Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

Und dann lassen Sie, Herr Ministerpräsident, kurz nachdem Sie den Diesel mit Ihrer Verbotsfantasie verteufelt haben, ei ne erstaunte Öffentlichkeit wissen, Sie hätten selbst einen ge kauft, weil Sie ja ein gescheites Auto brauchen, um Sand für den Enkel zu holen.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Vor diesem Hintergrund war im Grunde schon klar, dass Sie mit der Politik, die Sie da betreiben, nicht weiterkommen. Dann sagen Sie auf einmal: vielleicht Nachrüstung. Im Übri gen fragen Sie, welche Konzepte die Opposition habe. Das mit der Nachrüstung fordern wir schon lange, Herr Minister präsident. Das ist nicht originär auf Ihrem Mist gewachsen.

(Lachen des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Lächerlich!)

Dann besuchen Sie plötzlich ein paar Automobilunternehmen, lassen sich etwas vorführen, kommen zurück und sagen: „Mensch, der Diesel ist sauber“,

(Abg. Sascha Binder SPD: Schnüffeltest!)

mit der bemerkenswerten Begründung, man werde ja wohl den Ministerpräsidenten nicht anlügen, wenn er fragt, ob der Diesel sauber sei. Na ja.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Zwischendurch kommt dann noch Ihr bemerkenswerter Par teitagsauftritt. Da können Sie sich schon darüber ereifern, dass das Ganze bekannt wird. Ich glaube aber, auch die Öffentlich keit in Baden-Württemberg hat durchaus ein Recht, zu wis sen,

(Abg. Klaus Dürr AfD: Absolut, genau! Jawohl!)

was der Ministerpräsident von den eigenen Parteitagsbeschlüs sen wirklich hält.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist durchaus bemerkenswert und durchaus ein Erkennt nisgewinn. Denn Sie werden wohl kaum ernsthaft der Auffas sung sein, es gehe an, der Ministerpräsident von Baden-Würt temberg kommt von einem Parteitag zurück und erklärt: „Al les prima, was da beschlossen wurde“, und es sei in Ordnung, das der Bevölkerung so zu signalisieren, obwohl er in Wirk lichkeit der gegenteiligen Auffassung ist.

Am Ende dieses Prozesses folgt dann hier im Landtag von Ba den-Württemberg eine Debatte, in der Sie allen Ernstes die sen Eiertanz, den Sie aufgeführt haben, auch noch als kluge und vorausschauende Politik feiern. By the way, das Gerichts urteil steht auch noch aus. Möglicherweise müssen Sie dann Ihre Politik wieder verändern, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Schwarz, Sie haben gesagt: „Strategischer Dia log,“ – da sind wir durchaus bei Ihnen – „das Zentrum der Au tomobilindustrie muss in Baden-Württemberg sein“ – auch da sind wir bei Ihnen. Aber eines muss auch klar sein, Herr Kol lege Schwarz – das hat bei Ihnen gefehlt –: Technologieoffen heit ist die Voraussetzung dafür, dass dies funktionieren kann, und die Innovationspeitsche ist der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Wir wollen der Wirtschaft nicht vorschreiben, in welche Rich tung es zu gehen hat. Anreize ja, Verbote nein.

In der Tat würden wir uns von Ihnen, Herr Kollege Schwarz – Sie sprechen anschließend –, auch wünschen – der Kollege Stoch hat auch darauf hingewiesen –, dass Sie ein Wort dazu sagen, wie Sie und Ihre Fraktion zu dem Datum 2030 stehen. Sind Sie der Meinung, dass der Ministerpräsident recht hat und das Datum 2030 Quatsch ist? Oder sind Sie der Meinung, dass der grüne Parteitag recht hat und das Datum 2030 steht? Ich kann Ihnen verraten: Meine Fraktion steht zu 100 % hin ter der Äußerung des Ministerpräsidenten, die er auf dem grü nen Parteitag an die Adresse der grünen Bundestagsfraktion gerichtet hat: „Ihr habt keine Ahnung.“ Wer wollte ihm da wi dersprechen, meine Damen und Herren?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und Abge ordneten der AfD)

Was uns auch fehlt, ist die Differenzierung zwischen Stadt und Land. Die Mobilitätskonzepte, die Sie hier propagieren, mögen für die Stadt Stuttgart, für den Großraum Stuttgart ge eignet sein. Es kann aber doch nicht ernsthaft Ihre Politik sein – es ist aber ernsthaft Ihre Politik; wir haben es ja vorhin bei der Fahrradfeier unter Tagesordnungspunkt 1 erlebt –, zu glau ben, in einem Flächenland wie Baden-Württemberg könne man der Masse der Berufspendler erzählen: „Fahrt lieber mit dem Fahrrad Strecken von 30 oder 40 km

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

an den Arbeitsplatz, ins Büro. Das ist gesund, das ist prima. So müsst ihr das machen.“ Wir bauen Fahrradschnellwege, und jeder fährt am Morgen dann 30 oder 40 km mit dem Fahr

rad zum Arbeitsplatz. Dieses Mobilitätskonzept passe für al le, so, wie Sie dies hier unter Tagesordnungspunkt 1 deutlich gemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Das hat nie jemand behaup tet!)

Da machen Sie sich doch über die Menschen auf dem flachen Land in Baden-Württemberg lustig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Mit solchen Thesen sind Sie eine reine Großstadtpartei, mei ne Damen und Herren.

(Zurufe)

Herr Ministerpräsident, zur Begründung Ihrer Politik haben Sie einige Zeitungsschlagzeilen vorgelesen, beispielsweise – ich zitiere –: „China führt Quote für Elektroautos ein“. Ja, kann die chinesische Politik, Herr Ministerpräsident, ernsthaft das Vorbild für Baden-Württemberg sein? Kann es ernsthaft so sein, dass Sie jetzt wie die Chinesen Quoten für Elektroau tos einführen wollen?

(Zuruf von der AfD: Sehr gut! – Abg. Sascha Binder SPD: Fünfjahrespläne!)

Ja, vielleicht Fünfjahrespläne in Baden-Württemberg ein führen,

(Lachen bei der AfD)

um in der Frage unserer Schlüsselindustrie voranzukommen. Das kann doch nicht unser Thema sein, meine Damen und Herren!

„Das Auto der Zukunft fährt emissionsfrei.“ In der Antwort auf die Zwischenfrage des Kollegen Glück wurde deutlich, wie Sie das meinen. Sie haben gemeint: null Emission beim Fahren. Und auf die Frage, wie es mit der Ökobilanz und der Produktion sei, sagten Sie, dies sei hier nicht das Thema. Herr Ministerpräsident, das ist doch der klassische Selbstbetrug!

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Wenn Sie tatsächlich gegen den Klimawandel kämpfen wol len, dann kann es doch keine Strategie sein, zu sagen: „Wir bekämpfen den Klimawandel dadurch, dass wir dafür sorgen, dass das Auto emissionsfrei fährt, während es auf der Straße fährt, aber die Gesamtbilanz, die Emissionsbelastung durch die Produktion blenden wir völlig aus.“ Damit lügt man sich doch in die eigene Tasche, Herr Ministerpräsident. Mit einer solchen Politik kommen Sie auch im Kampf gegen den Kli mawandel nicht weiter.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Die Zeit des Verbrennungsmotors gehe auf mittlere Sicht zu Ende, sagten Sie. Sie haben natürlich – darin sind Sie sich treu geblieben – kein Datum genannt.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Genau!)

Aber wir wissen, 2030 ist nach Ihrer festen Überzeugung zu früh. Das heißt, dass wir den Verbrennungsmotor mindestens noch 20 oder 30 Jahre brauchen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Länger!)

Das ist die logische Konsequenz aus dem, was von Ihnen in den letzten Wochen zu hören war. Wenn wir ihn in den nächs ten 20, 30 Jahren noch brauchen, dann macht es doch keinen Sinn, gerade die Dieseltechnologie zu verteufeln.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Wir müssen uns dazu bekennen, dass wir den Verbrennungs motor noch 20 oder 30 Jahre brauchen und dass wir auch die entsprechenden Arbeitsplätze brauchen. Wir können umsteu ern, aber wir müssen dies mit Anreizen tun – nicht mit Ihrer Verbotsideologie.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Sie sagten, es gehe Ihnen um saubere Luft und nicht um Fahr verbote. Gut! Dann haben Sie sich selbst dafür gefeiert, dass Sie derjenige seien, der jetzt die Umrüstung durchgesetzt ha be. In der gleichen Rede plädierten Sie aber weiterhin für die blaue Plakette. Herr Ministerpräsident, das ist ein Wider spruch. Das passt nicht zusammen. Denn wenn die Umrüs tung stattgefunden hat, brauchen Sie keine blaue Plakette.

(Zuruf: So ist es!)

Auf eines von beiden müssen Sie sich einmal mit sich selbst und am besten auch mit Ihrer Regierungskoalition einigen, Herr Ministerpräsident. Das, was Sie hier erklärt haben, ist widersprüchlich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Letztlich bleibt dies der untaugliche Versuch, einen politischen Eiertanz, eine Kreuther Springprozession, die Sie, Herr Mi nisterpräsident, mit Ihrer Koalition in den letzten Wochen auf geführt haben, im Nachhinein zu vorausschauender Politik umdeuten zu wollen.

(Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)