Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

Ich kann Ihnen sagen, dass wir damals, als Grün und Schwarz die ersten Runden in Sachen Koalitionsvertrag gedreht haben, an einem Punkt sehr schnell zu einer Verständigung gekom men sind, nämlich im Bereich Mobilität und Innovation. Denn uns war auf beiden Seiten klar: In diesem Land, in dem seit

hundert Jahren Autos produziert werden, in dem wir seit hun dert Jahren vom Verkauf von Autos gut leben, in dem auch schon das Fahrrad erfunden wurde, haben wir die Kompetenz dafür.

Hier kommt es sehr darauf an, dass wir die alte Innovations kraft immer wieder erneuern und deutlich machen, dass wir nicht erlahmt sind, sondern dass wir die Zukunft sehen. Ich glaube, das ist auch das, was unsere Verkehrspolitik und un sere Mobilitätspolitik seit Jahren prägt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wenn man über Innovationen spricht, Herr Selcuk, dann soll te man auch offen sein und nicht 30 Jahre alte Feindbilder vor sich hertragen. Nehmen Sie einmal den roten Balken vor dem Gesicht weg, damit Sie einmal etwas anderes über die Grü nen sehen als das, was Sie erzählt haben. Das war doch mehr als vorgestrig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das wird praktisch nur von der AfD übertroffen, deren Köp fe offenbar völlig verdieselt sind.

(Lachen bei der AfD)

Jedenfalls von Klarsicht kann da keine Rede sein.

Meine Damen und Herren, wir haben das Thema Innovatio nen von Anfang an nicht nur als Einzelprojekt verstanden, sondern wir haben mit einem strategischen Ansatz, der jetzt in den Strategiedialog Automobilwirtschaft überführt worden ist, klargemacht, dass es ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, in dem Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Po litik zusammen diesen Transformationsprozess verarbeiten und bearbeiten müssen.

Herr Haußmann, kein Mensch denkt, dass von heute auf mor gen die Elektromobilität eingeführt wird, sondern jedem ist klar: Das ist ein schwieriger Prozess. Sie haben ja selbst be schrieben, dass es nicht so ganz einfach ist.

Gerade weil es ein schwieriger Prozess ist, müssen wir ihn ge stalten, müssen wir überlegen, wo Barrieren sind, was wir tun müssen, um z. B. die Infrastruktur zu verbessern, was wir tun müssen, um die Ladesituation zu verbessern, damit wir in die sem Bereich vorankommen. Genau das tun wir.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Herre von der AfD zu?

Nein.

(Lachen bei der AfD)

Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Strategiedi alog auf der einen Seite und etwa mit der Landesagentur für Elektromobilität auf der anderen Seite auch die institutionel len Voraussetzungen, um diesen Transformationsprozess wei terzuentwickeln. Die Kompetenz der e-mobil BW wurde auf den Automotivebereich und seine Transformation erweitert. Dies ist ganz wichtig.

Übrigens: In der ganzen Republik – jedenfalls dort, wo man mit Autos und Automobilindustrie zu tun hat – schaut man nach Baden-Württemberg, wie wir diesen Transformations prozess gestalten. Es hat mich sehr gefreut, dass der neue Bun desverkehrsminister die Nationale Plattform Elektromobilität neu aufstellt und in „Nationale Plattform Zukunft der Mobi lität“ umbenennt. Einer der sechs Arbeitskreise heißt „Klima schutz und Verkehr“ und wird vom Chef der Landesagentur Elektromobilität Baden-Württemberg geleitet. Damit wird klar: Auch auf Bundesebene wird geschätzt, was wir in den vergangenen Jahren getan haben und was wir an Ideen und Konzepten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung – das gilt nicht nur für diese, sondern auch schon für die Vorgängerre gierung, ja, sogar unsere Vorvorgängerregierung – fördert seit ungefähr zehn Jahren mit Elektromobilitätsinitiativen die Elek tromobilität. Das ist auch wichtig. Die öffentliche Hand muss hier einen Anstoß geben, weil die Wirtschaft offenbar von selbst nicht den nötigen Drive entwickelt, den wir brauchen, um mit dieser Entwicklungsgeschwindigkeit, die Herr Schütte schön angesprochen hat und die wir weltweit beobachten, überhaupt Schritt halten zu können, damit wir nicht hinterherhinken und am Ende die Verlierer sind.

Das größte Risiko, das wir heute haben, ist, dass zu viele Men schen glauben, wir seien so gut, dass man uns nicht einholen kann, und nicht merken, dass andere sehr, sehr schnell unter wegs sind, neue Technologien einzusetzen. Die können übri gens Dinge oft auch schneller umsetzen, als wir das können.

Herr Minister, es gibt noch einen Wunsch der Frau Kollegin Reich-Gutjahr nach einer Zwischenfrage.

(Lachen bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Be schämend!)

Vielen Dank, dass ich die Frage stellen kann. – Mich interessiert zum Thema Strategiedialog, welche Erkenntnisse es denn nun aus den Ge sprächen mit der Automobilindustrie in Baden-Württemberg gibt, welche Strategie dort angestrebt wird im Hinblick auf die Umsetzung eines gewissen Anteils an Elektrofahrzeugen. Gibt es Zahlen dazu, die man miteinander verabredet hat?

Welche Bedeutung wurde hier unserem eigenen Bedarf zuge schrieben im Verhältnis dazu, dass, wie man in den Zeitungen immer liest, die Chinesen mittelbar nur noch Elektroautos zu lassen werden und die Entwicklung bei uns gar keine Rolle spielt?

Welche zusätzlichen Antriebe neben dem Elektroauto werden von der ansässigen Automobilindustrie denn gesehen, die auch in das Konzept der erneuerbaren Ressourcen im weitesten Sinn gehören? Können Sie dazu noch ein paar Angaben ma chen?

Das hätte ich im Laufe meiner Rede sowieso getan; ich werde auch später noch einmal dazu kommen.

Vorab als Antwort auf Ihre Frage: Erstens ist der Strategiedi alog auf sieben Jahre angelegt. Da gibt es nach einem Jahr noch kein Ergebnis. Zweitens ist der Strategiedialog nicht da rauf angelegt, wie wir zur Elektromobilität kommen, sondern auf die Transformation der Automobilwirtschaft hin zu neu en Technologien, die emissionsfrei sind – das betrifft den zweiten Teil Ihrer Frage –; da geht es eben um batterieelekt rische Fahrzeuge, Brennstoffzellenfahrzeuge und andere Va rianten der Nutzung. Es geht auch darum, in welchem Zeitrah men wir was schaffen können.

Eines ist übrigens schon ziemlich klar geworden: Alle sind überzeugt, dass wir schneller werden müssen, damit wir schon in zehn Jahren einen erheblichen Anteil an Elektrofahrzeugen auf den Straßen haben werden. Alle Fahrzeughersteller im Land – ob das Daimler ist, ob das Audi ist oder ob das Por sche ist – haben neue Produktionslinien aufgelegt, die zeigen, dass in den nächsten Jahren in hohem Maß in die Elektromo bilität investiert wird und damit auch Produkte auf den Markt kommen. Dies geschieht leider erst in ein paar Jahren, nicht schon heute.

Damit wäre erst einmal Ihre Frage beantwortet; alles andere zu diesem Thema folgt später.

(Zuruf der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP)

Ich komme noch einmal darauf zurück.

Was wir in diesem Strategiedialog, aber auch in unserer Ini tiative gefördert haben, ist die Ladeinfrastruktur. Uns ist klar, dass die öffentliche Hand im Bereich der Ladeinfrastruktur eine gewisse Vorleistung bringen muss, sonst schaffen wir es nicht, dass wir sozusagen den nötigen Schwung in die Gesell schaft bringen.

Ich muss allerdings sagen: Inzwischen sieht die Situation so aus, dass man – mit nur leichter Überspitzung – sagen kann, in Baden-Württemberg gibt es inzwischen mehr Ladesäulen als Elektroautos. Das heißt, die öffentliche Hand hat wirklich vorgeleistet, die Kommunen haben dafür gesorgt, die Stadt werke, das Land haben dies unterstützt, private Unternehmen von Lidl bis IKEA haben Ladesäulen installiert. Was noch fehlt, sind bezahlbare, preiswerte Autos, die man auch wirk lich in absehbarer Zeit bekommt. Da ist die deutsche Indust rie heute leider nicht lieferfähig, sondern es dauert noch ein paar Jahre.

(Abg. Stefan Herre AfD: Tesla auch nicht! – Gegen ruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Aber Renault!)

Leider kommen die Fahrzeughersteller auch nur mit großen Autos. – Wir reden jetzt nicht über Tesla, sondern wir reden jetzt über baden-württembergische Modelle. Davon gibt es leider zu wenige. Aber das wird hoffentlich noch kommen.

Wir fördern die Elektrifizierung unserer Flotte. Herr Selcuk, es ist nicht wahr, dass wir, wie Sie behauptet haben, mehr Geld in die eigene Flotte steckten als in andere Projekte. Denn bei den anderen Projekten haben Sie eine Summe genommen; was wir ansonsten noch im Technologiebereich tun, vor allem im Bereich der digitalen Testfelder, haben Sie einfach weggelas sen und sind damit zu falschen Zahlen gekommen.

Wir fördern alle Bereiche der technischen Entwicklung, ob das Plug-in-Hybride sind oder ob das Brennstoffzellenfahr zeuge sind. Wir fördern auch bestimmte Flotten – nicht pri vate Flotten, das macht der Bund. Wir fördern z. B. Sozial dienste, damit sie elektrifiziert fahren können, oder wir unter stützen Taxis. Wir schauen sehr darauf, dass die Förderkon zepte des Bundes zu unseren oder auch zu den kommunalen Konzepten passen, damit wir nicht doppelt fördern, wo es un nötig ist, sondern damit wir die Förderung ergänzen.

Wir sind dann auch erfolgreich, aber ich muss Ihnen ganz of fen sagen: Wenn ich die Summen sehe, die wir investieren, und einmal schaue, was anderswo auch mit öffentlichen Mit teln getan wird, dann können wir da schon noch mehr tun. Ich will ganz klar sagen: Was wir heute tun, ist nicht das Ende dessen, was man tun kann.

Sehr erfolgreich – jetzt sind wir beispielsweise bei einem The ma, über das die AfD wahrscheinlich wieder lachen wird – sind die Cargobikes, die eine neue Dimension der klima- und umweltfreundlichen „Last mile“-Transportangebote darstel len. Das ist ein Projekt, welches innerhalb von einem Jahr un glaublich gut nachgefragt worden ist – 800 Cargobikes in ba den-württembergischen Städten, mit denen eben gewisse Kleintransporte umweltfreundlich zu den Kunden oder in die Geschäfte durchgeführt werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren von der AfD, immer, wenn so ein Vorschlag kommt wie zu Fuß gehen oder Rad fahren, lachen Sie.

(Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: So ein Quatsch! – Zu ruf von der AfD: Nein! Überhaupt nicht!)

Denn Sie sind der Meinung, das wäre alles unbedeutend, es komme nur aufs Auto an.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Es geht ums Reglementie ren! Wollen Sie das Zufußgehen reglementieren? – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Moderne Mobilitätspolitik hat alle Verkehrsmittel im Auge: zu Fuß gehen, Rad fahren, das Auto und den öffentlichen Ver kehr, und nicht nur den Diesel. Machen Sie sich das einmal in Ihrem Kopf klar.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Stefan Herre: Euer Bundesvorsitzender fährt selbst einen Diesel!)

Meine Damen und Herren, wir unterstützen diese neuen Tech nologien einerseits in Forschungseinrichtungen wie dem KIT und andererseits auch an Hochschulen wie etwa in Karlsruhe, in Pforzheim oder in Stuttgart. Es sind inzwischen sehr viele Hochschulen, die sich mit neuen Technologien in der Mobi lität befassen, und zwar einerseits mit Technologien des An triebs, andererseits aber auch mit neuen Antriebskonzepten oder mit neuen Konzepten der Mobilität. Alles wird inzwi schen bearbeitet, und das ist auch gut so. Denn eines ist auch klar: Die Innovationen der Zukunft sind nicht nur technologi sche, sondern auch gesellschaftliche – in den USA würde man sagen: plattformökonomische – Konzepte, bei denen eben an ders agiert wird als etwa bei industriell gedachten Konzepten, wie das häufig hier in Deutschland der Fall ist.

Wir schaffen auch Anwendungsfälle. So haben wir z. B. für die neue Brennstoffzellentechnologie im Schienenverkehr das Ortenau-Netz so ausgeschrieben, dass man sich nur mit emis sionsfreien Schienenfahrzeugen bewerben kann, und zwar oh ne Oberleitung, weil wir gezielt andere Technologien, die emissionsfrei sind, auf der Schiene fördern wollen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Albrecht Schütte CDU)