Sehr verehrte Frau Ministerin, Sie wissen doch sicher, was ein Unwort ist. – Der Herr Ministerpräsident kommt auch gera de; er ist ja daran nicht ganz unbeteiligt. – Die Definition ei nes Unworts lautet: Wörter und Formulierungen aus der öf fentlichen Sprache, die sachlich grob unangemessen und eu phemistisch – das heißt beschönigend –, verschleiernd, irre führend sind.
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte den Begriff der im pliziten Verschuldung in der Finanzpolitik der gegenwärtigen Landesregierung zum Unwort des Jahres erklären.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Herr Ho felich, klatschen! Das war in Ihrem Sinn! – Gegen ruf des Abg. Peter Hofelich SPD: 1 : 1!)
„Sachlich unangemessen“: Sie mussten die Schuldentilgungs möglichkeiten von § 18 der Landeshaushaltsordnung per Ge setz ändern lassen, damit Sie Ihren Schuldenbegriff durch ei nen Taschenspielertrick in die Tat umsetzen können.
„Euphemistisch, verschleiernd“: Sie schmücken sich mit dem Titel Schuldenabbauministerin, obwohl das, was Sie betrei ben, eigentlich im ganz normalen Haushaltsverlauf erwirt schaftet werden muss.
Sie betreiben durch Ihr Konstrukt eine Haushaltspolitik, die Sie in die Lage versetzt, die Schuldenbremse im Jahr 2020 leichter einzuhalten, aber Sie nicht davon abhalten muss, Ih re spezielle Klientel jetzt mit Wohltaten zu versorgen. Ich nen ne nur ein Stichwort: Stellen in der Umweltverwaltung. Die ses Thema ist gestern abgefrühstückt worden. Dazu muss ich mich nicht mehr äußern.
Aber ich möchte noch einen Aspekt hinzufügen: Ein Vertre ter des Landesrechnungshofs hat sich bei einer Sitzung des Finanzausschusses ausgiebig zu dem Begriff „Implizite Ver schuldung“ geäußert. In der Denkschrift des Landesrech nungshofs 2016 zu diesem Thema hat sich der Landesrech nungshof grundsätzlich positiv zu dem Konstrukt der impli ziten Verschuldung bekannt, wenn, ja, wenn folgende Bedin gungen eingehalten werden:
Zweitens: Für den Abbau der impliziten Verschuldung wer den nur Maßnahmen mit zusätzlichem Charakter gegenüber bisherigen Planungen zugelassen.
Drittens: Die Bildung etwaiger Rücklagen zum Zwecke des Abbaus eines Sanierungsstaus ist mit einem konkreten Pro gramm zu hinterlegen, und es ist ein zeitnaher Abbau vorzu sehen.
Viertens: Die Tilgung impliziter Schulden ist auf den Landes haushalt zu beschränken, und es sind keine Landesmittel für solche Maßnahmen bei Dritten – z. B. bei den Kommunen – einzusetzen.
Vor 14 Tagen – etwa zur gleichen Zeit – hat sich der Finanz ausschuss in einer Sitzung auch mit dem Staatshaushaltsge setz befasst. Dabei hat sich ein Vertreter des Landesrechnungs hofs ausgiebig zu diesem Thema geäußert. Ich habe nachge fragt: Hält denn die Landesregierung diese Kriterien ein? Als Antwort kam ein ganz glattes Nein. Wenn Herr Schwarz – lei der ist er nicht da – vor zwei Tagen hier gesagt hat, der Lan desrechnungshof würde dieses Konstrukt sozusagen unterstüt zen, dann ist das, gelinde gesagt, nur die halbe Wahrheit.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD – Abg. Peter Hofelich SPD: Gelin de gesagt!)
Wie ich schon an anderer Stelle bemerkt habe, ist die Ände rung der Landeshaushaltsordnung zu einem „Sesam, öffne dich!“ für die Landesregierung geworden,
Wir, die FDP/DVP-Fraktion, fordern, dass die Landesregie rung zur Schuldentilgungsverpflichtung zurückkehrt. Unser Antrag, 4,6 Milliarden € bis 2019 zu tilgen – also 10 % der Kreditmarktschulden des Landes –, setzt sich wie folgt zu sammen: erstens aus der Schuldentilgungsverpflichtung für 2018/2019, zweitens aus der Schuldentilgungsverpflichtung von 411 Millionen € von 2017 und zusätzlich aus 200 Milli onen €, die die FDP/DVP-Fraktion aufgrund der exzellenten Haushaltssituation im Jahr 2017 gefordert hat.
Wir lehnen die Möglichkeit der Tilgung impliziter Schulden über Mittel der notwendigen Schuldentilgung durch unseren Änderungsantrag zum Staatshaushaltsgesetz ab und wollen so die von Ihnen aufgestellten Sanierungstitel beseitigen.
Unser Antrag, sehr geehrte Damen und Herren, ist kein popu listisches Getue nach dem Motto: Wir, die Freien Demokra ten, sind die Einzigen, die an die nächste Generation denken, die über den Tellerrand der nächsten Wahl hinausschauen. Nein, er hat einen ganz realen Hintergrund. Es ist doch nicht so, dass die Landesregierung durch die Schuldentilgungsver pflichtung in einen Liquiditätsengpass geraten würde.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind hervorragend. Man rech net mit einem Wirtschaftswachstum von weiterhin 2 %. Das
sind keine Prognosen; nein, die Steuerschätzungen haben al lein für das Jahr 2017 ein Mehr an Steuereinnahmen von 1,57 Milliarden € ergeben. Manchmal wird einem ganz schwinde lig, wenn man an die finanziellen Möglichkeiten denkt.
Ein weiterer Aspekt spricht für unseren Tilgungsantrag: Die Konjunktur brummt, die Auftragsbücher sind voll, Bauindus trie und Handwerk sind voll ausgelastet, können fast jeden Preis fordern, und man bekommt das viele Geld fast gar nicht verbaut. Irgendwie verliert das Geld dadurch auch ein wenig an Wert.
Welches fatale Signal senden wir ins Land, wenn wir unter diesen Bedingungen nicht kräftig bei den Kreditmarktschul den tilgen wollen?
Wirtschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat auch viel mit Psychologie zu tun. Wenn nicht jetzt Schulden tilgen, wann dann? Die gegenwärtige gute wirtschaftliche Lage in Deutschland darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir doch in einer sehr volatilen Weltwirtschaftsordnung agieren. Wie Sie alle wissen, profitieren die öffentlichen Haushalte von der Niedrigzinspolitik der EZB. Man spricht von insgesamt ca. 300 Milliarden €, die – nebenbei gesagt – allerdings der deutsche Sparer bezahlt hatte.
Nachdem die EZB angekündigt hat – es wurde hier eben be reits auch von anderer Seite angesprochen –, den Staatsanlei henankauf auf die Hälfte zu reduzieren, kann man davon aus gehen, dass die Zinsen mittelfristig steigen werden. Erstes An zeichen dafür ist, dass die Umlaufrendite für zehnjährige Bun desanleihen auf 0,175 % angewachsen ist. Das ist eine Stei gerung von 17 % gegenüber dem Vorjahr. Eine hoffnungsvol le Nachricht für den deutschen Sparer, aber womöglich ein Warnsignal für die öffentlichen Haushalte.
Auch wenn wir seit 2010 ein permanentes Wirtschaftswachs tum zu verzeichnen haben, dürfen wir die Erzählung aus der Bibel von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren nicht ganz aus unserem Erfahrungsschatz tilgen.
Selbst der berühmte Herr Keynes, der Verfechter einer Defi cit-spending-Finanzpolitik, hat bereits in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts erkannt, dass ein Staat in guten Zei ten Schulden abbauen sollte, die er in schlechten Zeiten an gehäuft hat.
Keiner von uns, sehr geehrte Damen und Herren, wird behaup ten können, dass wir jetzt in einer schlechten Zeit leben. Es ist doch nicht so, dass wir einem geschwächten Körper einer darniederliegenden Wirtschaft eine kräftige Suppe in Form ei ner Kapitalinfusion zufügen müssen, damit er wieder zu Kräf ten kommt.
Um beim Bild aus der Medizin zu bleiben: Der Körper – die Wirtschaft – wirkt beinahe überinfundiert, und das belastet ei nen Organismus genauso sehr wie die Austrocknung.
„Gesunde Finanzen, gesunder Staat“ ist nicht nur das Credo der Freien Demokraten, sondern notwendig, wenn Generati onengerechtigkeit nicht nur eine Worthülse sein soll. Wir tun ja so, als ob die Zinsen, die wir für unsere Kredite zahlen müs sen, überhaupt keine Rolle mehr spielen würden.
Auch wenn die Landesregierung die Zinsausgaben für die Jah re 2018 und 2019 – das Lieblingsthema von Herrn Hofelich – mit 1,6 und 1,7 Milliarden € viel zu hoch ansetzt – wieder so eine Masche, sehr geehrte Frau Finanzministerin, um sich finanzielle Spielräume zu verschaffen –,
sind auch die Zinsausgaben nicht zu vernachlässigen; sie ma chen bei realistischer Betrachtung ca. 3 % des Haushaltsvo lumens aus und liegen deutlich über den Ausgaben des Ein zelplans 05.
Nachdem ich mich, sehr geehrte Frau Finanzministerin, an dieser großen, klaffenden Tilgungswunde des Haushaltsent wurfs 2018/2019 abgearbeitet habe, die von der Landesregie rung leider nur mit einem Heftpflaster von 500 Millionen € behandelt wird, möchte ich mein Augenmerk noch auf einen anderen Punkt lenken.
Wir müssen wieder eine faire Balance zwischen Staat und Bürgern finden. Die öffentlichen Haushalte schwimmen im Geld, aber die Bürgerinnen und Bürger ächzen unter hohen Ausgaben.
Deshalb wollen wir die Bürgerinnen und Bürger spürbar ent lasten und dafür sorgen, dass sie von ihrem erwirtschafteten Geld wieder etwas zurückbekommen können.