Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

und an einer deutlichen Aufstockung des Personals über den durch Pensionierung entstehenden Bedarf hinaus.

Meine Damen und Herren, bei allem Verständnis dafür, dass wir im Kampf gegen den internationalen Terrorismus robust und auch intelligent vorgehen müssen, ist es immer auch wich tig, mit Maß und Mitte vorzugehen und vor allem auch die Freiheitsrechte des Bürgers zu beachten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich dem Kollegen Binder das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte ist schon mehrfach angespro chen worden, dass wir es mit einer veränderten Sicherheitsla

ge zu tun haben – nicht erst seit gestern oder seit vorgestern, sondern seit den letzten Jahren. Diese Regierung und auch die letzten Regierungen, ob im Land oder im Bund, versuchen, auf diese schwierige neue Sicherheitslage einzugehen: mit Personal, mit Ausstattung und mit Gesetzgebung.

Wir müssen feststellen, dass beispielhaft im Fall Amri, aber auch bei anderen Terroranschlägen die Personen, die diese An schläge durchgeführt haben, den Behörden teilweise bereits bekannt waren und dass Anschläge mit dem vorhandenen Per sonal, der vorhandenen Ausstattung und den bestehenden Ge setzen teilweise durchaus hätten verhindert werden können. Darüber müssen wir genauso reden wie über neue Mittel und neue Rechtsgrundlagen für die Sicherheitsbehörden. Denn die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, in Baden-Württem berg wie im gesamten Bundesgebiet, erwarten, dass ein star ker Staat für Sicherheit in diesem Land sorgt, Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei der SPD und des Abg. Klaus Dürr AfD)

ein wehrhafter Staat, der in der Lage ist, dieser Bedrohung zu begegnen, die nicht leicht zu fassen ist, da der Terrorismus in immer wieder neuen Erscheinungen auf uns trifft und immer wieder Opfer fordert. Wir stehen in der Verantwortung, diese Bedrohung – das wurde von meinen Vorrednern zu Recht an gesprochen – auch präventiv zu verhindern.

Ein starker Staat ist aber nur so stark, wie er auch ein starker Rechtsstaat ist, Kolleginnen und Kollegen. Deshalb muss man bei aller Gesetzgebung und bei allen Diskussionen um mehr Sicherheit in diesem Land immer auch darauf achten, dass in der Hitze des Gefechts der Rechtsstaat nicht zu kurz kommt, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Ein starker Staat wird allerdings nicht durch starke Sprüche gemacht. Ich glaube, dass ein starker Staat nicht dadurch ent steht, dass man viel redet, sondern dadurch, dass man handelt.

(Zuruf von der CDU)

Wenn Sie, Herr Minister, sich heute hier hinstellen und sagen, dieses Gesetz mache Baden-Württemberg sicherer und es sei ein Siebenmeilenschritt für die Sicherheit in diesem Bundes land, dann mag das zum Teil stimmen. Aber Sie schlagen hier Dinge vor, die Sie zum jetzigen Zeitpunkt und auch nach Ver kündung und Inkrafttreten dieses Gesetzes gar nicht umset zen können.

(Zuruf von der SPD)

Das haben die Redner der beiden Regierungsfraktionen be stätigt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Herr Kollege Sckerl, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten nicht alles gemacht, was technisch möglich ist. Das stimmt. Sie ha ben sogar Sachen gemacht, die technisch zum heutigen Zeit punkt noch gar nicht möglich sind, Kolleginnen und Kolle gen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Jetzt haben Sie ja, wie Staatssekretär Jäger in einer öffentli chen Veranstaltung in Ulm gesagt hat, in 19 Verhandlungsrun den darüber diskutiert, wie man in der wirklich schwierigen Frage der Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit die richtige Balance findet.

Eines der zentralen Gesetzesvorhaben ist die Quellen-TKÜ. Dabei ist die Frage: Lassen wir eine Onlinedurchsuchung – Kollege Sckerl, wie Sie vorhin zu Recht sagten – zu oder nicht, und wie funktioniert eine Abgrenzung? Herr Fraktions vorsitzender Schwarz, Sie haben bei der Pressekonferenz nach einer dieser Verhandlungsrunden gesagt: „Entscheidend ist, dass es eine Software gibt, die eine verfassungsrechtliche Aus gestaltung hat.“ Diese Software liegt nicht vor, Kollege Schwarz.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Deshalb ist es schwierig, als Parlament zu überprüfen, ob die ses Mittel geeignet und erforderlich ist, um das zu erreichen.

In einem sind wir uns in diesem Haus völlig einig: Auch wir sind der Auffassung, dass die Polizei und das Landesamt für Verfassungsschutz präventiv in der Lage sein müssen, auch auf Messengerdienste zurückzugreifen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Aber wir wollen wissen, ob dies auch verfassungsrechtlich geboten und technisch möglich ist. Darauf haben wir auch heute von Ihnen keine Antwort erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb, Herr Minister, wollen wir schon wissen: Haben Sie zum heutigen Zeitpunkt eine Software, die die Voraussetzun gen, die Sie hier im Gesetz vorschlagen, erfüllen kann? Ga rantieren Sie uns, dass die Polizei in Baden-Württemberg zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes auch tatsächlich in der Lage sein wird, diese gesetzlichen Möglichkeiten um zusetzen?

Denn ich finde schon, dass in dieser Debatte ein wenig mehr Ehrlichkeit eine Rolle spielen sollte.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

Die tatsächliche Umsetzung hin zu mehr Sicherheit ist mit die sem Gesetz eben nicht erfolgt. Ich hätte schon erwartet, dass Sie, wenn Sie dem Parlament ein Gesetz vorlegen, dem Par lament auch sagen, wozu Sie dieses Gesetz brauchen, und dass Sie dann die Polizei auch in die Lage versetzen, das Gesetz tatsächlich umzusetzen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Sckerl, jetzt haben Sie vorher gesagt, Sie hätten sehr auf den Richtervorbehalt geachtet. Also, da muss ich mal eine Frage stellen. Aus unserer Sicht haben Sie bei der Quel len-TKÜ den Richtervorbehalt geschleift.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Richtig!)

Sie haben etwas gemacht, was sehr spannend ist. Sie sagen: „Bei einer normalen Umsetzung der Quellen-TKÜ machen wir einen Richtervorbehalt, aber bei Gefahr in Verzug lassen wir die Polizei selbst anordnen“ –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

also weder die Staatsanwaltschaft noch ein Bereitschaftsrich ter. Sie haben an diesem Punkt den Richtervorbehalt aus un serer Sicht ohne Not geschleift. Bei Gefahr in Verzug: Wenn man es technisch umsetzen will, in zwei Geräte hineinzuge hen und dann diese Messengerdienste zu überprüfen, dann gibt es „Gefahr in Verzug“ in der Praxis eigentlich gar nicht, weil das Vorkehrungen benötigt, bei denen jeder Bereitschafts richter – ich gehe davon aus, der Justizminister wird mir recht geben – in der Lage wäre, diese Genehmigung umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben Sie den Richtervorbehalt an dieser Stelle oh ne Not geschleift.

Aber wir stehen ja am Beginn dieses Gesetzgebungsverfah rens, und wir werden dazu einen Änderungsantrag einbringen. Denn es kann aus unserer Sicht ein Mehr an Rechtsstaat ge ben, ohne dass man ein Weniger an Sicherheit an dieser Stel le eingehen muss.

Was die Schutzgüter angeht – Sie sagen, Sie stehen auf der Grundlage der Rechtsprechung zum BKA –: Im Gesetzent wurf steht:

... Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öf fentlichen Interesse... ist,...

Das ist aber ein bisschen weiter gehend als das, was beim Bundesverfassungsgericht zu lesen ist. Dort wird nämlich ein deutig darauf abgezielt, dass die Rechtsgüter einzeln zu nen nen sind. Es geht um die

Abwehr einer Gefahr für den Bestand und die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Per son

und nicht nur um „Sachen von bedeutendem Wert, deren Er haltung im öffentlichen Interesse geboten ist“. Das mag eine Feinheit sein. Aber, Herr Kollege Sckerl, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, Sie halten den Rechtsstaat hoch, dann könnte man auch hier eine Veränderung vornehmen für mehr Rechtsstaat, ohne auf mehr Sicherheit verzichten zu müssen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt in ähnlicher Weise für den Ersatz von Schä den bei der Quellen-TKÜ.

Nun zur Fußfessel. Dies scheint ja auch innerhalb der Partei en unterschiedlich gesehen zu werden. Wir gehören zu denje nigen, die nicht unbedingt der Auffassung sind, dass Fußfes seln tatsächlich ein wirksames Mittel sind. – Jetzt lachen Sie, Herr Minister, weil die Große Koalition das in einer Gemein samkeit beschlossen hat. Das ändert aber nichts daran, dass wir die Meinung haben – dieser Auffassung war auch die SPD-Bundestagsfraktion bis zu diesem Kompromiss –, dass ein Terrorist sich nicht an Aufenthaltsverbote hält und – ich gehe sogar noch weiter – sich daran auch nicht halten muss, um einen Anschlag vorzubereiten. Sie haben das vorhin er klärt: Es gibt ja keine toten Briefkästen mehr, die dieser Ter rorist besuchen müsste, um einen Anschlag zu begehen. Des halb glauben wir, dass diese Fußfessel ein Placebo ist, das ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, aber nicht ein tatsächliches

Mittel, um Terroranschläge zu verhindern. Auch das gehört für uns zu mehr Ehrlichkeit in der Sicherheitspolitik, Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)