Nun kommt es noch dicker: Die Eltern wissen keinen ande ren Ausweg, als ihr eigenes Kultusministerium zu verklagen. Was für ein einmaliger Vorgang, was für eine Schande für un ser Land!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Zim mermann CDU: Wie war es, als die SPD den Kultus minister stellte?)
Landesweit herrscht großer Unmut über den zunehmenden Unterrichtsausfall an unseren Schulen. Das Schuljahr 2017/2018 markierte einen traurigen Höhepunkt: Über alle Schularten hinweg fielen 12,5 % mehr Unterricht aus als im Vorjahr. Be sonders eklatant war dieser Anstieg im Bereich der Gymnasi en und der beruflichen Schulen. Dort waren es anteilig sogar 20 % mehr, und dies – das ist der Unterschied zu anderen Schularten –, obwohl es die Bewerberlage im Gymnasialbe reich zulassen würde, heute deutlich mehr Gymnasiallehrkräf te einzustellen. Hier stehen über 2 000 Bewerberinnen und Bewerber auf der Straße – eine Chance, die Sie nicht ergrei fen; das ist nicht nachvollziehbar.
Im neuen Schuljahr sieht es nicht besser aus. Die prekäre La ge der Kultusministerin Eisenmann ist für sie allerdings kein Anlass zur Demut. In ihrer Landespressekonferenz zum Schul jahresbeginn schlägt sie eine volle Stunde lang verbal um sich: Gewerkschaften lieferten weder konkrete Zahlen noch kons truktive Vorschläge, alle ihre Amtsvorgänger hätten falsch ge plant, der Rechnungshof sei inkompetent, die Lehrkräfte seien sowieso viel zu unflexibel. Alle sind schuld, außer der verant wortlichen Ministerin? So nicht!
In den Gymnasien findet im Landesdurchschnitt jede achte Stunde – 12,7 % – nicht regulär statt, und das – ich sage es noch einmal –, während über 2 000 Gymnasiallehrkräfte nach einer Stelle suchen. Wie können Sie das zulassen? Wie kön nen Sie da immer noch behaupten, die von Ihnen vollzogene Streichung von über 1 000 Lehrerstellen zum letzten Schul jahr habe keinen Effekt auf die Unterrichtsversorgung?
Sie haben sehenden Auges trotz steigender Schülerzahlen, trotz voller Kassen Lehrerstellen abgebaut. Sie haben Unter richtsausfall beschlossen. Sie sind die Regierung der Lehrer stellenstreichung.
Sie haben eine zentrale Fehlentscheidung getroffen, und Ihre Arroganz der Macht hält Sie davon ab, diesen Fehler rückgän gig zu machen.
Der gebetsmühlenartige Verweis von Frau Eisenmann auf die Vorgängerregierung verkommt immer mehr zum Ri tual der Hilflosigkeit und ersetzt nicht das eigene Han deln.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Spart Redezeit nachher!)
Handeln könnte diese Landesregierung, unterlässt es aber wis sentlich. Es gibt Spielraum an den Gymnasien. Hier könnten wir jetzt eine demografische Reserve aufbauen; denn auch hier kommt zusehends eine Pensionierungswelle, wenn auch zeit versetzt, auf uns zu.
Spielraum gibt es übrigens auch bei den Gemeinschaftsschu len, an denen zahlreiche Grundschullehrkräfte eingesetzt wer den. Warum ersetzen wir diese nicht in Teilen – warum bie ten wir das nicht an? – auch durch Gymnasiallehrkräfte? So hätte die Grundschule wieder mehr Lehrkräfte mit passgenau er Ausbildung und die Gemeinschaftsschule ein durchmisch tes Kollegium, wie es das Konzept vorsieht – eigentlich eine Win-win-Situation für beide Schularten, eine Verbesserung der Unterrichtsversorgung und verbesserte Perspektiven für die arbeitsuchenden Gymnasiallehrkräfte.
Es wird nun gleich im Anschluss mit Sicherheit von den Re gierungsfraktionen eine Liste mit Maßnahmen folgen, die zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung getroffen wurden. Lassen Sie uns aber bitte darüber reden, was eben nicht getan wird.
Denn das ist der Grund, warum die Eltern in Stuttgart jetzt tat sächlich die Landesregierung verklagen.
Diese grün-schwarze Landesregierung macht sich schuldig, indem sie keine klaren Weichen für die Zukunft stellt. In Ih rem Maßnahmenpaket denken Sie nicht weit genug. Eine Voll erhebung zum Unterricht bringt eben nichts, wenn man dar aus nicht auch die Konsequenzen zieht und klare Zielgrößen definiert. Es darf nicht sein, dass wir immer nur versuchen, den Status quo zu erhalten; denn dieser ist unbefriedigend. Wir müssen besser werden.
Aus der Sicht der SPD braucht es daher eine Rücknahme der über 1 000 gestriche nen Lehrerstellen aus dem Jahr 2017 – das ginge sofort –, ei nen Ausbau der Krankheitsvertretungsreserve um mindestens 20 % auf 2 000 Stellen – das ist ebenfalls mit Blick auf die ar beitslosen Gymnasiallehrkräfte sofort möglich –, eine Ziel größe im Sinne eines Versorgungsgrads an jeder Schule von mindestens 106 %
und eine Aufstockung des Entlastungskontingents – ein Feh ler, der korrigiert werden muss. Ganz wichtig: Gestalten Sie den Beruf des Lehrers attraktiver, und schmeißen Sie befris tet angestellte Leute nicht noch jedes Jahr über die Ferien hi naus.
Sehr geehrte Landesregierung, nehmen Sie die Beschwerden der Eltern endlich ernst. Hören Sie auf diese landesweiten Be schwerden. „Unterrichtsausfall auf Rekordniveau, Eltern ver klagen das Kultusministerium“ – das ist eine Bankrotterklä rung für den Bildungsstandort Baden-Württemberg.
(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie tappen in die Löcher rein, die Sie selbst aufge macht haben! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Der Bildungsexperte Zimmermann sprach! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade ein kleines Déjà-vu. Im Februar dieses Jahres hatten wir eine ähnliche Debatte, auch von der SPD beantragt. Ich muss sagen, es ist sehr mutig, dass Sie das heute wieder einbringen –
wirklich mutig! Wenn Sie an dieser Stelle von „jahrelang weichgespülten“ Unterrichtsausfallerhebungen sprechen, dann frage ich: Wer hat denn in den vergangenen Jahren den Un terrichtsausfall erhoben, und wer hat denn jetzt ein neues, sys tematisches Unterrichtsausfallerhebungssystem eingeführt?
Das stimmt leider. Ich bin dem Kollegen Stoch am vergange nen Freitag eigentlich sehr dankbar gewesen. Beim VBE kam natürlich auch das Thema Unterrichtsversorgung dran. Da hat er sehr ehrlich geantwortet –
im Gegensatz zu Ihnen, Herr Fulst-Blei. Er hat sehr ehrlich geantwortet und hat gesagt: Ja, wir haben – –
Genau, alle hatten die gleichen Zahlen. Danke, lieber Kol lege Stoch. Alle hatten die gleichen Zahlen, haben sich auf diese Zahlen verlassen, und aufgrund dieser Zahlen des Sta tistischen Landesamts haben wir heute die Lehrerversorgung, die wir haben. Denn wir haben nach wie vor kein Problem mit Lehrerstellen, sondern wir haben ein Problem, die Lehrerstel len zu besetzen.
Wenn Sie, lieber Herr Kollege Fulst-Blei, jetzt fordern, dass die Schulen im Land einen durchschnittlichen Versorgungs
grad von 106 % erhalten sollen, dann muss ich an dieser Stel le sagen: Die Gymnasien haben durchschnittlich einen Ver sorgungsgrad von 106 % – nicht über alle Regierungsbezirke hinweg, was für uns tatsächlich ein Problem darstellt; wir ha ben Regierungsbezirke mit einem Versorgungsgrad von 104 % und Regierungsbezirke mit einem Versorgungsgrad von 106 %. Aber die Gymnasien haben bereits diese Unterrichtsversor gung. Deswegen müssen wir uns darum kümmern und schau en, wenn der Unterrichtsausfall an den Gymnasien tatsächlich so hoch ist, woher er kommt.
Denn an der Lehrerversorgung – da bin ich völlig bei Ihnen; wir haben die Lehrerstellen im Gymnasium – liegt es bei den Gymnasien nicht. Im Gegensatz dazu: An den Grundschulen, Gemeinschaftsschulen, SBBZ, Realschulen, wo wir unseren Fokus drauf haben, da liegen die wirklichen Probleme. Diese Schulen benötigen unsere Unterstützung, damit sie zumindest einen Versorgungsgrad von 100 % bekommen. Dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt. Darauf sollte doch unser Fokus liegen, wenn wir Bildungsgerechtigkeit ernst nehmen.
Ich will jetzt tatsächlich nicht über das Maßnahmenpaket der Landesregierung sprechen; ich will nur auf ein paar Punkte eingehen. Zum einen bin ich sehr froh, dass unsere Wissen schaftsministerin Theresia Bauer in den vergangenen Jahren den Zahlen des Kultusministeriums eben nicht komplett ver traut hat, sondern über die Anmeldungen des Kultusministe riums hinaus Studienplätze in unserem Land eingerichtet hat. Das müssen wir an dieser Stelle einfach einmal festhalten.