Protokoll der Sitzung vom 10.05.2017

Wir erleben durchaus den einen oder anderen Einbürgerungs antrag von Briten, die ihr Schicksal jetzt selbst in die Hand nehmen und für klare Rechtsverhältnisse sorgen, weil sie nicht wissen, inwieweit sich durch die Austrittsverhandlungen Rah menbedingungen verändern können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Auch im Beamtenrecht?)

Bitte?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Auch im Beamtenrecht?)

Auch im Beamtenrecht, aber da sind sicherlich noch Details zu klären.

Es geht also jetzt darum, Rechtssicherheit für heute zu schaf fen, und erst dann darum, die Verhältnisse von morgen zu ge stalten.

Wir haben mit dieser Kabinettsvorlage zur Brexit-Folgenab schätzung frühzeitig die Initiative ergriffen, in einer ersten Stufe, Kollege Dr. Weirauch, natürlich erst einmal eine Ana lyse anzustellen, inwieweit Länder wie Baden-Württemberg von diesem Brexit überhaupt betroffen sind. Denn es ist un ser Anspruch, gegenüber der Bundesregierung zu verdeutli chen, dass die Verhandlungen über die Folgen des Brexits auch Wirkungen bis hinein in die Länder haben.

Deswegen ist auf Initiative Baden-Württembergs auf der Eu ropaministerkonferenz eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht worden, die im Bundesrat einstimmig beschlossen worden ist. Sie beinhaltet, dass die Länder im Rahmen der Brexit-Verhandlungen eine transparente Beteiligung wollen, um sich in diese Gespräche einbringen zu können. Denn die Auswirkungen kommen auch bei uns an, und deshalb müssen wir mit an den Beratungs- und Verhandlungstisch, liebe Kol leginnen und Kollegen.

Wir wollen in den kommenden Wochen und Monaten in ei ner weiteren Runde eine interministerielle Arbeitsgruppe ein richten, die aufgesetzt auf dieser Kabinettsvorlage jetzt kon kret formuliert, wie es in den einzelnen Bereichen weitergeht, wie wir uns aus baden-württembergischer Sicht einbringen. Themen sind das Aufenthaltsrecht, gewerberechtliche Erlaub nisse, Umsatzsteuerregeln, Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung – ein ganz entscheidender Bereich, bei dem die Gefahr besteht, dass wir Baden-Württemberger durch den Brexit erhebliche Nachteile erleiden. Das alles sind die Punk te, die wir jetzt erst einmal innerhalb des Landes in enger Zu sammenarbeit mit den Häusern der Landesregierung aufarbei ten und aufbereiten, um dann in den anstehenden Gesprächen auf Bundesebene unsere Länderinteressen deutlich zu machen.

Ich sage offen: Die Euphorie des Bundes, was Länderbeteili gung angeht, hält sich da noch in Grenzen. Die Beteiligung muss hart erarbeitet werden. Aber wir werden da nicht nach lassen und unsere Rechte behaupten.

Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren: Es geht jetzt da rum, die Brexit-Verhandlungen mit viel Aufmerksamkeit und sicherlich auch einem guten Nervenkostüm zu begleiten. Das wird Kräfte binden. Es ist davon die Rede, dass im Rahmen der Brexit-Verhandlungen über 20 000 Gesetze geändert wer den müssen oder zumindest daraufhin überprüft werden müs sen, ob sie einer Änderung bedürfen. Hinter der Frage, wie man das alles in dem durch den EU-Vertrag vorgesehenen Zeitrahmen von zwei Jahren erreichen will, steht für viele noch ein großes Fragezeichen. Aber das ist jetzt der Zeitdruck, und das ist die Vorgabe, um diese Verhandlungen zu führen.

Wir werden auch darauf achten und es ist unser Anliegen, dass diese Verhandlungen nicht durch irgendwelche unnötigen Rangeleien, Durchstechereien, Nickligkeiten, wie wir sie in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben, belastet werden. Ich glaube, die Europäische Union und Großbritannien wären

besser beraten, sich auf Verhandlungen in der Sache zu kon zentrieren. Gegenseitige Verletzungen werden uns jetzt nicht weiterhelfen. Denn am Ende wird das Vereinigte Königreich, unser NATO-Verbündeter und Mitglied in zahlreichen euro päischen wie internationalen Organisationen, doch unser Part ner bleiben –

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

zwar nicht mehr in der Europäischen Union, aber in einem Europa, das in einer immer kleiner werdenden Welt immer en ger zusammenrücken sollte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Gedeon.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Oh nein! – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Brüssel wähnt sich auf hohem Ross. Mitunter droht man den Briten sogar. Viele meinen, die Briten würden es bald bereuen, dass sie die Austrittsentschei dung getroffen haben. Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass eher wir diejenigen sind, die, wenn wir so weitermachen, bald bereuen werden, dass wir nicht eine grundsätzliche Änderung unserer Politik vorgenommen haben. Denn die Briten sind in der EU nicht nur unser Partner, sondern der zweitgrößte Net tozahler. Was bedeutet das konkret? Dass auf den größten Net tozahler – das ist bekanntlich Deutschland – ganz erhebliche Belastungen zukommen. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass wir dies noch so ohne Weiteres stemmen können.

Die Briten haben ihre Entscheidung auch nicht aus einer Lau ne heraus getroffen, sondern sie haben das ganz klare Emp finden, dass es mit dem „Kontinent“ – sie sprechen ja nicht einmal von „Europa“ – immer mehr nach unten, immer wei ter abwärts geht. Sie verstehen das ganz in dem Sinn wie der amerikanische CIA-Chef Michael Hayden, der auch einige Jahre in Europa war und gesagt hat, dass Deutschland spätes tens 2020 nicht mehr regierbar sein wird.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wer hat das gesagt?)

Der Chef der CIA hier in Europa.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Sie lachen sich krank. Gut, lachen Sie sich krank. Vielleicht vergeht Ihnen irgendwann das Lachen. Ich hoffe nicht, dass es Ihnen vergeht.

Das ist also die Situation, meine Damen und Herren. Daher müssen wir ganz andere Konsequenzen ziehen, als sie hier üb licherweise angedacht werden – nicht m e h r Integration, sondern w e n i g e r Integration,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: So ein Quatsch!)

viel weniger Integration, im Wesentlichen eine Rückkehr zu den Rahmenbedingungen der alten EG. Das sollte die Schluss folgerung sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschlussvorschlag des Ausschusses für Europa und Internationales, Drucksache 16/1797. Der Ausschuss für Europa und Internationales schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung der Landesregierung, Drucksa che 16/1639, Kenntnis zu nehmen. – Sie stimmen dem zu.

Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe nochmals Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Gewährleistung offener Kommu nikation und Identifizierbarkeit – Drucksache 16/896

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für So ziales und Integration – Drucksache 16/1944

Berichterstatter: Abg. Dr. Bernhard Lasotta

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt:

Beteiligt haben sich 128 Abgeordnete.

Mit Ja haben 32 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 96 Abgeordnete gestimmt.

Der Gesetzentwurf Drucksache 16/896 ist damit abgelehnt.

(Abg. Anton Baron AfD: Schade!)

Mit J a haben gestimmt:

AfD: Dr. Rainer Balzer, Anton Baron, Dr. Christina Baum, Lars Patrick Berg, Klaus Dürr, Bernd Gögel, Dr. Bernd Grimmer, Stefan Herre, Rü diger Klos, Dr. Heiner Merz, Dr. Jörg Meuthen, Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa, Stefan Räpple, Daniel Rottmann, Emil Sänze, Hans Pe ter Stauch, Udo Stein, Klaus-Günther Voigtmann, Carola Wolle.

FDP/DVP: Dr. Gerhard Aden, Dr. Friedrich Bullinger, Andreas Glück, Dr. Ulrich Goll, Jochen Haußmann, Klaus Hoher, Jürgen Keck, Dr. Timm Kern, Gabriele Reich-Gutjahr, Nico Weinmann.

Fraktionslos: Dr. Wolfgang Gedeon, Claudia Martin.

Mit N e i n haben gestimmt:

GRÜNE: Theresia Bauer, Susanne Bay, Beate Böhlen, Andrea BognerUnden, Sandra Boser, Martina Braun, Jürgen Filius, Josef Frey, Martin Grath, Petra Häffner, Wilhelm Halder, Thomas Hentschel, Winfried Her mann, Hermann Katzenstein, Manfred Kern, Petra Krebs, Winfried Kretschmann, Bettina Lisbach, Brigitte Lösch, Manfred Lucha, Alexan der Maier, Thomas Marwein, Bärbl Mielich, Dr. Bernd Murschel, Jutta Niemann, Reinhold Pix, Thomas Poreski, Daniel Renkonen, Dr. Markus

Rösler, Barbara Saebel, Alexander Salomon, Alexander Schoch, Andrea Schwarz, Andreas Schwarz, Hans-Ulrich Sckerl, Stefanie Seemann, Franz Untersteller, Thekla Walker, Dorothea Wehinger, Elke Zimmer.

CDU: Norbert Beck, Thomas Blenke, Klaus Burger, Thomas Dörflinger, Konrad Epple, Sylvia Felder, Marion Gentges, Fabian Gramling, Fried linde Gurr-Hirsch, Manuel Hagel, Raimund Haser, Peter Hauk, Dr. Ni cole Hoffmeister-Kraut, Karl Klein, Wilfried Klenk, Joachim Kößler, Sa bine Kurtz, Dr. Bernhard Lasotta, Siegfried Lorek, Winfried Mack, Paul Nemeth, Christine Neumann, Claus Paal, Dr. Patrick Rapp, Nicole Ra zavi, Dr. Wolfgang Reinhart, Karl-Wilhelm Röhm, Karl Rombach, Vol ker Schebesta, Dr. Stefan Scheffold, Felix Schreiner, Dr. Albrecht Schüt te, August Schuler, Willi Stächele, Stefan Teufel, Georg Wacker, Tobias Wald, Guido Wolf, Karl Zimmermann.

SPD: Sascha Binder, Daniel Born, Wolfgang Drexler, Dr. Stefan FulstBlei, Reinhold Gall, Gernot Gruber, Rainer Hinderer, Peter Hofelich, An dreas Kenner, Gerhard Kleinböck, Georg Nelius, Gabi Rolland, Dr. Nils Schmid, Rainer Stickelberger, Andreas Stoch, Dr. Boris Weirauch, Sabi ne Wölfle.