so können genug Stimmen auf der Wahlliste angesammelt werden, um eines der Direktmandate zu erhalten.
Selbst mit der Möglichkeit des Kumulierens sind Kandidaten auf einer unvollständigen Wahlliste stark benachteiligt, da vie le Wähler die entsprechende Möglichkeit nicht nutzen, son dern nur eine Wahlliste abgeben, wodurch jeder Kandidat nur eine Stimme erhält – auch wenn diese Wahlliste nicht voll ständig ist.
Meine Damen und Herren, durch dieses äußerst komplizierte Wahlsystem für die Kreistagswahl in Baden-Württemberg wird unserer Meinung nach einem Teil der Wähler in man chen Landkreisen gar nicht die Möglichkeit gegeben, die kom plette Stimmenzahl an eine einzelne Wahlliste zu vergeben – sei es durch Verzicht auf Kumulieren, oder sei es aufgrund ei ner zu geringen Anzahl von Kandidaten, was dazu führt, dass nicht einmal durch Kumulieren einer Wahlliste alle Stimmen gegeben werden können.
Wie bei der Landtagswahl ist die Kandidatur nicht auf den Wahlkreis beschränkt, in dem sich der Erstwohnsitz des Kan didaten befindet, weshalb nach unserem Dafürhalten einem Kandidaten wieder ermöglicht werden sollte, sich sowohl an seinem Wohnort als auch an seinem Beschäftigungsort oder an seinem Lebensmittelpunkt zur Wahl zu stellen. Hierdurch kann ein Kandidat seine demokratische Legitimation erhöhen. Zudem – und das ist ausschlaggebend – ist ein Kreisrat doch ohnehin für den ganzen Landkreis zuständig.
Die personenbezogene Wahl wird – das wissen wir alle – durch bekannte Personen wie beispielsweise Bürgermeister stark zu einer Listenwahl verzerrt, da diese Personen häufig so viele Stimmen auf sich vereinigen, dass andere Kandida ten auf der Wahlliste mit viel weniger Stimmen ebenfalls ein Mandat erringen. Mit der personenbezogenen Wahl wird oh nehin nur dann argumentiert, wenn damit kleinere Parteien geschwächt werden können.
Meine Damen und Herren, auch mit Doppelkandidaturen be nötigt eine Partei oder eine Wählervereinigung weit mehr Kandidaten, als realistisch betrachtet eine Chance auf Einzug in den Kreistag haben – und das nur, damit sie überhaupt ei ne nennenswerte Anzahl von Mandaten erringen können. Das ist absurd. Indem kleinen und mittelgroßen Parteien bei der Kreistagswahl die nötige Chancengleichheit eingeräumt wird, werden die Kreistage bunter und repräsentieren eher den Wäh lerwillen und somit die Gesellschaft. Damit wird Bürgern – das ist sehr wichtig – die Politikverdrossenheit genommen,
Sehr geehrte Frau Landtags präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles schon mal da gewesen! Je älter ich werde, desto öfter überkommt mich dieses Gefühl. Schlaghosen waren in meiner Jugend der Trend; es hat ein paar Jahrzehnte gebraucht, dann waren die Teile fast im Original wieder als Neuerfindung in den Ausla gen.
Alles schon mal da gewesen! Ja, meine Damen und Herren von der AfD, Ihr Antrag zur Änderung des Kreistagswahl rechts ist wahrlich nichts Neues. Aber das kennen wir ja schon von Ihnen: Schublade auf und irgendetwas Gebrauchtes her ausholen und kopieren, was sich aus Ihrer Sicht populistisch vermarkten lässt oder Ihren Allmachtsfantasien entgegen kommt.
Ziemlich ideenlos, ein längst abgeschafftes Gesetz wieder ak tivieren zu wollen, das einmal eine Partei initiiert hatte, für die Sie sonst nur Spott und Hohn übrig haben.
Sie wollen mit dem Gesetz – ich zitiere – einen „Missstand“ beseitigen, da Sie „strukturell benachteiligt sind,... eine flä chendeckende Kandidatur... sicherzustellen“. Ich kann das nur so interpretieren: Ihnen fehlen schlicht und einfach die Persönlichkeiten vor Ort, die sich trauen, für Ihre Partei in die Öffentlichkeit zu gehen.
Wie anders lässt sich sonst erklären, dass Sie die 2013 begra bene Lex FDP wieder aus der Schublade kramen?
Haben Sie nicht genügend Kandidatinnen und Kandidaten, die sich persönlich in einem Wahlkreis zur Wahl stellen wol len? Oder warum wollen Sie es wieder ermöglichen, dass ein Kandidat in zwei Wahlkreisen gleichzeitig kandidiert?
Ist es eine Gewohnheit aus dem Landtagswahlkampf, im Wahlkreis Backnang und in Bretten gleichzeitig zu kandidie ren und in Karlsruhe zu wohnen? Ihr ehemaliger Kollege Meuthen wurde von den Bürgerinnen und Bürgern so gut wie gar nicht in seinem Wahlkreis angetroffen. Das zeigt die Ernst haftigkeit in Ihrem Handeln; es zeigt, wie ernst Sie die Wäh lerinnen und Wähler nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der FDP/ DVP sowie der Abg. Winfried Mack CDU und Dr. Boris Weirauch SPD)
Durch die Kandidatur in einem bestimmten Wahlkreis entsteht zwischen den Kandidaten, Männern wie Frauen, und der Be
völkerung ein enger Bezug. Der Wähler möchte sich aber da rauf verlassen können, dass mit der Stimmabgabe der gewähl te Bewerber bzw. die gewählte Bewerberin auch zum Zuge kommt. Der von Ihnen kopierte Gesetzentwurf aus dem Jahr 2013 lässt diese Verlässlichkeit nicht zu.
Ihr Kandidat, der auf zwei Listen gleichzeitig kandidieren will, kann eben nur ein Mandat annehmen. Das übrig geblie bene Mandat geht dann an den nächsten Kandidaten auf der Liste, den der Wähler gar nicht gewählt hat. Ist das Ihr Ver ständnis von Akzeptanz des Bürgerwillens? Ich sage deutlich: Das ist Betrug an den Wählerinnen und Wählern.
Wir Grünen werden dieses Gesetz nicht aus der Mottenkiste herausholen. Den Gesetzentwurf lehnen wir ab.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat, mir ging es so wie dem Kollegen Halder: Beim Lesen des Gesetz entwurfs kommt einem der Gedanke: Da war doch schon mal was, das kommt einem bekannt vor. In der vorliegenden Drucksache wird ja auch auf den Gesetzentwurf aus dem Jahr 2003 verwiesen. Die Älteren unter uns oder diejenigen, die schon damals dabei waren, haben ein Déjà-vu, weil man sich mit diesem Thema schon ausführlich auseinandergesetzt hat. Wir konnten seinerzeit in der Gesetzesbegründung die ent scheidenden, tragenden Argumente nachlesen.
Wir haben auch überprüfen lassen, was diese gesetzliche Re gelung seinerzeit bedeutet hat. Unser sehr geschätzter frühe rer Kollege Klaus Herrmann hat die konkreten Auswirkungen für die Kommunalwahlen 2004 und 2009 nämlich zum Ge genstand zweier Anfragen gemacht. In den Drucksachen sind die Konsequenzen aus diesem Gesetz nachzulesen.
Aufschlussreich allerdings und viel interessanter für mich als Neuling war die Lektüre des Protokolls über die 46. Sitzung des Landtags in der 15. Legislaturperiode vom 10. Oktober 2012 – dort die Seiten 2587 bis 2592. Das muss eine sehr in teressante Sitzung gewesen sein. Schade, dass ich seinerzeit noch nicht dabei sein konnte.
Die wesentlichen Argumente, die zur Ablehnung dieses Ge setzentwurfs geführt haben, sind genannt worden. Dazu ge hört die Vermeidung von Verwerfungen und von Verzerrun gen des Wählerwillens. Wir wollen eine klare Zuordnung der Kandidaten zu den jeweiligen Wahlkreisen. Wir sehen darin eine Stärkung des Grundgedankens der repräsentativen De mokratie. Das sind Argumente, die für uns heute und morgen gelten. Deswegen können wir dem vorliegenden Gesetzent wurf nicht zustimmen.
Ich möchte noch zwei statistische Details hervorheben. Bei der Kreistagswahl 2004 haben 1 299 von 13 115 Kandidaten von der Möglichkeit der Doppelbewerbung Gebrauch ge macht; zwei davon haben ein Direktmandat erhalten bzw. zwei Sitze in zwei Wahlkreisen. 2009 haben 1 923 von 13 621 Kan didaten davon Gebrauch gemacht.
Da könnte man sagen: Das ist ja nicht so schlimm. Viel ent scheidender ist für uns aber der Umstand, dass dieses System auch dazu geführt hat, dass sich bei den Republikanern – man erinnert sich, es gab sie einmal – bei der Wahl 2004 90 % al ler Kandidaten doppelt beworben hatten. Sie haben also das Gebiet einfach weiträumig gestreut, ohne eine Zuordnung zum Wahlkreis zu haben.
Hinzu kommt, dass in einem Wahlkreis sogar die Situation bestand, dass es bei drei Wahlvorschlägen insgesamt nur Dop pelwahlvorschläge gab.