Viertens: Redlichkeit im Umgang mit unseren Möglichkeiten. Ein fair austariertes Steuersystem steht auf der Tagesordnung; das ist richtig. Aber wir werden keine riesigen Senkungen vor nehmen können; denn in Deutschland ist der Bedarf, etwa in Infrastruktur, in Bildung und in anderes zu investieren, groß. Das ist bekannt.
Deswegen kommt es darauf an – wie die Kollegin gesagt hat –, dass wir richtig ansetzen. Dies bedeutet, bei den Abgaben anzusetzen und diese Beiträge sozusagen zu vermindern. Ich finde es auch ganz richtig, dass wir bei der Krankenversiche rung wieder zur Parität zurückkommen. Es gibt Dinge, die man korrigieren muss, und das wollen wir auch tun, meine Damen und Herren, wenn wir regieren.
Es muss klar sein – und jetzt sprechen wir es aus –: Es hat kei nen Wert, einen Mittelstandsbauch nur in sich zu korrigieren,
Deswegen wird aus Gerechtigkeitsgründen eine Steigerung des Spitzensteuersatzes in diesem Land notwendig sein, weil wir wieder mehr Abstand des Normalverdieners zum Spitzen steuersatz brauchen, meine Damen und Herren.
Dass wir seitens der SPD eine Präferenz haben, die Sozialab gaben zu mindern und den Grundfreibetrag zu erhöhen – das sind unsere Prioritäten –, wird in diesem Raum hoffentlich niemanden wundern. Aber wir sehen die gut verdienenden Ar beitnehmer in Baden-Württemberg und werden uns deswegen an dieser Stelle engagieren.
Nächster Punkt: Die Abgaben sind in der Tat die eigentliche Last in diesem Land, und deswegen wollen wir hier eine Ent lastung haben. Daher werden wir auch entsprechende Vor schläge machen.
Zur Gegenfinanzierung will ich Ihnen nur noch einmal sagen: Es darf nicht sein, dass wir die Gegenfinanzierung allein da rauf gründen, eine Sparbotschaft in die Welt zu setzen. Es muss möglich sein, dass es keinen Abbau unseres Steuersys tems gibt, sondern einen Umbau. Dazu habe ich die einzelnen Stichworte genannt.
Deswegen: Schön, dass Sie uns heute das Stichwort „Steuer politik“ gegeben haben. Deutschland steht vor Veränderungen in der Steuerpolitik; ich habe sie zu skizzieren versucht. Wir werden dafür, so meine ich, auch Mehrheiten in Deutschland haben. Denn das Gefühl, dass sich diese Gesellschaft spreizt und dass diese Spreizung am Ende diejenigen zurücklässt, die nicht in der Situation sind, von ihrem Einkommen einen aus reichend großen Teil zur Verfügung zu haben, mit dem sie sich ein anständiges Leben organisieren können, dieses Gefühl ist vorhanden, und es ist ein Gefühl dafür vorhanden, dass ande re zu wenig dazu beitragen, dass dieses Land in Ausgewogen heit und in vernünftiger Balance ist. Darum geht es bei der Steuerpolitik. Es geht nicht darum, dass wir uns sozusagen den Sirenentönen von einzelnen Leuten beugen, die da hei ßen: „Wir senken, und damit ist die Welt in Ordnung.“ So wird es in Deutschland nicht funktionieren.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Pecunia non olet“ – Geld stinkt nicht –, sagte Kaiser Vespasian zu seinem Sohn Titus im Jahre 70 nach Christus, als dieser sich bei ihm über die Besteuerung der Bedürfnisanstalten mokierte. Da stellt sich doch die Frage – für mich wenigstens –: Warum stinkt es nicht dem normal verdienenden Alleinverdiener – um den geht es bei der heutigen Diskussion –, dass er fast 50 % seines Ein kommens als Steuern und Abgaben an den Staat und an die Sozialversicherung abführen muss? Warum geht er nicht auf
die Barrikaden, betreibt Arbeitsverweigerung oder sucht an dere Wege, um sich der Steuerlast zu entziehen?
Nicht zufällig, sehr geehrte Damen und Herren, kommt das Wort „Pecunia“ von „Pecus“. Pecus heißt „das Vieh“. Wie das Vieh wird der normal verdienende Alleinverdiener zur Trän ke geführt, damit er arbeiten soll, und anschließend wird er vom Fiskus geschlachtet.
Nach Belgien – das wurde ja schon gesagt – zahlen Alleinver diener in Deutschland im OECD-Vergleich am zweitmeisten. Dabei, sehr geehrte Damen und Herren, sind Gebühren und indirekte Steuern wie Mehrwertsteuer, Tabaksteuer, Alkohol steuer, Versicherungsteuer, Energiesteuer, Kfz-Steuer, Fern sehgebühren, Kirchensteuer, Biersteuer, Grunderwerbsteuer, Gebühren für notwendige staatliche Leistungen und, und, und noch gar nicht in die Berechnung eingegangen.
Wenn im internationalen Vergleich manchmal gesagt wird, dass die Steuerbelastung des Arbeitnehmers in Deutschland gar nicht so hoch sei, dann betreiben wir einen riesigen Eti kettenschwindel, weil die oben angegebenen Belastungen gar nicht aufgeführt, aber implizit vorhanden sind.
Der moderne Steuerstaat, sehr geehrte Damen und Herren, ist wie eine Krake, die ihre klebrigen langen Fangarme in alle Bereiche des privaten Haushalts ausstreckt.
Beim Thema Steuern geht es heute um so hässliche Worte wie „kalte Progression“ und „Mittelstandsbauch“, die mich als Arzt eher an Krankheiten als an Steuersystematik erinnern.
Die Abgabenlast in manchen Bereichen ist so hoch, dass sich mancher resigniert zurückzieht, nur noch Dienst nach Vor schrift macht, sich niemand mehr anstrengen will, weil der eventuelle Mehrverdienst aufgrund von Steuern und Abgaben nur marginal steigt.
Ein Beispiel aus unserem Landesbereich: Wie schwer ist es, Rektoren an den Schulen zu finden? Denn der geringe Mehr verdienst steht in keinem Verhältnis zur Mehrarbeit und zur Mehrverantwortung.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist aber ein relativ schräger Vergleich, bei den Steuern so zu argumen tieren!)
der gern mehr leisten möchte, aber dafür vom Staat Steine in den Weg gelegt bekommt. Um es ganz klar zu sagen: Es geht in dieser Steuerdebatte nicht um Reiche oder Superreiche,
Es geht nicht um Spitzenverdiener wie Abgeordnete, Selbst ständige oder Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen. Nein, es geht hier um den Facharbeiter, den akademisch aus gebildeten Berufsanfänger, um den Durchschnittsverdiener, der sich seine Zukunft aufbauen will, für seine Zukunft Vor sorge treffen will und vom Steuerstaat häufig ausgebremst wird.
Herr Baron, lächeln Sie nicht. – Das hat wohl auch die Spit zenkandidatin einer Partei mit nationalem Hintergrund erkannt und zahlt lieber in der günstigeren Schweiz Steuern als im teu ren Deutschland.
Solange alles legal ist, kann man das ja machen. Aber ob es glaubwürdig ist, das kann jeder für sich entscheiden.
Jeder weiß, dass im Gegensatz zu Norbert Blüms Aussage die Renten überhaupt nicht sicher sind. Im Gegenteil: Der Staat fordert von seinen Bürgern, dass sie privat vorsorgen müssen und sollen. Aber anstatt den Bürgern auch die Möglichkeit zu geben, Vorsorge zu treffen, greift er ihnen immer mehr in die Tasche.
Nur ein Beispiel: Ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung sind die beste Altersversorgung. Aber was macht der Staat, die öffentliche Hand? Sie erhöht die Bau- und Kaufkosten durch überzogene Bauvorschriften, durch die Anhebung der Grunderwerbsteuer, durch hohe Notariatsgebühren,
Die FDP/DVP hat das erkannt und fordert deshalb, dass der Erwerb des selbst genutzten Eigenheims bis zu 500 000 € von der Grunderwerbsteuer befreit werden soll.