilität im Land zu stärken, hält es die grünschwarze Landesregierung anscheinend mit dem französi schen Aufklärer Blaise Pascal, der nur leider alles andere als ein Mobilitätsphilosoph war. Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis:
(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Kommt von der AfD! – Heiterkeit – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD zu Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Ja, das ist so Ih re schlichte Denke!)
Wir, die AfD, sehen das anders: Baden-Württemberg braucht Tempo, unser Land braucht moderne Verkehrswege, benötigt leistungsfähige Infrastruktur. Darum werden wir Ihrem Haus haltsplan nicht zustimmen.
(Abg. Martin Rivoir SPD fährt das Rednerpult nach unten. – Abg. Felix Schreiner CDU: Ein bisschen run ter! Ist klar!)
Ein bisschen runter, ja. – Herr Prä sident, meine Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Es ist schon bemerkenswert, wenn der geschätzte Kollege Schreiner in Op positionsmanier auf die letzten fünf Jahre unserer grün-roten Regierung schimpft und in diesem Parlament das Gejohle über die beiden jetzigen Koalitionsfraktionen hinweggeht. Wo wart ihr denn in der Regierung in den letzten fünf Jahren?
Wer war denn hier der Minister? Warum haben Sie jetzt alle gejohlt und geschrien, als er die letzten fünf Jahre kritisiert hat? Wo sind wir denn hier?