Protokoll der Sitzung vom 08.03.2017

Da gebe ich Ihnen völlig recht. Gerade deshalb habe ich auch gesagt: Uns ist die Entscheidung nicht leichtgefallen. Aber unter den Rah menbedingungen, unter denen wir heute, 2017, den Haushalt aufstellen, wollten wir nicht – das hätten Sie vom Rechnungs hof wahrscheinlich erwartet – reflexhaft Schuldentilgung for dern, wenn die andere Lösung aus unserer Sicht im Moment die wirtschaftlichere ist. Auch dies gehört zu den Anforderun gen an den Haushalt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Aber klar ist, dass insbesondere dann, wenn es beim ersten Mal – deshalb habe ich es auch betont – möglich gewesen wä re, zu tilgen, das Aufschieben auch eine psychologische Kom ponente hat.

Deshalb ist es wichtig, dass man die Gründe und die Abwä gung, die zu einer Entscheidung geführt haben, möglichst of fensiv vertritt. Deshalb habe ich das Thema, obwohl die Haus haltsberatungen ja abgeschlossen sind, ausdrücklich angespro chen. Sie und auch die Öffentlichkeit haben einen Anspruch darauf, unsere Abwägung gegenüber dem Finanzministerium zu kennen – gerade aus diesem Grund. Ich glaube, da sind wir uns im Ziel einig.

Der zweite Punkt, den wir angehen müssen, ist, jetzt rechtzei tig die Schuldenbremse in der Landesverfassung selbst zu ver ankern. Das ist das Signal, das Sie als Landtag möglichst ge schlossen aussenden sollten. In unserer Denkschrift haben wir für die Ausgestaltung verschiedene Ansätze dargestellt.

Der Bundesrat hat im Februar im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch auf einen Punkt klar hingewiesen, nämlich dass die Verfahren und die Kennzahlen zur Überwachung der Schuldenbremse durch den Stabilitäts rat nicht die Haushaltsautonomie der Länder einschränken dürfen. Was bedeutet dies? Die Länder sollen weiterhin die Konjunkturkomponente bei der Ausgestaltung wählen kön nen und selbst gestalten und nicht auf die beispielsweise von der EU und dem Bund bislang angewandte Berechnung be schränkt sein. Der Bund und die EU wählen das Verfahren nach der Feststellung der Produktionslücke und der Budget sensitivität, ein komplexes und damit zwangsläufig wenig transparentes Verfahren.

Im Land haben wir bislang das Trendsteuerverfahren – ein fach, übersichtlich. Ich füge hinzu: Aber auch dort gibt es Fra gen. Die Entwicklung der Steuereinnahmen hinkt der wirt schaftlichen Entwicklung hinterher. Passt dies dann 1 : 1 für eine Konjunkturkomponente?

All dies sind Fragen, denen wir uns in den nächsten Monaten stellen müssen, um darauf Antworten zu finden, wie wir beim ersten Aufschlag in der Verfassung dann auch die Elemente richtig wählen.

Noch eine Anmerkung: Meine Damen und Herren, die Schul denbremse ist die zentrale haushaltspolitische Festlegung. Ihr dauerhafter Standort ist nicht die Landeshaushaltsordnung, sondern die Landesverfassung selbst. Dort gehört sie auch hin.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Noch etwas: Nur durch die Verankerung in der Landesverfas sung selbst eröffnen Sie einen unmittelbaren Klageweg zum Verfassungsgerichtshof des Landes. Darin liegt der entschei dende Mehrwert und zugleich eine Garantie für die Einhal tung der Schuldenbremse. Ich füge halb ernst hinzu: Wenn Sie noch ein Übriges tun wollten, dann könnten Sie, wie dies man che Stimmen in der Literatur sagen, auch ein Klagerecht für den Rechnungshof vorsehen.

(Heiterkeit des Abg. Peter Hofelich SPD)

Vielen Dank für die Zustimmung, wenn ich Sie richtig in terpretiere.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Das weiß ich noch nicht!)

Ein weiteres Vorhaben, das ansteht, wird die Vermögensbi lanz des Landes sein. Das Finanzministerium wird erstmals zum Januar 2018 eine Vermögensbilanz aufstellen. Aus ihr werden Sie dann Vermögen und Verpflichtungen des Landes genauer ablesen. Die Bilanz wird auch Aufschluss geben, wie hoch die implizite Verschuldung tatsächlich ist. Aber eine Bi lanz als solche löst noch keine Probleme. Wie es um das Land bestellt ist, zeigt im Wesentlichen der hohe Schuldenstand. Er zeigt, dass wir bislang in vielen Jahren über unsere Verhält nisse gelebt haben. Wir haben unterm Strich also kein Er kenntnis-, sondern ein Handlungsproblem. Keine Frage: Die Vermögensbilanz ist sinnvoll und bringt eine zusätzliche Er kenntnisquelle – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auf Sie wird es dann zukommen, daraus die richtigen Schlussfolge rungen für die Gestaltung des Haushalts zu ziehen und kon sumtive und investive Aufgaben gegeneinander auszutarieren.

Meine Damen und Herren, ein paar Sätze zu der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern. Das Ergebnis bringt eine Entlastung für den Haushalt. Fiskalisch kann sich das Ergebnis sehr gut sehen lassen. Das Gesamtpaket enthält aber auch gravierende Verschiebungen zulasten der Länder.

(Abg. Winfried Mack CDU: So ist es!)

Diese sind mehr als nur ein Schönheitsfehler. Ministerpräsi dent Kretschmann hat daher zu Recht von einer roten Linie gesprochen, insbesondere im Bildungsbereich. Leider ist er damit eher ein einsamer Mahner unter den Ländern. Das ist keine Kritik am Ministerpräsidenten, sondern eher eine Kri tik an den anderen Ländern dafür, dass er da nicht die notwen dige Unterstützung und Rückendeckung hat.

Meine Damen und Herren, der Bund ist dabei, seine gute Fi nanzausstattung zu nutzen, vielleicht auch auszunutzen, um sich in vielen Bereichen neue Ingerenzrechte zu sichern und die Eigenständigkeit der Länder ein Stück weit zurückzudrän gen. Wir fallen hinter die Ergebnisse der Föderalismuskom mission zurück.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja! So ist es!)

Die Mischfinanzierung lebt wieder auf.

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja!)

Wir erleben ein föderales Rollback.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Der Bund lockt die Länder mit Einmalaktionen, Probleme löst er damit aber eher nicht. Nicht einzelne befristete Sonderpro gramme mit Auflagen, nicht Aktionismus und Intervention, sondern eine dauerhafte Verbesserung der Finanzkraft,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der AfD und der SPD)

eine Neuberechnung der Deckungsquoten – das wäre stattdes sen der richtige Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der AfD und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Ja!)

Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der Föderalismus kommission, auch das Zurückdrehen der Mischfinanzierung waren – – Das Land war in der Föderalismuskommission

hochrangig vertreten: Ministerpräsident Oettinger, Herr Drex ler, von der FDP Herr Burgbacher und natürlich

(Zuruf: Herr Kretschmann!)

genau – der jetzige Ministerpräsident und damalige Frakti onsvorsitzende der Grünen, Herr Kretschmann – ihn hatte ich vorhin schon platziert. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass das Land Linie hält. Jetzt kann man den Konsens der Minis terpräsidenten mit dem Bund nicht mehr aufbrechen. Aber wir müssen wachsam sein, dass dauerhaft keine weiteren Ver schiebungen auf kleiner Flamme, im kleinen Weg zulasten der Länder erfolgen.

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie Abgeord neten der AfD – Zurufe: Bravo! – Sehr gut!)

Ein Zitat:

Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben.

Dazu ist ein billiger Ausgleich zwischen den Deckungsbedürf nissen des Bundes und der Länder herzustellen. – Artikel 106 des Grundgesetzes. Ich glaube, ein weiterer Kommentar ist nicht notwendig.

Aber zurück zu unseren Hausaufgaben im Land. In letzter Zeit wird der Ruf nach mehr Personal überall immer lauter. Am ei nen Tag die Forderung nach mehr Personal, am anderen die Klage über den hohen Anteil der Personalkosten, die den Lan deshaushalt zuschnüren, und am dritten Tag dann die ernüch ternde Feststellung: Wir finden ohnehin keine geeigneten Be werber mehr.

Ich verkenne nicht – ich betone dies auch bei anderen Gele genheiten –: Die Aufgaben der Länder, insbesondere im Bil dungsbereich und in anderen Sektoren, haben eine inhärente Dynamik nach mehr Personal. Es gibt deshalb keine einfache Lösung. Auch wir haben sie nicht.

Aber eines ist klar: Der Ruf nach mehr Personal als Prima Ac tio anstatt Ultima Ratio ist auf jeden Fall zu kurz gesprungen. Zuvor müssen wir Strukturen und Abläufe, Verfahren und Vor gaben, aber auch die Schwerpunkte neu justieren. Auch, mei ne Damen und Herren, sollte das Thema „Verwaltungsverein fachung und Aufgabenkritik“ endlich mal wieder auf den Tisch. Dort gehört es hin und bearbeitet,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

auch wenn es eine wenig attraktive Kärrnerarbeit ist. Die Er folge werden nicht in den Himmel wachsen. Aber nur, wenn man kontinuierlich dranbleibt und auch die kleinen Dinge ein sammelt, werden wir ein bisschen gegen den Trend ankämp fen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, die IT ist ein zentrales Thema für die Verwaltung. Das Kabinett hat erst gestern einige wichtige Entscheidungen getroffen: Informationssicherheit, elektroni sche Akte, weitere Digitalisierungsprojekte.

Aus unserer Denkschrift darüber hinaus drei kurze allgemei ne, grundsätzliche Feststellungen. Erstens: Die vorgenomme ne Konzentration des strategischen IT-Managements beim Be auftragten der Landesregierung für die IT ist die eine, ein kon sequentes Projekt- und Vertragsmanagement der IT die ande re Seite. Beides ist wichtig, damit wir vorankommen.

Zweitens: Ressortübergreifende Fachverfahren, Dienste und Beschaffungen brauchen auch eine ressortübergreifende Fi nanzierung und Veranschlagung. Nur so können sie zügig und konsequent verwirklicht und realisiert werden. Deshalb ha ben wir in der Denkschrift z. B. die Übertragung des IuKStrukturpools vorgeschlagen.

Nicht zuletzt – drittens – darf auch nicht vergessen werden, dass die IT zumindest am langen Ende auch eine fiskalische Entlastung erbringen sollte.

Wir, der Rechnungshof, schauen nicht nur auf die Ausgaben, sondern auch auf die Einnahmen des Landes. In unseren Denk schriften greifen wir Jahr für Jahr immer auch Themen der Steuererhebung auf. Regelmäßig stoßen wir auf hohe Fehler quoten. Steuerrecht ist komplex, detailliert, bei der Anwen dung kompliziert.

In vielen Prüfungen haben wir in den letzten Jahren konkrete IT-Projekte zur Unterstützung an den neuralgischen Punkten, die wir identifiziert haben, vorgeschlagen.

Die Entwicklung der IT-Projekte und die Unterstützung erfol gen im Bund-Länder-Verbund KONSENS. Man weiß, wo der Schuh drückt. Das Finanzministerium bringt die Vorschläge auch in den Verbund ein, doch dann – so der Eindruck – ver liert sich zu oft die Spur.

Ein Blick auf die Organisation des KONSENS-Verbunds, auf die Organisations- und Gremienstruktur zeigt eher das Bild eines Labyrinths statt einer ziel- und ergebnisorientierten Ab lauf- und Aufbauorganisation.

Nur zwei Beispiele aus der Verfolgung früherer Denkschrift vorschläge: Vor gut zehn Jahren hatten wir einen elektroni schen Datenaustausch zwischen den Standesämtern und den Erbschaftsteuerstellen vorgeschlagen. Bei KONSENS wurde der eingebracht. Der Umsetzungsstand ist nach wie vor offen.