Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

angekündigte postfossile Auto, sondern das postfaktische Au to, ein Auto, das man nicht mehr als solches erkennt, weil es nicht mehr fährt.

Meine Damen und Herren, Herr Kretschmann, emissionsfrei es und autonomes Fahren sind die zwei großen Schnapsideen, die die Diskussion beherrschen. Über Emissionsfrei heit ist schon einiges gesagt worden. Selbst wenn Sie alle Leu te aufs Fahrrad setzen, steigern Sie die CO2-Emissionen. Als Spezialist für Klimakatastrophen wissen Sie viel besser als ich, dass die Menschen mit ihren CO2-Ausstößen und die Kü he mit ihren Methanfürzen die Hauptgefahr für unser Klima darstellen.

(Heiterkeit bei der AfD)

Aber dazu ist genügend gesagt worden.

Ich möchte jetzt kurz nur noch einen Punkt aufgreifen, der vielleicht eine gewisse philosophische Ratlosigkeit hinterlässt. Warum ist auch das autonome Fahren eine Schnapsidee? Mei ne Damen und Herren, der Begriff ist falsch. Das ist eine fal sche Weichenstellung. Denn ein offenes System, in das Mil liarden, Billionen individuelle Entscheidungen eingehen, ist derart komplex, dass Sie keine rein technikbasierte Lösung erreichen können. In einem geschlossenen System mit Schie nen können Sie autonomes Fahren organisieren. Aber der In dividualverkehr – das sagt ja schon der Name – muss vom In dividuum gesteuert werden. Darum ist der Begriff „Autono mes Fahren“ falsch. Er muss durch „Optimierung der Assis tenzsteuerung“ ersetzt werden. Das ist das, was wir wollen. Aber autonomes Fahren ist ein falsches Leitbild.

(Abg. Nese Erikli GRÜNE: Worüber reden Sie ei gentlich?)

Ein falsches Leitbild führt nicht nur dazu, dass wir schon jetzt Tote haben, die wir ohne diese Schnapsidee nicht hätten. Ein falsches Leitbild führt auch zu falschen konkreten Ergebnis sen. Außerdem liegt diesem Leitbild ein falsches Menschen bild zugrunde. Aber darüber möchte ich jetzt nicht reden. Da für ist die Zeit zu kurz. Darüber rede ich ein anderes Mal.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Bern hard Lasotta CDU: Das hat uns in der Debatte un glaublich weitergebracht!)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Wir treten nun in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung um 14:45 Uhr mit Tagesordnungspunkt 4 – Regierungsbefra gung – fort.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:36 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:46 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Sitzung fort.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Regierungsbefragung

Das erste Thema wurde von der Fraktion der SPD gemeldet:

R a h m e n b e d i n g u n g e n d e r K i n d e r t a g e s p f l e g e v e r b e s s e r n – H a n d e l n s t a t t H i n h a l t e n !

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Abg. Born, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg ist die Kindertagespflege eine wichtige Säule für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Rund 21 000 Kinder werden von ei ner Tagesmama oder einem Tagespapa betreut, Tendenz stei gend. Das Angebot ist ein besonderes, das auf individueller Betreuung, familienähnlichen Strukturen und enger Vertraut heit fußt. Die Wahlmöglichkeit der Eltern zwischen der Be treuung in einer Krippe und in der Kindertagespflege ist wich tig.

Die rund 6 600 Tagespflegepersonen tragen maßgeblich zur Gewährleistung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung bei. Auf Seite 79 des Koalitionsvertrags finden Grüne und CDU wohlklingende Worte:

Wir werden die finanziellen und beruflichen Rahmenbe dingungen für Tagespflegepersonen verbessern und prü fen.

Passiert ist bisher nichts. Daher lohnt es sich, nachzufragen. Zur Diskussion steht ganz konkret die Erhöhung der laufen den Geldleistungen. Aktuell erhalten die Kindertagespflege personen 4,50 € pro Stunde für ein Kind ab drei Jahren und 5,50 € pro Stunde für ein Kind unter drei Jahren. Noch kann daher keine Rede davon sein, dass es sich dabei um einen an gemessen vergüteten Vollzeitberuf handeln würde, so, wie es das SPD-geführte Bundesfamilienministerium richtigerweise vorsieht; dies ist in Baden-Württemberg bislang nicht erreicht worden.

Der Landesverband Kindertagespflege geht sogar davon aus, dass der Verdienst im Durchschnitt nicht dem Mindestlohnni veau entspricht. Das wäre ein Armutszeugnis für das Kinder- und das Bildungsland Baden-Württemberg.

Städte- und Landkreistag haben sich klar positioniert. Sie sind bereit zu einer Erhöhung um 50 Cent, sofern das Land eben falls 50 Cent beisteuert. Vom Kultusministerium gibt es zu diesem Vorschlag bisher kein Wort – und das, obwohl das Land eindeutig Gestaltungsspielraum hat. Nach § 23 SGB VIII steht es dem Land nämlich zu, die laufende Geldleistung fest zulegen.

Darum frage ich die Landesregierung: Können sich die Tages pflegepersonen darauf verlassen, dass ihre finanziellen und beruflichen Rahmenbedingungen verbessert werden? Beab sichtigt die Landesregierung in diesem Zug eine Erhöhung der laufenden Geldleistungen? Welche Schritte haben Sie in die ser Richtung bereits unternommen, und wann soll die Erhö hung ganz konkret in Kraft treten?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Dr. Eisen mann.

Ich habe grundsätzlich eine Bitte an die Regierungsvertreter: Bei der Regierungsbefragung sind Antworten von maximal fünf Minuten je Frage vorgesehen, damit auch möglichst vie le Fragen gestellt werden können. – Danke.

Frau Präsidentin, vielen Dank für den Hinweis, an den ich mich selbstverständlich gern halten werde.

Es ist richtig zitiert worden, dass die Koalition, die diesen Ko alitionsvertrag abgeschlossen hat, sich vorgenommen hat, die finanziellen und beruflichen Rahmenbedingungen für die Ta gespflegepersonen zu verbessern und weiterzuentwickeln. Da zu bekennen wir uns auch.

Deshalb gilt zunächst einmal vom Grundsatz her, dass wir – zur Wahrheit gehört ja auch, zu wissen, wovon man ausgehen muss – seitens des Landes momentan, also 2017, insgesamt knapp 825 Millionen € für die Kleinkindbetreuung in Tages einrichtungen und in der Kindertagespflege stemmen. Von die sen 825 Millionen € sind insgesamt gut 60 Millionen € kon kret für die Kindertagespflege vorgesehen, und diese wird da rüber auch finanziert.

Was den von Ihnen angesprochenen Stundensatz angeht, näm lich 5,50 € pro Stunde und Kind für Kinder unter drei Jahren und 4,50 € pro Stunde und Kind für Kinder ab drei Jahren: Das ist zutreffend; das ist die Grundlage. Ich möchte aller dings auch darauf hinweisen, dass wir uns in dieser Hinsicht im Vergleich aller Bundesländer damit im Spitzenbereich be wegen.

Nichts ist jedoch so gut, als dass es nicht noch besser werden kann. Wir kennen das grundsätzliche Angebot oder den Wunsch nach einer Erhöhung um 1 € pro Kind und Stunde, wovon die Kreise und das Land jeweils 50 Cent tragen sollen. Sie haben eben darauf Bezug genommen. Wir beschäftigen uns damit dahin gehend, dass wir mit den kommunalen Landesverbän den und auch den Partnern der Träger in diesem Bereich ab Herbst darüber verhandeln wollen, wie wir uns dieses Gesamt paket vorstellen können.

Im Koalitionsvertrag ist der Pakt für frühkindliche Bildung und Betreuung ausdrücklich als ein Schwerpunkt der grünschwarzen Landesregierung genannt, den wir auch ernst neh men. Dazu gehört natürlich auch die Frage, wie wir diese For derung mittel- und langfristig bewerten und wie wir insgesamt damit umgehen können.

Ich habe eben gesagt, welche Summe wir momentan inves tieren. Wenn wir die Förderung insgesamt übernehmen wür den, würden wir rund 17 Millionen € zusätzlich für das Ge samtpaket investieren müssen. Dies werden wir dementspre chend abwägen. Wir gehen deshalb dahin gehend in Verhand lungen. Aber im Entwurf für den kommenden Haushalt ist die se Erhöhung bisher nicht vorgesehen.

Vielen Dank. – Gibt es weite re Fragen? – Bitte, Frau Kollegin.

Frau Ministerin, wie ist der Stand der Weiterentwicklung des Qualifizierungskon

zepts für die Kindertagespflegepersonen in Baden-Württem berg?

Vom Landesverband ist eine Erweiterung der Qua lifizierung von derzeit 160 Unterrichtseinheiten auf rund 240 Unterrichtseinheiten vorgesehen. In diesem Zusammenhang wird dann auch eine Erhöhung dieser laufenden Geldleistung für die Tagespflegepersonen dementsprechend gefördert.

Wir sind momentan – auch dies ist Teil dessen, was in das Ge samtpaket „Pakt für frühkindliche Bildung und Betreuung“ gehört – dabei, dies insgesamt weiterzuentwickeln. Ausge hend von dem Jahr 2018 wird die Verwaltungsvorschrift Qua lifizierung, die Sie kennen, zunächst in dieser Form fortge führt. Aber für uns ist es Teil der Gesamtbewertung, wie wir diese insgesamt weiterentwickeln können.

Eine verbindliche Vorgabe von Qualifizierung, die ja auch im mer wieder im Raum steht, streben wir in der Form nicht an, weil sie nach dem Konnexitätsprinzip natürlich zwangsläufig eine Kompensationszahlung auslöst und wir deshalb zunächst sehen müssen, in welchem Gesamtfinanzrahmen wir uns da bewegen.

Aber das Thema „Qualität, Qualifizierung“ wollen wir weiter bestreiten und das in diesem Zusammenhang dann inhaltlich wie finanziell auch insgesamt bewerten.

Vielen Dank. – Jetzt sehe ich eine weitere Frage von Herrn Abg. Born.

Frau Ministerin, Ihre Antwort drängt praktisch noch einmal eine Nachfrage auf. Der Landesverband Kindertagespflege macht ja zu Recht sehr deutlich, wie die derzeitige soziale und auch finanzielle Situation der Kinder tagespflegepersonen ist, die einen wichtigen Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in unserem Land leisten.

Insofern: Sie haben zum jetzigen Zeitpunkt keinen eigenen Beitrag. Wir haben gemerkt: Die Kommunen haben einen sehr konkreten Vorschlag gemacht, von den Verbänden liegen kon krete Ideen vor. Sie verweisen auf weitere Verhandlungen im Herbst. Es gibt auch mittelfristig das Ziel, bei der Kinderta gespflege zu einem Stundensatz von 7,50 € zu kommen. Ist das insofern derzeit überhaupt nicht auf dem Schirm der Lan desregierung? Wie ist das jetzige Lösungsangebot seitens der Landesregierung?

Ich wiederhole es gern noch einmal: Wir haben momentan 5,50 € bzw. 4,50 € pro Stunde und Kind. Wir be wegen uns da im Vergleich der Länder ganz oben.

Ich sagte vorhin schon: Nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden kann. Dass das Thema Kindertagespflege, dass der Tagespflegebereich ein zentraler Bereich ist, ist unbestrit ten. Deshalb haben Sie auch zu Recht auf den Koalitionsver trag, der sich in diesem Zusammenhang klar positioniert, hin gewiesen.

Ich erspare uns jetzt die Wiederholung der Zahlen, was wir bereits investieren. Das ist nicht nichts, wie man schwäbisch sagt. Jetzt werden wir beginnend ab Herbst – ich habe es ge sagt; darauf hat sich die Koalition verständigt – mit den kom

munalen Landesverbänden und den Partnern der Kindertages pflege darüber verhandeln, wie wir uns qualifiziert und finan ziell weiterentwickeln werden. Das heißt, es ist auf dem Schirm der Landesregierung. Diesen Weg werden wir gehen.

Wir werden uns aber auch in diesem Punkt ausreichend Zeit dafür nehmen, zu sehen, wie wir was mit welchem Inhalt und mit welchen Finanzleistungen umsetzen können. Ich glaube, dass das ein faires Vorgehen ist. Wie gesagt, bei den genann ten Zahlen von 825 Millionen € und davon gut 60 Millionen € konkret für die Kindertagespflege bleibt es natürlich zunächst.