Nun zum Gesetzentwurf, der durch die Anhörung sowie durch die Beratung im Ständigen Ausschuss, obwohl sich viele hie rum bemüht haben, keine Besserung erfahren hat. Es gibt nach wie vor ein durchweg unterstützenswertes Ziel dieses Gesetz entwurfs, und zwar, ausgehend von dem Urteil in Augsburg eine Regelung zu finden. Denn das Gericht hat klar gesagt: Wir brauchen eine Gesetzesgrundlage, um für Neutralität zu sorgen.
Dieser Gesetzentwurf ist ein Kompromiss. Aber, Kollege Dr. Lasotta und Kollege Filius, es ist ja nicht so, dass nur in den Stellungnahmen der dritten Gewalt diese Unterscheidung kri tisiert wird. Sie sagen sogar, dass dieser Kompromiss, der als Wert an sich gilt, eher zu mehr als zu weniger Problemen in der Justiz führen wird. Und genau das ist es, was wir Ihnen vorwerfen, Kolleginnen und Kollegen.
Es steht zu befürchten, dass die Unterscheidung zwischen Berufs- und Laienrichtern dazu führt, dass zukünftig Be fangenheitsanträge gegen Schöffen mit Umständen be gründet werden, die bislang unproblematisch waren.
Weitere Stellungnahmen sagen, man müsse sich sogar über legen: Ist der Gesetzentwurf mit diesen Regelungen es über haupt wert, verabschiedet zu werden? Denn dieses Gesetz würde weitere Probleme mit sich bringen, die Sie mit diesem Kompromiss bei der Justiz verursachen. Man kann unter schiedlicher Meinung sein, ob man einen Regelungsbedarf hat oder nicht. Wenn man aber einen Regelungsbedarf erkennt – das hat diese Koalition einmütig getan; da war die Einmütig keit noch vorhanden –, dann kann man nicht zu dem Ergeb nis kommen, Laien- und Berufsrichter unterschiedlich zu be handeln. Herr Kollege Dr. Lasotta, dazu hatte ich bisher auch keine andere inhaltliche Auffassung.
Heute erzählen Sie wirklich ein Märchen nach dem anderen. In dieser Podiumsdiskussion ging es um die Gesetzgebungs kompetenz, um die Frage: Muss man es im Landesrecht re geln? Wäre es sogar besser, es vielleicht im GVG zu regeln? Darüber wurde diskutiert.
Kollege Lasotta, vielleicht sollten Sie Ihre Informanten bes ser wählen. Es wäre vielleicht auch ganz gut – am besten neh men Sie den Kollegen Filius mit –, zur nächsten Veranstal tung der Friedrich-Ebert-Stiftung einfach selbst zu kommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Wenn Sie zur Konrad-Adenauer-Stiftung kom men!)
Da wir zwar die Zielrichtung richtig finden, aber in der Ab wägung zu dem Ergebnis kommen, dass Sie mit diesem Ge setz mehr Probleme bei der dritten Gewalt schaffen, als Sie lösen, werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Sie schaffen für die dritte Gewalt Probleme, nur weil Sie sich nicht ordentlich einigen können. Wenn man keinen Kompro miss findet, dann lässt man es besser sein, als dem Landtag ein solches Gesetz vorzulegen.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Neutralität der Gerichte ist ein Wesensmerkmal unseres Rechtsstaats und Grundvorausset zung einer funktionierenden Demokratie. Jeglicher Anschein einer Voreingenommenheit des Gerichts muss vermieden wer den. Insoweit ist das Gericht nicht nur der hauptamtliche Rich ter, sondern der gesamte Spruchkörper. Daher muss diese Neu tralität auch durch den entsprechenden Spruchkörper sichtbar werden. Für eine Differenzierung, wie sie hier vorgenommen wird, ist kein Raum. Diese ist weder geboten noch sachge recht.
Vielmehr ist das im Entwurf vorliegende Gesetz dazu geeig net, statt rechtlicher Klarheit – die durchweg zu begrüßen ist – rechtliche Unsicherheit zu erzeugen. So sind die geplanten
Regelungen schlechterdings ein fauler Kompromiss, der be kanntlich sowohl von den betroffenen Fachleuten vonseiten der Richterschaft als auch vonseiten der Schöffen entspre chend verrissen wurde.
Heute Vormittag hat genau an dieser Stelle unser Innenminis ter Thomas Strobl gesagt: Es gibt keine faulen Kompromis se. Aber, Kollege Dr. Lasotta, Sie haben es bei der ersten Le sung zutreffend gesagt: Ich bin entweder schwanger oder nicht schwanger. Ein bisschen schwanger gibt es nicht. Das ist das exemplarische Beispiel eines faulen Kompromisses,
der nicht nur die Einheit der Justiz infrage stellt, sondern auch die Schöffinnen und Schöffen sowie die ehrenamtlichen Rich ter in ihrem – richtigen – Neutralitätsverständnis vor den Kopf stößt.
Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und Grünen, darf und sollte nicht Ihr Anspruch an diese Gesetzgebung sein.
Ich darf noch einmal an die Aussage unseres Ministerpräsi denten von heute früh erinnern: Erst kommt das, was richtig für das Land ist, und dann die Politik. Auch das zeigt, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird; mehr noch, es zeigt, dass dieser Kompromiss schonungslos offenlegt, dass Wunsch und Wirklichkeit in der eigenen Wahrnehmung deutlich dif ferieren.
Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Neu tralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften hat uns nun in vielen Diskussionen und Beratungen sehr viel abverlangt. Wir haben gründlich miteinander verhandelt. Es gab unterschied liche Ansätze, die wir auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin über prüft haben. Es gab auch aus den Regierungsfraktionen her aus unterschiedliche Vorstellungen, wie wir die Frage der Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften angehen.
Die Vorgeschichte ist bekannt. Aber der Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute in der zweiten Lesung zur Abstimmung vor legen, schafft Rechtssicherheit. Er wird dem Gebot der Neu tralität und Objektivität in unseren Gerichtssälen gerecht, und er verhindert, dass Verfahrensbeteiligte aus ihrem Empfänger horizont heraus das Gefühl haben müssten, dass jemand im Spruchkörper eines Gerichts entscheidet, der nicht wirklich politisch und religiös neutral ist.
Deshalb finde ich, dass dieses Gesetz ein gutes Gesetz ist. Es ist bemerkenswert, dass Baden-Württemberg das erste Bun desland ist, das einen solchen Gesetzentwurf auf den Weg ge bracht hat.
Während wir heute Morgen beim Thema Vollverschleierung immer darüber diskutiert haben, ob es einen Handlungsbedarf gibt – mit Verlaub, ich könnte ihn mir auch da vorstellen –, ist Handlungsbedarf in Sachen Neutralität bei den Gerichten jetzt unbestreitbar.
Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg aufgrund der Klage einer Referendarin, als Sitzungsvertrete rin der Staatsanwaltschaft ein Kopftuch tragen zu dürfen, be darf es einer gesetzlichen Ermächtigung, wenn man der Klä gerin dies verbieten will. Daher war Handlungsbedarf gege ben. Dem sind wir in Baden-Württemberg gerecht geworden.
Diese Debatte zeigt unterschiedliche Ansätze. Lieber Kolle ge Binder, lieber Kollege Weinmann, ein bisschen muss ich schon schmunzeln: Das ist der Versuch, denke ich, bei einer auch von Ihnen als durchaus gutes Gesetz betrachteten Grund lage irgendwo doch noch das Haar in der Suppe zu suchen.
(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ein ganzer Zopf! – Abg. Anton Baron AfD: Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder? – Zuruf von der SPD: Ganze Haarbüschel lie gen da drin! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Sie sich einmal vor Augen führen, dass schon heute an den Gerichten eine Unterscheidung vorgenommen wird, dann erkennen Sie, dass der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf durch aus plausibel und nachvollziehbar ist. Wir haben heute an den Gerichten Berufsrichterinnen und Berufsrichter, Staatsanwäl tinnen und Staatsanwälte, die nach dem Gesetz eine Amts tracht tragen. Das unterscheidet sie von den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern.
Diese Unterscheidung erfolgt bewusst. Aus dieser Unterschei dung heraus kann man auch argumentativ begründen, dass es mit Blick auf die Amtstracht einer unterschiedlichen Bewer tung bedarf.
Herr Minister, Sie haben gerade in Ihren Ausführungen gesagt, die Vertreter der Opposition hätten das Haar in der Suppe gesucht und wohl auch gefun den. Sie haben sicherlich zur Kenntnis genommen, dass wir – sowohl der Kollege Weinmann als auch ich – uns in unse ren Reden auf die Anhörung bezogen haben, in der die gesam te Justiz genau diese Unterscheidung für falsch hält. Würden Sie die Stellungnahmen aus der Justiz zu Ihrem Gesetzent wurf als das Suchen und das Finden des Haars in der Suppe bezeichnen?
Ihr Kap rizieren auf diese Thematik ist für mich das Suchen nach dem Haar in der Suppe. Dass sich betroffene ehrenamtliche Rich terinnen und Richter natürlich die Frage stellen, ob sie in die sem Prozess weniger wert sind als die Berufsrichter, verstehe ich. Darüber diskutieren wir mit den ehrenamtlichen Richte
rinnen und Richtern auch. Denn jeder hat – das betone ich in dieser Debatte nochmals – ein volles Stimmrecht und ist voll wertiger Teil des Spruchkörpers.
Aber schon heute gilt, dass eben die Berufsrichterinnen und Berufsrichter, die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte Amts tracht tragen, während die Ehrenamtlichen auch in ihrem Er scheinungsbild ein Spiegelbild, ein Abbild der Gesellschaft sind.
Ich räume ein, dass man verfassungsrechtlich auch einen an deren Weg begründen könnte. Aber ich lege Wert auf die Fest stellung, dass wir den Gesetzentwurf, den wir jetzt vorgelegt haben, auf seine Verfassungsmäßigkeit hin sauber überprüft haben und von dieser überzeugt sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte schon noch eine An merkung machen. Kollege Klos, ich stehe ja nun nicht in Ver dacht, ein übertriebener Verteidiger der Geschichte der Grü nen zu sein.
(Heiterkeit des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das können wir bestätigen!)
Aber wenn sich hier jemand aus einer Fraktion zu solchen Be hauptungen aufschwingt, die Mitglieder bei sich duldet, die das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schan de“ bezeichnen, die in ihren Reihen Mitglieder hat, die Brand anschläge auf Asylbewerberheime als Form zivilen Ungehor sams bezeichnen, dann sage ich klar: Sie haben kein Recht, vor diesem Haus den moralischen Zeigefinger in Richtung an derer Parteien und Gruppierungen zu erheben.