Protokoll der Sitzung vom 09.02.2017

Nein, ich muss es so hart sagen: Frau Eisenmann, Sie schei tern bereits in Ihren ersten Haushaltsberatungen. Sie werden heute zur Ministerin für Lehrerstellenstreichung.

(Beifall bei der SPD)

Im Grunde wissen Sie selbst, dass das nicht funktionieren kann. Schauen wir uns beispielhaft nur einmal das Theater zum Thema Digitalisierung an. Im Herbst veranstaltete die Handwerkskammer Baden-Württemberg ein großes Sympo sium zum Thema Digitalisierung. Die Forderung des Hand werks: Auch Schulabgänger sollten über grundlegende Kennt nisse im Programmieren verfügen.

Im Dezember verkündete die Landesregierung groß eine Di gitalisierungsoffensive – eine einzige Folie zum Thema Bil dung –, aber am gleichen Tag erreichten uns Informationen, dass aufgrund der Stellenstreichungen der bereits von GrünRot beschlossene Informatikunterricht an Gemeinschaftsschu len, an Realschulen sowie an Werkrealschulen und Hauptschu len nicht kommt. Beschämend!

Dann die kreative Hektik zwischen den Koalitionsparteien im Januar. Die Grünen sind sich nicht zu schade, vorzuschlagen, die für Inklusion vorgesehenen Stellen für die Einführung des IT-Unterrichts an Gemeinschaftsschulen zu verwenden.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Wenn sie nicht besetzt werden! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Hier sollten also zwei zentrale Reformvorhaben aufgrund der Lehrerstellenstreichung, Kollegin Boser, gegeneinander aus gespielt werden. Noch dazu vergessen Sie Realschulen und Werkrealschulen. Die Digitalisierung ist aber da und verän dert die Arbeitswelt nachhaltig. Wollen Sie wirklich bewusst Jugendlichen an Haupt-, Werkreal- und Realschulen eine zen trale Zukunftsperspektive nehmen? Und dies in Baden-Würt temberg, wo der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildung weiterhin viel zu stark ist? Wollen Sie wirklich Forderungen der Wirtschaft ignorieren und den Standort Ba den-Württemberg damit schwächen?

(Abg. Raimund Haser CDU: 2011 gab es auch schon Computer!)

Es darf in unserem Land keine Schulen erster und zweiter Klasse geben. Darum will die SPD alle in die digitale Zukunft mitnehmen. Wir brauchen den Informatikunterricht an allen Regelschulen, und zwar dieses Jahr und nicht Gott weiß wie lange verschoben.

(Beifall bei der SPD – Abg. Sandra Boser GRÜNE: Und wo ist der Antrag dazu?)

Wenn Sie die Lehrerstellenstreichung nachher mit uns zu rücknehmen, dann haben Sie die notwendigen Stellen, und das wissen Sie, Kollegin Boser.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Sie haben überhaupt keinen Antrag dazu gestellt!)

Wir brauchen übrigens von Ihnen auch keine falschen Signa le in Sachen Inklusion.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Da hilft auch kein späteres Dementi, und dementsprechend scharf sind Sie auch von GEW und VBE für diesen Schritt kritisiert worden.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Sie haben überhaupt keinen Antrag gestellt!)

Nein, dieser Regierungsstil ist völlig daneben. Ihre Digitali sierungsoffensive droht bereits jetzt an den Schulen zum Rohrkrepierer zu werden. Ihre Flickschusterei führt zu Ver unsicherungen, wo ein verlässlicher Kurs vonnöten wäre. Mehr Unterrichtsausfall wird die Folge sein.

(Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)

Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie den Anträgen der SPD-Land tagsfraktion zu. Wir beantragen zum Änderungsantrag Druck sache 16/1404-3 namentliche Abstimmung. Die Lehrerstel lenstreichung muss zurückgenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, so zentral die Frage der Lehrer stellen ist, so wichtig ist es aber auch, unseren Schulen aktu ell inhaltlich den Rücken zu stärken. Um es mit dem ameri kanischen Philosophen John Dewey zu sagen: Demokratie muss in jeder Generation neu geboren werden, und Bildung ist die Hebamme. Daran knüpft unsere Idee von Schule an: demokratisch, gerecht, von hoher Qualität.

Das ist eine Schule, die die Werte unserer Demokratie lebt und vermittelt und sich dabei nicht nur auf den Gemeinschafts kundeunterricht beschränkt. Wir müssen erfahrbar machen, was es heißt, in einer pluralistischen Gesellschaft zu leben. Schulen sind Erfahrungsräume, um miteinander zu diskutie ren und gemeinsam zu gestalten.

(Zuruf von der CDU: Stimmt!)

Daher die SPD-Anträge im Finanzausschuss zur Friedenspä dagogik, zu Schule ohne Rassismus, zur Bildung für nachhal tige Entwicklung oder auch für die wichtige Gedenkstätte zu NS-Verbrechen, dem Lernort Kislau.

Weiter geht es um eine gerechte Schule, die jedem Kind die bestmögliche individuelle Förderung ermöglicht und hierfür mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet ist.

Es geht um eine Schule, die als Ganztagsschule rhythmisiert ist, weil Studien darauf hinweisen, dass alle Schülerinnen und Schüler hiervon profitieren.

Es geht um eine Schule, die auf dem Weg der Inklusion kon sequent voranschreitet und das Zwei-Pädagogen-Prinzip zu nehmend realisiert. Daher unsere Anträge zur Verhinderung der Lehrerstellenstreichung.

Es geht um eine Schule von hoher Qualität, in der auf der Grundlage von Diagnose und qualifiziertem Methodenwissen frühzeitig Fördermöglichkeiten und -notwendigkeiten erkannt und umgesetzt werden.

Es geht um eine Schule, die den Schulleitungen die notwen digen Freiräume ermöglicht und sie perspektivisch von Ver waltungsaufgaben entlastet.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie haben doch Leitungszeit gestrichen!)

Es geht um eine Schule, die alle Kinder mit in die digitale Zu kunft nimmt.

Diese Themen werden uns in den folgenden Monaten weiter hin beschäftigen. Diese systematische Arbeit setzen wir näm lich Ihrem Aktionismus entgegen – wie der Abschaffung von Fremdsprachen an den Grundschulen oder der Einschränkung bei den Methoden zum Schrifterwerb, ohne dass bislang wis senschaftliche Evaluationen herangezogen werden. Das ist un sere zentrale Kritik. Frau Ministerin Eisenmann, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie Bildungspolitik auf wissen schaftlicher Grundlage oder aus dem Bauch heraus gestalten wollen – sozusagen bauchfaktisch.

Wir gehen auf jeden Fall einen seriösen Weg und bringen heu te als Erstes unseren Antrag zum Ausbau der Förderstunden an den Grundschulen ein, denn das ist unsere Idee von Schu le: demokratisch, gerecht, von hoher Qualität.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie haben heute noch einmal die Möglichkeit, Ihre größten Feh ler zu korrigieren.

(Abg. Raimund Haser CDU: Wir sind dabei, Ihre zu korrigieren!)

Verhindern Sie den Unterrichtsausfall. Folgen Sie unseren An trägen gegen die Streichung von 1 074 Lehrerstellen und für eine stärkere Förderung der Grundschulen. Zeigen Sie damit Verantwortung für unser Land, die Demokratie und die Zu kunft der Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir sind noch mit Ihren Fehlern beschäftigt!)

Als zweitem Redner von der SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Gruber das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Als sportpolitischer Sprecher der SPDFraktion nehme ich gern kurz Stellung zum wichtigen Haus haltskapitel Sport.

Kürzlich sprach Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch im Landtag davon, was denn der Kitt sei, der unsere Gesell

schaft zusammenhält. Während im 19. Jahrhundert der Sport mit Arbeitersportvereinen und bürgerlichen Sportvereinen ei ne Trennlinie der Gesellschaft aufzeigte, ist er heute ein we sentlicher Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der AfD)

Sport verbindet. Er ist sozialer Kitt in unserem Land. Im Sport zählen Leistung und Kameradschaft, aber nicht die Herkunft.

Als einer, der seit vielen Jahrzehnten ehrenamtlich im Sport engagiert ist, freue ich mich auch darüber, dass die neue Lan desregierung den noch von den SPD-Ministern Andreas Stoch und Nils Schmid mit den Sportverbänden ausgehandelten So lidarpakt III im Haushalt hinterlegt hat.

(Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Endlich wird nach Jahrzehnten auch die Ehrenamtspauscha le von 1,80 € auf 2,50 € angehoben – eine Geste der Wert schätzung für die Arbeit der vielen ehrenamtlichen Übungs leiterinnen und Übungsleiter, Trainer und Helfer in unseren Vereinen.

Für die ehrenamtlich Engagierten im Sport sind auch Weiter bildung und Qualifizierung wichtig. Gestern hat der Minister präsident behauptet, die Mittel für die Jugendarbeit seien er höht worden. Sozialminister Lucha hat sich damit gebrüstet, dass der Landesjugendplan zum Masterplan Jugend ausgebaut worden sei. Dazu passt nicht, dass der Sportjugend 1,5 Stel len für Weiterbildung aus dem Landesjugendplan nicht ver längert worden sind. Deshalb haben wir, die SPD, reagiert und den Antrag eingebracht, diese 1,5 Stellen, also weiterhin ins gesamt 5 Stellen, dem Sport für Weiterbildung zur Verfügung zu stellen.

Im Finanzausschuss habe ich auf Nachfrage die mündliche Aussage bekommen, dass diese 1,5 Stellen auch für 2017 jetzt doch gesichert werden und dauerhaft gesichert werden sollen. Ich verlasse mich auf das Wort der Regierung. In diesem Sinn stimmen wir auch dem Kapitel 0460 – Sportförderung – im Kultusetat zu.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.