Zweiter Punkt in aller Kürze: Wir sind sehr dafür, Herr Mi nister, dass wir die Afrikastrategie der EU unterstützen. Sie werden dazu auch ein Fachgespräch abhalten. Wir stehen vor einer großen Herausforderung insbesondere in Nordafrika – mit jungen Gesellschaften, mit jungen Menschen, die dort ei nen Großteil der Bevölkerung ausmachen, die alle über das Mittelmeer hinausschauen.
Ich finde auch gut, dass sich Minister Müller – der eigentlich ein Aktivposten in der Bundesregierung ist – jetzt darum küm mert und derzeit in Tunesien unterwegs ist. Berufliche Aus
bildung und – auch das ist ganz klar – das, was die Schulen brauchen, sind notwendig, und deswegen sollten wir uns für Afrika insgesamt engagieren, meine Damen und Herren.
Letzter Punkt – ich habe es gesehen; die Redezeit ist been det –: Jürgen Habermas hat vor wenigen Wochen zur Verlei hung des Deutsch-Französischen Medienpreises eine beden kenswerte und sehr gute Rede gehalten. Er hat uns als Politi ker aufgefordert, einen Einstieg in eine Agenda zu erreichen, die weit über die Interessen eines einzelnen Landes hinaus geht. Es ist eigentlich das große Verdienst von Emmanuel Ma cron, dass er auch bei den Schwierigkeiten im eigenen Land diese Perspektive eröffnet hat und dazu mit dem Haushalt im EU-Bereich, im Eurobereich eine wichtige symbolische Ges te gesetzt hat.
Deswegen, finde ich, sind wir aufgefordert, nicht allein aus dieser nationalen Perspektive heraus, sondern aus den gemein samen Interessen heraus stärker zu agieren, und dazu sind die Regionalparlamente, die Landtage, zumal sie verfassungge bend sind, auch bestens geeignet.
(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich habe nicht alles verstanden, aber was ich verstan den habe, war gut!)
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, Sie haben gesagt, die AfD würde für etwas stehen. Die AfD steht für gar nichts. Denn wenn sie rausgeht, ist sie draußen, und dann kann sie für nichts stehen.
Wer der Meinung ist, wie manche hier im Haus, der EU-Aus schuss könnte über 860 Milliarden € bestimmen, der könnte auch annehmen, dass der Ministerpräsident Willi Stächele heißt, weil er der Vorsitzende des Europaausschusses ist. Wer so etwas vertritt, hat nicht kapiert, dass der Mehrjährige Fi nanzrahmen eingebracht und mehrfach beraten wird. Meine Damen und Herren, es gibt genügend Landtage in der Bun desrepublik Deutschland, die sich um ein EULG reißen wür den, wie wir es hier im Landtag von Baden-Württemberg ha ben.
Dass wir uns mit diesen Dingen beschäftigen, dass es hierzu die Möglichkeit gibt, ist eine gute Sache. Lassen Sie uns da rum kämpfen, dass wir das, was wir haben, noch besser ma chen!
Wenn wir einen europapolitischen Bericht betrachten, in dem es insbesondere um die österreichische Ratspräsidentschaft
geht, dann dürfen heute zwei Themen nicht fehlen. Denn wenn man sich anschaut, wie im Moment in Italien die Stabilitäts mechanismen aussehen, die mit dem neuen Haushalt mit ei ner Verschuldung in Höhe von 2,4 % des BIP im Prinzip au ßer Kraft gesetzt werden, und wie die Reaktion der EU-Kom mission auf die – nach meinem Dafürhalten sehr frechen – Äußerungen ist – Herr Di Maio sagte: „Wir haben erwartet, dass Brüssel diesen Haushalt nicht gutheißt“ –, dann muss man sich schon überlegen, ob richtig reagiert wird.
Die Börsen haben reagiert. Die italienischen Märkte in Mai land sind heruntergegangen, die Staatsanleihen sind in die Hö he geschnellt. Aber da würde ich mir insbesondere von der EU-Kommission wünschen, dass man ein Defizitverfahren gegen Italien einleitet; denn es dient nur der Glaubwürdigkeit der Fiskalregeln, wenn man so etwas auch einmal umsetzt, meine Damen und Herren.
Das sage ich auch deshalb, weil die italienischen Banken schon immer ein Damoklesschwert waren – mit einer Anste ckungsgefahr, das wissen wir –, und alle haben ja Herrn Ma cron unterstützt. Wenn man sich anschaut, wer in Italien ak tiv ist, dann sind es französische Banken. Die Ansteckungs effekte sind da, und es ist an uns, den Brand im Keim zu er sticken. Ich freue mich, wenn Menschen wie Macron mit ei ner positiven Grundstimmung für Europa antreten und dafür werben, aber man muss auch schauen, dass das, wofür man einsteht, nicht zum Bumerang wird.
Wir, die FDP, haben – der Kollege Hofelich hat es kritisiert – dem Thema „Vergemeinschaftung von Schulden“ und seinen Vorschlägen zum europäischen Finanzminister eine Absage erteilt, weil wir das Ganze differenziert sehen. Aber ich glau be, man muss in diesem Bereich schon aufpassen, dass nicht etwas ausbricht, was an anderer Stelle ausgetreten worden ist.
Das zweite Thema, das sich in der österreichischen Ratsprä sidentschaft, die in diesem europapolitischen Bericht beson ders hervorgehoben wird, ebenfalls niederschreiben wird, ist die aktuell in der letzten Nacht getroffene Einigung zum The ma CO2. Das muss man schon einmal europapolitisch auf die Tagesordnung bringen; denn ich frage mich, wie Folgendes sein kann: Die Bundesregierung sagt: „Für uns sind 30 % Re duktion von diesen 95 g CO2 pro Kilometer das Ziel.“ Dann geht man in eine Verhandlung, kommt daraus mit 35 % zu rück, und die zuständige Verhandlungsführerin der Bundesre publik sagt: „Ja, ich hätte mir eigentlich noch schärfere Grenz werte vorstellen können.“
Sie müssen sich einmal überlegen, wer dem zugestimmt hat, meine Damen und Herren. Welche Länder waren dafür? Es waren all jene, die in ihrem Land keine Automobilprodukti on haben. Man muss sich schon überlegen, ob das Ganze nicht eine Art – heute Morgen fiel der Begriff – nicht tarifäres Han delshemmnis ist. Es geht genau in diese Richtung.
Ja. – Ihr könnt immer noch mehr fordern, natürlich. Das ist eine gute Geschichte – und dann wundert man sich, warum die Arbeitsplätze irgendwann wegfallen. Wir brauchen irgend wann einmal eine vernunftgetriebene Politik beim Thema CO2. Wenn ich mir anschaue, was ein Elektrofahrzeug in der Produktion an CO2-Ausstoß verursacht, dann bin ich mir si cher, dass eine Verbannung dieser CO2-emittierenden Fahr zeuge nicht der richtige Weg ist und Elektromobilität nicht das Einzige sein kann.
Nichtsdestotrotz zeigt sich, dass Europa Dinge angeht, die den Menschen auf den Nägeln brennen – ich hoffe, sie setzen es richtig um –: Ich meine die Zeitumstellung.
Wenn von über 500 Millionen Menschen gerade einmal 4,6 Millionen – wahrscheinlich waren es weniger – abstimmen, dann bin ich nicht der Meinung, dass sich die Mehrheit von Europa beteiligt hat – auch wenn 80 % dafür waren. Wir soll ten uns nur überlegen, ob das, was tatsächlich herauskommt – jeder meint, das sei gut, weil der Sommer so schön warm war und man lange draußen sitzen konnte –, die ewige Som merzeit, das ist, was Europa für die Menschen beschließen sollte. Ich hoffe, dass etwas Vernunft in die Debatte kommt. Aber es zeigt, dass zumindest Europa und die EU-Kommis sion nicht ganz entrückt sind, wie es oftmals von der rechten Seite dieses Hauses dargestellt wird.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bemerkens wert – herzlichen Dank dafür –, dass auch zu dieser Zeit noch so viele Kolleginnen und Kollegen der Debatte beiwohnen und damit auch die Thematik und den Stellenwert Europas in nerhalb dieses Hohen Hauses unterstreichen. Ich glaube, es ist wertvoller und wichtiger denn je, dass wir das tun. Des halb herzlichen Dank auch für alle Debattenbeiträge.
Diese Debatte zeigt: Europa und die Europäische Union sind eben nicht weit weg, sondern sie beschäftigen uns auch hier im Land. Kollege Hofelich hat zu Recht darauf hingewiesen. Die Systematik unseres europapolitischen Berichts bringt es mit sich, dass sich dann, wenn er hier im Parlament diskutiert wird, manches natürlich auch schon wieder fortentwickelt hat. Aber das soll uns nicht daran hindern, eben genau diesen Pro zess der europäischen Entwicklung immer wieder zum The ma zu machen. Die breite Themenpalette der Europapolitik spiegelt sich eben auch in der Landespolitik wider.
Die Bedeutung Europas zeigt sich in diesem Herbst jedoch nicht nur am Brexit, auf den ich nachher noch eingehen möch te, oder am Mehrjährigen Finanzrahmen, der von mehreren Kolleginnen und Kollegen angesprochen wurde, sondern sie zeigt sich – das ist heute noch nicht angesprochen worden – an einem historischen Moment: In diesem Herbst jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Im No vember 1918 endete ein Krieg, der Millionen von Europäern das Leben kostete, der furchtbares Leid über unseren Konti nent brachte. Auch wenn der damals ersehnte Frieden letzt endlich nur kurz währte, so gründet die Idee des vereinten Eu ropas eben auch auf dieser kollektiven Erfahrung unseres Kontinents.
Schon in den 1920er-Jahren gab es konkrete Pläne für einen europäischen Zusammenschluss, Pläne, auf die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Elan und Tatkraft zurückgegriffen wur de. Die europäische Einigung ist die Antwort der Völker Eu ropas auf die Schrecken zweier Kriege. Das ist auch hundert Jahre danach aktueller denn je. Sie ist die gemeinsame Hoff nung auf Frieden.
Aber hundert Jahre nach dem Kriegsende reicht dies offenbar allein nicht mehr aus, um Europa den Menschen zu vermit teln. Europa ist kein Selbstläufer mehr. Die europäische Eini gung bedarf der Klärung, ja sogar der Rechtfertigung. Das ist eine Aufgabe, der auch wir uns in der Landespolitik stellen müssen.
In diesem Geist hat die Landesregierung den Europadialog ins Leben gerufen. Heute, Herr Kollege Dr. Merz, ist der Euro padialog schon angesprochen worden, den wir in der letzten Woche mit dem Kommissionspräsidenten Juncker in Freiburg durchgeführt haben. Es hätte Ihnen gefallen, wie deutlich Kommissionspräsident Juncker darauf hingewiesen hat, dass ihm vor allem auch die kritische, die skeptische Diskussion über Europa wichtig ist, dass jeder aufgerufen ist, sich an die ser Diskussion zu beteiligen. Die Distanz zu Europa ist das Problem, nicht die bewusst proeuropäisch-kritische Ausein andersetzung.
Das soll allerdings niemanden daran hindern, gelegentlich auch gut über Europa zu sprechen und die Vorteile Europas und der Europäischen Union, sosehr es auch das eine oder an dere zu verbessern gilt, immer wieder zu betonen. Genau die se Debatten brauchen wir. Wir müssen mehr und nicht weni ger über Europa reden. Mit dem Europadialog haben wir uns seitens der Landesregierung einen neuen Weg vorgenommen, auch um eine breit angelegte Diskussion über die EU anzu stoßen: über ihre Vorteile, aber auch über ihre Nachteile.
Mir scheint, dass angesichts des drohenden Brexits von Groß britannien diese Debatte erst jetzt ernsthaft geführt wird. Im mer klarer wird, welche gravierenden Folgen für alle mit dem Austritt verbunden sind. Das Austrittsdatum, der 29. März 2019, 24:00 Uhr rückt näher, auch wenn ich wahrnehme, dass in Großbritannien die Stimmen lauter werden, die ein zwei tes Referendum fordern.
Der Brexit ist ein Prozess in Großbritannien. Ich bin mit Ih nen der Überzeugung, dass es kein zweites Referendum in nerhalb der jetzt vorgegebenen Frist bis zum Austritt gibt. Aber es wäre naiv, nicht wahrzunehmen, dass vielen Briten inzwischen bewusst geworden ist,