Protokoll der Sitzung vom 10.10.2018

Auch hierzu, meine Damen und Herren, hat das Präsidium für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE beginnt Herr Abg. Frey.

Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht zeigt wie der einmal, dass Baden-Württemberg, obwohl internationale Politik, Europapolitik nicht unbedingt zu den Kernaufgaben eines Bundeslands gehört, eine gewichtige Rolle in Europa und auch in den Ländern Europas, die noch nicht der Europä ischen Union angehören, spielt.

Ich möchte insbesondere das Engagement der Landesregie rung, die sich in den letzten Monaten mehrfach auf dem Bal kan aufgehalten hat, würdigen und hervorheben, insbesonde re deshalb, weil ich gestern von einer Wahlbeobachtungsmis sion des Europarats aus Bosnien zurückkam und dort wirk lich eindrucksvoll nachvollziehen konnte, wie sich die Lage in diesem Land darstellt, in dem sich der Ministerpräsident mit einer großen Delegation im April befand. Ich denke, es ist genau der richtige Weg, den Kontakt zu diesem Land zu pfle gen, das vor 23 Jahren durch den Friedensvertrag von Dayton einen Waffenstillstand erzielte, aber offenbar bis heute tat sächlich kaum integrative Wirkung nach innen entfalten konn te.

Die drei Ethnien, die mindestens dort das Sagen haben, gren zen sich vor allem ab, indem sie Mauern anstatt Brücken bau en. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass eine EU-Perspektive und ein Ziel sichtbar werden, aber dass natürlich auch die Ko penhagener Kriterien für ein weiteres Beitrittsland gelten müs sen. Der Weg ist deswegen im Augenblick noch weit, aber es fehlt aus meiner Sicht eine gemeinsame Vision für dieses Land, die die dort lebenden Ethnien gemeinsam verfolgen können, egal, ob sie Serben, Bosniaken oder Kroaten sind. Da kann Baden-Württemberg als Bundesland natürlich schon mit helfen.

Es gibt eine ganze Reihe von Kooperationen zwischen den Universitäten Sarajevo und Tübingen, Heidelberg usw. Das sehen Sie auf den Seiten 24 und folgende. Es ist wichtig, die se Brücken aufrechtzuerhalten; denn auch dort zeigt sich, dass Populismus und Extremismus in Sackgassen führen. Deswe gen noch einmal herzlichen Dank, dass das Land hier so ak tiv ist und auf dem Balkan die europäische Integration voran bringt.

Ich habe mich auch als Vizepräsident des Oberrheinrats ge freut, dass INTERREG doch eine so prominente Rolle in die sem Bericht einnimmt. Wir haben in der Förderperiode von 2014 bis 2021 109 Millionen € am Oberrhein zur Verfügung. Davon wurden bisher 82 Projekte realisiert. Sie alle kennen diese Projekte mit Eucor, die Tram-Verlängerungen Basel– Weil oder Kehl–Straßburg usw. Allerdings muss man sagen,

dass die Europäische Union im Mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum von 2021 bis 2027 nur noch 9,5 Milliarden € vorsieht. Das sind 0,7 Milliarden € weniger als in der laufen den Förderperiode. Für Baden-Württemberg müssen wir in diesem Mittelbereich deswegen mit erheblichen Kürzungen rechnen.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit muss aber als Kernstück der europäischen Integration, als Labor für die eu ropäische Integration auch weiterhin mit angemessenen Mit teln ausgestattet sein. Zu diesen angemessenen Mitteln gehört, dass gemeinschaftliche Aufgaben gemeinsam finanziert wer den, weil wir auch gemeinsam davon profitieren. Für die EU sollten gerade wegen der drohenden Kürzungen, die der Bre xit verursacht, auch direkt Mittel in den EU-Haushalt fließen, um die politischen Schwankungen auszugleichen und um mehr Planungssicherheit für die EU insgesamt zu erzielen.

Gleichzeitig könnte man mit den EU-Mitteln auch nachhaltig und ökologisch gestalten und einen Beitrag im dringenden Kampf gegen den Klimawandel leisten. Somit würde man die EU dabei auf eine nachhaltige und zugleich stabile Finanzie rungsbasis stellen.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Also Plastik steuer!)

Einnahmequellen – genau! – wie eine gemeinsame Steuer auf Plastik, eine Verbesserung des Emissionshandels

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

und ein CO2-Mindestpreis, wie ihn unser Umweltminister be reits seit geraumer Zeit fordert, sind da der richtige Ansatz.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Doch wer sich heute gegen neue Einnahmen bei der Europä ischen Union ausspricht, muss auch morgen den Grenzregio nen erklären, wie die dort geplanten Kürzungen verhindert werden können, Herr Schweickert.

Die drohenden Kürzungen sind ja durch den Brexit bedingt. Sie sehen die zunehmende Zahl von Einbürgerungen von Bri ten, die offenbar die EU so sehr schätzen, dass diese Zahl von im Jahr 2016 368 Personen auf im letzten Jahr 770 Personen gestiegen ist.

Herr Kollege, bitte beach ten Sie, dass Ihre Redezeit schon abgelaufen ist.

Das heißt, dass auch hier der Na tionalismus offenbar auf dem Rückzug ist und die EU die rich tigen Antworten gibt.

Ich ende mit einem Zitat unseres Kommissionspräsidenten Juncker, der leider gestern absagen musste:

(Zuruf von der AfD: Zum Glück!)

Diese Überzeugung – dass wir „stärker sind, wenn wir zusammenstehen“ – ist die Quintessenz davon, Teil der Europäischen Union zu sein.

(Zurufe von der AfD)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich bitte Herrn Kollegen Abg. Kößler für die CDU ans Redepult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Es geht darum, dass wir die deutschen Interessen in Europa stärker zur Geltung bringen. Ich denke, das Europa ministerium hat das in diesem Bericht noch einmal ganz deut lich gemacht, und ich danke für die umfassende Berichterstat tung.

Lassen Sie mich aber grundsätzlich einige Überlegungen zu Europa sagen. Wolfgang Schäuble hat vor Kurzem erläutert, wie er Europa sieht, und zwar im Zuge der Globalisierung und der Instabilitäten in der Welt. Er hat festgestellt: Es wird im mer mehr kritisiert, die deutschen Interessen würden zu kurz kommen. Aber er hat Folgendes dazu gesagt:

Es gibt keine besseren deutschen Interessen als die Eini gung Europas.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Zuruf von der AfD: Koste es, was es wolle!)

Wissen Sie: Ich habe gewusst, dass Sie darauf antworten werden. Ich sage Ihnen einmal etwas ganz Einfaches: Wenn Sie Europa nicht erhalten wollen, dann sagen Sie das deutlich.

(Zurufe von der AfD, u. a.: Die EU oder Europa?)

Dann wird auch das Europäische Parlament wegfallen, und dann wird Herr Meuthen wieder zu Ihnen zurückkommen.

(Heiterkeit – Zurufe)

Wieder zur Ernsthaftigkeit zurück: Europa bringt BadenWürttemberg vieles, bringt Deutschland vieles und bringt der mittelständischen Wirtschaft in Baden-Württemberg vieles. Ich möchte nur an das Abkommen mit Japan, das JEFTA-Ab kommen, erinnern. Wir sind hier gut aufgehoben, und es wird natürlich auch von Interesse für die baden-württembergische Wirtschaft sein.

Ich will auf die kommenden Europawahlen hinweisen.

(Abg. Anton Baron AfD: Oh, da bekommen Sie die Abrechnung!)

Wir müssen den Menschen dabei stärker klarmachen, wie wichtig Europa ist – nicht nur wegen der Wahlen –, und wir müssen insgesamt darstellen, was Europa bringt. Ich danke der Landesregierung dafür, dass sie den Europadialog gemacht hat in Bad Mergentheim, in Rastatt, in Ravensburg und in Tuttlingen. Ich denke, das ist der richtige Weg, um Europa bei den Menschen bekannt zu machen und auch zu erläutern. Wir wollen natürlich hören, was die Menschen für Europa emp finden, was sie zu Europa sagen, was sie an kritischen Anmer kungen machen. Ich denke, es ist ein Traum, wenn in 20 oder 30 Jahren oder auch früher die Europäer sagen: „Europa ist meine Heimat.“ Es muss unser Ziel sein, dass die Menschen in Europa sagen: „Europa ist unsere Heimat.“

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Zurufe von der AfD)

Als Weiteres müssen wir natürlich dafür sorgen, dass Europa sich mit den großen Dingen beschäftigt, mit dem, was Mehr wert für die einzelnen Bürger bringt. Ich sage jetzt einmal: Die großen Dinge sind die Außenpolitik, die Verteidigungs politik, die Migration und die Frage nach der Zukunft Euro pas. Wie wollen wir in der Europäischen Union zukünftig le ben?

(Zurufe)

Da ist vieles zu bewältigen. Migrationspolitik und Außenpo litik sind eine Sache. Der wichtige Punkt ist dort der Schutz der Außengrenzen, ein geordnetes Asylverfahren usw.

(Abg. Anton Baron AfD: Aha!)

Um geordnete Grenzen aufrechtzuerhalten, brauchen wir na türlich auch Frontex. Wir müssen das weiter ausbauen. Wir müssen die Zuständigkeiten der Europäischen Union im Grenzbereich stärken.

Ich will noch etwas dazu sagen: Wir brauchen natürlich die stärkere Zusammenarbeit – die stärkere Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, mit den Transitländern –, und natürlich brauchen wir ein einheitliches europäisches Asylsystem und ein einheitliches europäisches Verfahren.

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Wir müssen aber andererseits – das wird Ihnen von der AfD nicht so passen – die Fluchtursachen dort bekämpfen.

(Zuruf von der AfD: Ja! Unser Programm!)

Afrika wächst, ja täglich wächst es. Es ist natürlich wichtig, dass wir im Grunde für die Menschen dort vor Ort etwas tun, dass sie dort bleiben und dort auch eine lebensfähige Grund lage haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Gernot Gruber SPD – Zuruf: Sehr richtig!)

Wir brauchen dazu eine koordinierte Entwicklungspolitik von Europa aus. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg dorthin. Die EU macht sich auf den Weg, den Afrikanern zu helfen und natürlich dort auch eine gute Entwicklungspolitik zu machen.