Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

Also, lieber Herr Binder, konsistente Sicherheitspolitik sieht anders aus. Das, was Sie darbieten, ist kein gutes Bild. Gott sei Dank sind Sie für die Sicherheitspolitik in diesem Land nicht verantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu dem, was Sie zur Fußfessel gesagt haben: Ach herrje, die Fußfessel löst nicht alle Probleme. – Das hat auch niemand behauptet.

(Abg. Sascha Binder SPD: Aber Sie tun so! Das werfe ich Ihnen vor!)

Nein.

(Abg. Sascha Binder SPD: Doch!)

Wenn dieser Eindruck entstanden wäre: Um Gottes willen, die Fußfessel löst überhaupt nicht alle Probleme. Das wird im Üb rigen auch kein Instrument sein, das wir tausendfach oder hun dertfach einsetzen, sondern das werden ganz bestimmte Ein zelfälle sein.

(Abg. Sascha Binder SPD: Also doch kein Sieben meilenschritt!)

In der Gesamtheit, Herr Kollege Binder, ist es ein Sieben meilenschritt – nicht die Fußfessel allein, aber alles zusam men, die präventive Quellen-TKÜ als ein Herzstück, die in telligente Videoüberwachung, das, was wir jetzt für die Spe zialeinheiten tun, und als ein Bestandteil, als ein Mosaikstein dann auch die Fußfessel. Das ist das Gesamtkunstwerk, und das ist dann schon der Siebenmeilenschritt.

Im Übrigen müssten Sie konsequenterweise auch gegen die Fußfessel im repressiven Bereich sein, wenn die Argumente, die Sie gegen die Fußfessel vorgebracht haben, zutreffend wä ren. Mir ist das aber nicht bekannt. Auch hier stellen Ihre Aus sagen keine konsistente und vor allem keine handlungsfähige Politik dar.

Aber, Herr Kollege Binder, Sie haben sich ja schon mit Erfolg der Einführung der Bodycam verweigert. Schade, dass Sie sich in der Innenpolitik und in der Sicherheitspolitik in dieser Art und Weise verweigern. Ich habe in der Bundespolitik ver antwortungsvollere Sozialdemokraten bei der Sicherheitsge setzgebung erlebt. Aber so zu agieren ist Ihr gutes Recht in der Opposition. Üben Sie dort fleißig weiter.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Herr Abg. Goll,

(Abg. Klaus Dürr AfD: Jetzt kommt Herr Goll dran!)

was Sie formal zu dem Thema Alkoholverkaufsverbote/Alko holkonsumverbote und dem Zusammenhang mit der Terror bekämpfung gesagt haben, ist richtig. Das hat keinen unmit telbaren Zusammenhang.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Herausneh men!)

Wir haben das in e i n e m Gesetzentwurf gemacht, weil wir das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Stück für Stück abarbeiten. Aber ich will einmal – ohne da etwas zu zusagen – sagen: Dass wir das wieder auseinandernehmen, dagegen habe ich nichts, weil dieser inhaltliche Zusammen hang, wie Sie zu Recht gesagt haben, durchaus ein überschau barer ist.

In der Sache verstehe ich es, ehrlich gesagt, materiell nicht ganz, weil das Alkoholkonsumverbot, das wir jetzt einführen, eine Option darstellt. Das liegt in der Freiheit der Kommunen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Kein Bürgermeister, kein Gemeinderat muss das machen. Es bedarf in jedem Einzelfall der Zustimmung des Gemeinde rats. Freiheit für die Kommunen! Gebt den Kommunen Frei heit, will ich der FDP zurufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Darum geht es. Deswegen tue ich mich, lieber Herr Professor Goll, ehrlich gesagt, schwer, nachzuvollziehen, warum Sie ge gen solche zeitlich und örtlich begrenzten Alkoholkonsum verbote unter engen Voraussetzungen sind,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wir haben Angst um das Heilbronner Weindorf!)

deren Einführung, wie gesagt, völlig in der Hand der kommu nalen Selbstverwaltung liegt. Aber das ist Ihnen selbstver ständlich unbenommen. Ich will Ihnen einfach nur offen ge stehen: Ganz nachvollziehbar, wie so etwas einem liberalen Herzen entspringt, ist es für mich nicht.

Recht haben Sie allerdings darin, Herr Abg. Dr. Goll, dass wir in vielen Bereichen Neuland betreten. Das ist wahr. Aber ich möchte schon, dass wir in diesem Land sicherheitspolitisch nicht hinterhertraben. Ich möchte nicht, dass wir, wenn sich die organisierte Kriminalität, die Verbrechensszene, insbeson dere der islamistische Terror, modernster Technologie bedie nen, Lichtjahre hinterher sind, sondern ich möchte, dass un sere Sicherheitsbehörden zumindest auf Augenhöhe und im Idealfall sogar ein bisschen schneller sind als diejenigen, die eine große Gefahr für unsere Gesellschaft, für die Bürgerin nen und Bürger darstellen. Wenn man das aber so machen will, dann muss man den Mut haben, Neuland zu betreten.

Ich gebe Ihnen recht: Man muss es dann besonders sorgfältig machen. Deswegen habe ich schon mit Bedacht gesagt, dass ich mich auf die Diskussionen im Ausschuss über diese The men freue. Denn wenn man Neuland betritt, dann muss man das liebevoll und sorgfältig machen, und dann muss man über diese Dinge sprechen. Es ist mir völlig ernst damit, dass wir die konkreten Bedenken, die uns etwa der Landesbeauftragte für den Datenschutz übermittelt hat, sehr genau prüfen und das, was richtig und gut ist, übernehmen und dass wir im Üb rigen auch andere Argumente, auch die, die Sie vorgetragen haben, sorgfältig prüfen.

Ich finde es richtig, dass das Parlament eine Anhörung zu die sem Thema durchführt. Ich hätte mich, ehrlich gesagt, gewun dert, wenn zu einem so wichtigen und sensiblen Gesetzge bungsverfahren der Landesgesetzgeber keine Anhörung durch geführt hätte. Die Anhörung wird von mir nicht als ein lästi ges Übel empfunden, sondern ausdrücklich begrüßt. Wir kön nen ja auch durch solche Beratungen jeden Tag noch ein biss chen klüger werden und es noch ein bisschen besser machen.

Aber, Herr Abg. Goll – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, ich weise vorsorglich darauf hin, dass ich, wenn Sie jetzt weiterreden, den Fraktionen einen Zuschlag erteilen muss.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist auch präventiv!)

Das wäre angesichts der Bedeutung dieser De batte auch nicht so schlimm.

(Zurufe)

Aber vielleicht einen letzten Satz: Ja, wir betreten Neuland. Wir machen das mit großer Sorgfalt. Wenn es uns gelänge, zu sagen, Fortschritt und Sicherheit kommen aus Baden-Würt temberg, dann wäre das für den ganzen Bund auch mit Blick auf die nächsten Wochen und Monate, denke ich, kein schlech tes Zeichen. Sie sind herzlich eingeladen, daran mitzuwirken.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Das ma chen wir! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Er hat es geschafft!)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Binder.

Wir befinden uns in der ersten Le sung. Herr Minister, das Parlament setzt sich mit diesem Ge setz sehr intensiv und, wie ich finde, im Verlauf dieser Debat te auch sehr verantwortlich auseinander.

Wenn wir, die SPD-Fraktion, oder ich als innenpolitischer Sprecher über Ihren Gesetzentwurf diskutieren und ich von Ihnen wissen will, wie Sie das machen, wie Sie das hinbekom men und ob Sie mir am heutigen Tag sagen können, ab wann Sie das hinbekommen und wann Sie dieses Mittel einsetzen können, dann darf ich, nachdem Sie vorher von Siebenmei lenschritten – ich kann nicht alle Superlative, die Sie vorher aufgeführt haben, jetzt noch einmal zitieren – gesprochen ha ben, doch zumindest einmal wissen: Können Sie das denn auch? Glauben Sie, in naher Zukunft das zu können, was Sie in Ihr Gesetz schreiben? Und dann antworten Sie darauf, dass Sie froh sind, dass ich für die Sicherheit in diesem Land nicht verantwortlich bin. Das ist, ehrlich gesagt, mangelnder Res pekt vor diesem Parlament.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU)

Denn wir haben einen Anspruch, Herr Minister,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

dass Sie unsere Fragen beantworten.

(Minister Thomas Strobl: Opposition gehört schon zum Parlament! Ich habe gesagt, es ist gut, dass Sie Opposition und nicht Regierung sind!)

Sie hätten einfach unsere Fragen beantworten können, aber Sie können diese Fragen nicht beantworten. Das ist Ihr Prob lem, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD)

Es geht doch auch nicht um den Einsatz des Mittels, sondern um den Eingriff in Grundrechte von Bürgerinnen und Bür gern. Das Einzige, was wir wollen, ist, zu wissen: Wie funk tioniert es, und wie können Sie gewährleisten, dass diese Vo raussetzung eingehalten wird?

Herr Kollege Goll, das hat weniger etwas mit Tod und Selbst mord zu tun als vielmehr damit, dass man doch erwarten kann, dass solche technischen Mittel getestet werden und wir auch bei der Abwägung der Verfassungsmäßigkeit wissen müssen, dass dieses Mittel geeignet ist. Das geht aber nur, wenn wir tatsächlich wissen, ob dies auch so eingehalten werden kann oder nicht. Das ist am Ende der Abwägung der Verfassungs mäßigkeit bei diesem Gesetz eine entscheidende Frage.

Deshalb glaube ich schon, dass das technische Mittel bei der Abwägung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entschei dend ist. Wir dürfen doch, wenn wir hier als Gesetzgeber ein Gesetz beschließen, zumindest die Information einfordern, ob die Exekutive in der Lage ist, dieses Gesetz auch tatsächlich umzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger ist das, was wir fordern, und es besteht kein Grund, gleich in der ersten Le sung so gereizt zu reagieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Blenke.