Das MWK erkennt, dass sich der Weg von der Promotion zur Professur in den letzten Jahren stark verändert hat. Wir erach ten den Ausbau des Tenure-Track-Verfahrens als geboten; denn anders als die Juniorprofessur ohne Tenure-Track bietet es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine größere Pla nungssicherheit für die Laufbahn, ohne jedoch die Leistungs anreize zu streichen.
Die hiesigen landesgesetzlichen Regelungen zum TenureTrack bleiben jedoch ein zahnloser Tiger, solange die Aufga benstellung nicht entsprechend finanziell untermauert wird.
Die 65 neuen Tenure-Track-Professuren aus dem Bund-Län der-Programm sind natürlich sehr erfreulich, stellen gleichwohl
aber nur das Abbild des Königsteiner Schlüssels dar. Einen ei genen Impuls des Landes vermissen wir hingegen.
Als positiv erachten wir auch die Mitsprache des wissen schaftlichen Nachwuchses durch Schaffung einer eigenen Ver tretung der Doktoranden innerhalb der Hochschulgremien. Dies ist grundsätzlich eine vernünftige Idee, da die Doktoran den bisher entweder zur Gruppe der wissenschaftlichen Mit arbeiter oder zu den Studierenden gezählt haben, beide Grup pen aber eine ganz andere Interessenlage haben als die Dok toranden.
Unabhängig von der Einbindung der Doktoranden in den Se nat hätten wir uns aber auch einen mutigeren Schritt hin zu einem Promotionsrecht an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften gewünscht. Im Kern geht es um die Qualitäts sicherung, die derzeit vornehmlich durch Kooperationspro jekte zwischen den Hochschularten als gewährleistet angese hen wird. Die FDP/DVP-Fraktion hat sich bereits in der letz ten Legislaturperiode für das „Baden-Württemberg Center of Applied Sciences“ starkgemacht, in dem die Spitzen der an gewandten Forschung zusammengeführt werden. Hier sehen wir das Potenzial für einen HAW-Verbund mit Promotions recht, der eine starke qualitätssichernde Instanz darstellen würde.
Von dieser Idealvorstellung, Frau Ministerin, ist der vorlie gende Gesetzentwurf weit entfernt. Der Gesetzentwurf sieht eine Assoziierungsmöglichkeit für HAW-Professoren an die Universitäten vor, deren Ausgestaltung den jeweiligen Uni versitäten überlassen bleibt. Mit diesem Vorschlag bleibt das MWK sogar hinter der Weiterentwicklungsklausel in § 76 Ab satz 2 des Landeshochschulgesetzes zurück. Denn wenn die Ausgestaltung der neuen Assoziierung allein den Universitä ten überantwortet wird, steht zu befürchten, dass diese neue Möglichkeit eher eine theoretische Größe bleiben wird. Sie, sehr verehrte Ministerin, haben selbst in einem Interview ge genüber der „Südwest Presse“ eingeräumt, dass es eine – ich zitiere – „nicht sehr stark entwickelte kooperative Kultur zwi schen Universitäten und den HAWs“ gibt und es unstreitig mehr Zusammenarbeit geben muss. Am Königsrecht der Uni versitäten möchten Sie dennoch nicht rütteln.
Andere Länder, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigen sich hier durchaus aufgeschlossen. Schauen Sie nach Hessen. Schwarz-Grün hat sich dort vom Promotionsprivileg der Uni versitäten verabschiedet – der dortige CDU-Minister Rhein hält dieses für nicht mehr zeitgemäß –, und so konnte die FH Fulda bereits im Oktober 2016 das erste Promotionszentrum eröffnen.
Natürlich gäbe und gibt es zahlreiche weitere Punkte, wie un sere bereits guten und starken Hochschulen zukunftsfähig ge macht werden können. Mit Blick auf die Innovationskraft un seres Landes und den internationalen Wettbewerb um die bes ten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind exzellen te Rahmenbedingungen, Planungssicherheit und Entwick lungsperspektiven im deutschen Wissenschaftssystem essen ziell.
Die an sich guten Perspektiven dürfen daher nicht durch de motivierende Gesetzesänderungen gefährdet werden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schöne und Faszinierende an der Wissenschaft ist, dass sie immer wieder solche Momente hervorbringt, in denen etwas völlig Unerwartetes und völlig Überraschendes passiert. Da werden Experimente gemacht, und auf einmal kommt eine Erkenntnis oder Einsicht heraus, mit der vorher niemand gerechnet hat – ganz anders, als man an das Thema herangegangen ist.
Solche spannenden Entwicklungen, solche spannenden Mo mente sind z. B. bei der Entdeckung des Penicillins oder der Röntgenstrahlen passiert. Solche Momente können auch bei Reden passieren, Herr Kollege Rivoir. Die sind manchmal überraschend anders, als man gedacht hat.
Deswegen lohnt es sich, heute genau hinzuhören – nicht, dass Sie noch einmal einen falschen Bezugspunkt für Ihre eigene Rede wählen. Ich glaube, Sie erfahren heute ein bisschen was Neues.
Mir ging es selbst so – das möchte ich gern zugeben –, als im vorletzten Jahr das Urteil durch den baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof erlassen wurde, der uns aufgetragen hat, in Baden-Württemberg das Landeshochschulgesetz anzu passen und dabei das Thema Wissenschaftsfreiheit in der Hoch schulgovernance deutlicher abzubilden. Das war für mich ei ne unerwartete Aufgabenstellung.
Bei der näheren Befassung mit der Aufgabe habe ich aber schnell gemerkt: Das ist eine gute und willkommene Chance, und es bereitet mir Freude, mit der Novelle des Gesetzes der Wissenschaftsfreiheit im 21. Jahrhundert Gestalt zu geben. Ich bin überzeugt, dass wir mit dem, was wir in diesen Tagen freigegeben haben, genau das zeigen. Es geht uns darum – mit dieser Handschrift, diesem Duktus haben wir das Gesetz er arbeitet –: Wir wollen eine starke, dynamische und selbstbe wusste Wissenschaft in unserem Land. Wir wollen, dass die se starke, dynamische und selbstbewusste Wissenschaft über sich selbst hinaus in die Gesellschaft hinein strahlt, Impulse setzt, unser Land robust macht und für eine Welt im Wandel gut aufstellt ist.
Lassen Sie mich deswegen heute noch einmal ein paar Grund gedanken erläutern, bevor wir in die Details gehen; dazu wer den wir später viel Gelegenheit haben.
Das Thema „Starke Wissenschaft“: Es geht uns um starke Wissenschaft, und zwar in einem doppelten Sinn. Wissen schaft lebt von der Stärke, von dem Selbstbewusstsein und dem Mut der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst, der Individuen, die sich dem Thema widmen, und sie lebt auch davon, dass die Institutionen als Ganzes selbstbewusst, eigen ständig und stark agieren können.
Wir brauchen also beides: das starke Individuum, das Wissen schaftsfreiheit leben kann, und die Institution, die frei von Ab hängigkeiten und staatlichen Übergriffen entscheiden kann,
wie sie agiert. Wissenschaftsfreiheit steht also auf zwei Bei nen. In diesem Geist haben wir die Hochschulgesetznovelle gemacht.
Den Kollegen aus der AfD möchte ich bei dieser Gelegenheit einmal sagen: Setzen Sie sich an diesem Punkt einmal mit der Verfassung – egal, ob Landesverfassung oder Grundgesetz – auseinander. Da stehen ein paar gute Sätze zum Thema Wis senschaftsfreiheit drin. Es geht z. B. gar nicht, wenn Politiker, Abgeordnete daherkommen und sagen, welchen Lehrstuhl sie gern streichen würden, wenn sie an der Macht wären.
Das widerspricht glatt der Verfassung, sowohl der Landesver fassung als auch der Bundesverfassung. Da würde ich Ihnen raten: Ein bisschen mehr Verfassungstreue steht Ihnen gut an, wenn Sie hier im Parlament sind.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Stefan Räpple AfD: So ein Blöd sinn! Wo steht Gender in der Verfassung?)
Genau. – Also: Wir machen den Doppelschritt. Die individuelle Freiheit des Wissenschaftlers stärken wir, aber wir stärken auch die institutionelle Freiheit. Deswegen war es mir ein ganz großes Anliegen, dass wir die Kompetenz der Rektorate nicht schwächen. Wir brauchen starke, hand lungsfähige, selbstbewusste Rektorate. Das Urteil hat uns da bei zwei Alternativen vorgegeben: Entweder wir verlagern Kompetenzen der Rektorate in die Senate und schwächen da mit die Rektorate, oder wir schaffen für den Fall einer tiefen Vertrauenskrise die Möglichkeit, dass die Professorenschaft eigenständig hauptamtliche Rektoratsmitglieder abwählen kann.
Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. Wir haben eine ordentliche Hürde eingebaut und uns dafür entschieden, keine Kompetenz zu verlagern – raus aus den Rektoraten und hinein in die Senate –, weil wir dies für nicht zukunftstaug lich halten. Wir brauchen auch in der Zukunft starke, strate gie- und handlungsfähige Rektorate. Genau so ist das neue Hochschulgesetz gestrickt.
Zum Thema „Kompetenz verlagern“ nur eine Seitenbemer kung an den Kollegen Rivoir: Wir haben auch den Studieren den in Verfassten Studierendenschaften keine – ich unterstrei che: keine – Kompetenz weggenommen. Im Hochschulgesetz
ist eine Liste von Kompetenzen und Zuständigkeiten aufge führt, die sie haben. Und keine dieser Kompetenzen ist ihnen genommen worden. Es ist ein Halbsatz gestrichen worden, wodurch präzisiert – –
Hat für Aufregung gesorgt. Es haben auch welche geholfen, dass die Aufregung wächst. Aber schauen Sie sich einfach den Gesetzestext an. Keine Kompetenz ist weg. Stattdessen fehlt ein Halbsatz, der dazu geführt hat, dass manche in der Ver gangenheit leider gedacht haben, sie könnten mit dem Geld der Verfassten Studierendenschaften zu Demonstrationen fah ren und mobilisieren. Das geht nicht; das ging auch schon da mals nicht.
Dies haben wir auch schon in früheren Debatten klargestellt. Wie gesagt: Nicht eine einzige Kompetenz, die sie hatten, ha ben sie in dieser Legislaturperiode weniger. Deswegen kann man die Aufregung gern einstellen und den Studierenden hel fen, das Mandat der Verfassten Studierendenschaften auch in Zukunft selbstbewusst anzunehmen.
Zum Thema Gründen ist ganz zu Recht festgestellt worden: Das Gründerthema, die Frage, welchen Nährboden, welchen Spirit, welchen Geist es in unserem Land gibt, um neue We ge zu beschreiten, verbindet unsere Landesregierung. Wir ar beiten miteinander an den Fragen, wie wir dies befeuern kön nen, unterstützen können. Ich verweise auch darauf: Die Kol legin Wirtschaftsministerin hat auch da sehr schöne und am bitionierte neue Initiativen entfaltet. Aber auch im Wissen schaftsministerium haben wir einiges auf den Weg gebracht. Es ist von meinen Vorrednern freundlicherweise schon darauf verwiesen worden, was wir gemacht haben.
Neu hinzu kommt jetzt mit dem neuen Hochschulgesetz die Möglichkeit für Absolventen unserer Hochschulen, ob als Stu dierende, wissenschaftliche Mitarbeiter, Doktoranden – wie auch immer –, bis zu drei Jahre auf Infrastruktur und Labors, Räumlichkeiten zurückzugreifen. Alle, die ihre Tätigkeit an der Hochschule eigentlich abgeschlossen haben, können nun für den Fall einer Gründung, die sie aus ihrer Phase an der Hochschule heraus auf den Weg bringen wollen, in der Hoch schule verbleiben und können durch die Infrastruktur der Hochschule unterstützt werden, den Schritt in die Selbststän digkeit zu gehen. Das ist neu, das ist gut, das wird gebraucht, und es ist im Gespräch mit denen entstanden, die genau die se Prozesse schon durchgemacht haben und die uns sehr ge nau erläutern konnten, an welcher Stelle Unterstützung Sinn macht. Genau so gehen wir dies jetzt an.
Ein dritter Aspekt, der mir wichtig ist, wenn wir über selbst bewusste Wissenschaft reden: Wir reden da im Wesentlichen über Menschen, nicht nur über Strukturen und Gebäude. Wir reden über Menschen, die sich etwas zutrauen müssen, die mutige Wege gehen müssen und die manchmal auch gegen den Mainstream angehen müssen und Dinge beforschen, die dann schwer aussprechbar sind, die man in der Öffentlichkeit
nicht versteht, z. B. Gender oder Postkolonialismus. Es kön nen auch einmal neue Generationen von Mikroskopie sein oder was auch immer. Häufig sind die Forscher, die mutig sind, auf einem Weg, der angefeindet und nicht verstanden wird.
Wir wollen diese Wege und diese Freiräume schaffen, und wir wollen sie schützen. Deswegen wollen wir insbesondere die junge Generation der Wissenschaftler und Wissenschaftlerin nen stärken.