(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf des Abg. An dreas Stoch SPD)
Wir werden ab diesem Jahr flächendeckend Erhebungen ma chen, um dann ehrlich – und zwar schulscharf – feststellen zu können, wie sich der Unterrichtsausfall darstellt.
Wenn man etwas erkennt, sehr geehrter Herr Fraktionsvorsit zender Stoch, dann verstehe ich nicht, warum man es nicht ändert, sondern Jahre später eine Debatte darüber beantragt, warum die Situation so ist, wie sie ist. Dann muss ich Ihnen ehrlich großen Respekt für die Beantragung dieser Debatte zollen.
Natürlich ist Bildungspolitik – das wissen wir – etwas, was mittel- und langfristig wirkt. Und die Auswirkungen sind heu te natürlich erkennbar. Wir haben – Vorredner haben es ange sprochen – kein Ressourcenproblem, sondern ein Bewerbe rinnen- und Bewerberproblem. Wir haben zu wenige Lehre rinnen und Lehrer.
Darauf zu reagieren, mit welcher Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern man in Zukunft arbeiten kann, ist natürlich mit einem gewissen Vorlauf belegt. Zum einen: Wie viele Studienplätze biete ich an? Interessanterweise sind im Zeitraum 2011 bis 2016 die notwendigen Ausbildungskapazitäten bei den Grund schullehrerinnen und Grundschullehrern um ein Drittel redu ziert worden.
Dass es dann ein siebtes Semester gibt, nach dem keiner auf den Markt kommt, erklärt sich mit einfacher Schulbildung. Genau dies sind jetzt 400 Lehrerinnen und Lehrer, die gegen wärtig nicht da sind. Auch das ist erkennbar. Wer hat es über sehen? Die SPD.
(Abg. Andreas Stoch SPD: Das war 2010 entschie den! 2010! – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU: „Denn schuld daran ist nur die SPD“! Das hat schon Rudi Carrell gesagt! – Abg. Karl Zimmermann CDU zur SPD: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! – Glocke der Präsidentin)
Ja, aber Sie hätten doch die Studienkapazitäten erhöhen kön nen. Sie haben keine einzige Anmeldung gemacht.
(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Andreas Stoch: Ken nen Sie die Statistik? Es geht gerade um die Reform! – Glocke der Präsidentin)
Nein, es geht darum, wie Sie mit den Ausbildungskapazitä ten, die das Kultusministerium bei der Wissenschaftsministe rin anmeldet, umgegangen sind. Es gab schlicht und einfach im Zeitraum von 2011 bis 2016 – Ihre Amtszeit – eine Redu zierung um ein Drittel.
Welche Statistik? Ich habe Sie vorhin zitiert, Sie haben gar keinen statistischen Überblick gehabt. Respekt!
(Beifall bei der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Die Schülerzahlenvorausberechnung des Statistischen Lan desamts!)
Was Sie allerdings gemacht haben, das finde ich bemerkens wert. Im Sinne einer zukunftsorientierten Unterrichtsversor gung haben Sie zur Sicherheit 200 Deputate entzogen zur Frei stellung für Personalratstätigkeiten, auch wegweisend –
(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, genau! – Abg. Andreas Stoch SPD: Perso nalrat ist also nicht wichtig? Habe ich das richtig ver standen?)
im Sinne der Unterrichtsversorgung eine „kluge“ Entschei dung, vor allem, wenn es darum geht, heute darüber zu reden, wie die Basis ist. Stellenstreichungen, falsche Bedarfszahlen, unzureichende Anmeldungen von Studienanfängerplätzen – Glückwunsch, kann ich nur sagen. Das sind Gründe, warum wir heute nicht zufrieden sein können, wie die Ausstattung mit Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen ist.
Ich möchte eines ausdrücklich sagen: Was die Lehrerinnen und Lehrer quer durchs Land leisten – aufgrund des Unter richtsausfalls –, was also an Mehrarbeit geleistet wird, mit welcher Flexibilität vor Ort in den einzelnen Kollegien re agiert wird, verdient größten Respekt und unseren größten Dank.
(Abg. Nicole Razavi CDU zur SPD: Warum klat schen Sie nicht? – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Weil es ein vergiftetes Lob ist!)
Wir reagieren. Wir haben ein Maßnahmenpaket aufgelegt, das natürlich nicht von heute auf morgen sofort umschlägt, weil etwas bei den Bedarfsplanungen schieflief. Was an Lehrerin nen und Lehrern fehlt, kann ich mir nicht kurzfristig auf dem Markt holen, zumal der Markt in ganz Deutschland, wie wir alle wissen, leergefegt ist.
Zu den Themen, um die es geht, nenne ich das Stichwort „Ländlicher Raum“. Dort ist die Versorgungslage, gerade auch im Grundschulbereich, deutlich schwieriger. Natürlich habe ich jetzt – das ist bekannt – 4 000 Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer, die erkennbar zum kommenden Schuljahr aufgrund ihrer spezifischen Fächerkombination, nämlich „Deutsch plus X“, keine Übernahme ins Lehramt an Gymna sien in Baden-Württemberg bekommen können, angeschrie ben und sie gefragt, ob sie Lust haben, als Gymnasiallehrer im Grundschulbereich zu Grundschulbedingungen zu arbei ten und dafür aufgrund dessen, dass sie uns helfen, nachher auch eine Übernahmegarantie zu bekommen.
Ich habe mit Interesse gelesen, die SPD sei der Ansicht, es funktioniere nicht. Ich kann Ihnen sagen: Freuen Sie sich, es funktioniert. Wir haben schon heute bei der vorgezogenen Ausschreibung im ländlichen Raum doppelt so viele Bewer berinnen und Bewerber wie zum gleichen Zeitpunkt im vor angegangenen Jahr. Über 170 Gymnasiallehrer haben sich be reit erklärt, im ländlichen Raum – was leider immer schwie riger ist – im Grundschulbereich tätig zu werden. Das heißt, wir gehen davon aus, dass es ein deutliches Signal gibt, dass wir in den Grundschulen im kommenden Schuljahr eine deut liche Entspannung erwarten können.
Wir haben denen zu danken, die ihren Ruhestand freiwillig verschoben haben und länger als Lehrerinnen und Lehrer ar
beiten. Wir müssen denen danken, die ihre Teilzeitquote er höht haben und mehr arbeiten. Wir haben darüber hinaus die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, tatsächlich auch weiter justiert und werden, bezogen auf das kommende Schuljahr, eine verbesserte Situation an unseren Schulen haben. Das ist auch dringend notwendig. Aber sie wird – auch das will ich einräumen – nicht optimal sein, weil, wie gesagt, Mangel nicht so kurzfristig behebbar ist. Deshalb bitte ich die Lehrerinnen und Lehrer herzlich um Verständnis. Wir werden ihnen in den nächsten ein, zwei Jahren in manchen Bereichen und in man chen Schulorten sicher noch einiges zumuten müssen.
Der Grund, warum die Ressourcen über den Bewerberinnen- und Bewerberzahlen liegen, ist natürlich auch ein Thema, das den öffentlichen Dienst generell trifft, aber gerade den Leh rerinnen- und Lehrerbereich sehr deutlich. Wir haben seit ei nem Jahr – und davon ausgehend noch die nächsten ein, zwei, drei Jahre, bis längstens 2021 – eine Pensionierungswelle, wo nach ich im Durchschnitt bei jeder Einstellungsrunde rund 80 bis 85 % der insgesamt zu besetzenden Stellen wegen Pensi onierungen ersetzen muss, was mit den Ausbildungskapazitä ten so nicht aufzufangen ist.
Der genaue Zeitpunkt der Pensionierungen ist sehr schwer ab zuschätzen. Es sind die Anfang der Fünfzigerjahre geborenen Lehrkräfte, die jetzt in den Ruhestand gehen. Wenn man sich darstellen lässt – das können die Mitarbeiterinnen und Mitar beiter eines Kultusministeriums –, wie denn die Altersstruk tur der 117 000 Lehrerinnen und Lehrer ist, dann stellt man fest, dass die angesprochene Entwicklung im Zeitraum 2017 bis 2021 kommt. Auch da hätte man sehr wohl reagieren kön nen. Es ist mit Ansage gewesen; das fiel nicht vom Himmel. Aber nachdem man nichts gemacht hat, gibt es eine weitere Verschärfung des Problems.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)
Wir werden unsere Maßnahmen kontinuierlich überprüfen, wir werden sie weiter justieren, und wir werden auch gemein sam in der grün-schwarzen Landesregierung weiterhin die Maßnahmen im Detail ergreifen, die wir brauchen, um die Si tuation zu verbessern.
Ich räume ein: Das wird in den nächsten Jahren noch etwas schwierig sein. Aber wir erkennen schon jetzt, dass unser Maßnahmenkatalog zu greifen beginnt, und darüber bin ich froh. Ich habe die Bitte, dass wir sachlich und respektvoll bei diesem Thema miteinander diskutieren.
Ja, ich reagiere auf das, was ich lese. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Dass Aufregung und sogar blankes Entsetzen zum Ausdruck gebracht werden, davor habe ich Respekt, und es macht inhaltlich Sinn. Allerdings verstehe ich nicht – ich habe es schon eingangs gesagt –, dass es ausgerechnet von Ih nen kommt. Lassen Sie es uns gemeinsam angehen.
Wenn ich vorhin den Lehrerinnen und Lehrern voller Aufrich tigkeit gedankt habe, wundere ich mich, dass ausgerechnet Sie nicht geklatscht haben.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir können selber den ken!)
Ich hoffe, dass wir Schritt für Schritt deutliche Verbesserun gen erreichen. Das ist erkennbar. Aber wie gesagt: Es ist eine schwierige Situation, und der Fachkräftemangel im Lehrerbe reich ist nicht kurzfristig zu beheben.
Wir arbeiten daran, und ich glaube, wir haben erstmals auch im Blick, wie es weitergehen soll. Wir machen nicht im Blind flug weiter, sondern wir sehen: Wo sind die Handlungsbedar fe, wie müssen wir nachjustieren? Da scheuen wir weder sach lichen noch personellen Aufwand im Haus, um dies dann auch möglichst auf einer soliden und nachvollziehbaren Basis zu machen.