Protokoll der Sitzung vom 08.11.2018

Die EU-only-Abschnitte des Abkommens sind sowieso be reits in Kraft. Wir hören dazu auch keine negativen Signale.

Wir sehen auch, dass das EU-Parlament zugestimmt hat. Wir sehen, dass zwischenzeitlich acht Einzelstaaten in der EU vollumfänglich zugestimmt haben; die Italiener – eine auto kratische Regierung – den Verlautbarungen nach bisher leider nicht. Wir sehen, dass viel geschehen ist, und wissen deswe gen heute, im November 2018, dass es zu CETA, wenn das Bundesverfassungsgericht ein endgültiges Urteil gesprochen hat und der Europäische Gerichtshof, der angerufen worden ist, verhandelt hat, bei der endgültigen Ratifizierung des Bun destags auf jeden Fall keine Bedenken geben sollte.

Deswegen, finde ich, ist es gut, heute gemeinsam festzustel len, dass es auch im Interesse des international verflochtenen Landes Baden-Württemberg ist, dass dieses CETA-Abkom men von Deutschland unterschrieben wird und wir damit ein neues Kapitel im transatlantischen Verhältnis aufschlagen können.

Das wird auch deshalb notwendig sein, weil CETA auch in sofern ein Vorbild ist, als einige bedauern, dass sie bei TTIP nicht rechtzeitig mit einem guten Verhandlungsergebnis ein geschlagen haben. Denn das, was die Trump-Administration nun macht – mit dem Höhepunkt, dass Herr Juncker mit gro ßen Handelseinschränkungen noch einen Brand löschen muss te –, zeigt uns einfach, dass es gut ist, wenn man sich mal sagt: Ich versuche, im Kompromiss etwas zu erreichen, und versu che nicht, ein Handelsabkommen darauf abzuklopfen, ob es meinen ganz eigenen Vorstellungen zu 100 % entspricht.

Deswegen auch in dieses Haus hinein: Das Land Baden-Würt temberg kann sich keine puristische Handelspolitik leisten. Wir brauchen eine Handelspolitik, bei der wir das Beste für unser Land insgesamt herausholen, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Abkommen macht Sinn.

Ich möchte in meiner restlichen Zeit auf ein paar Punkte ein gehen, die vielleicht für die Zukunft bedeutsam sind, wenn wir im Handel auch andere Dinge über bilaterale Abkommen lösen. Natürlich ist multilateral immer das Beste.

Auch mit Japan wurde ein Handelsabkommen abgeschlossen. Es geht um einen ganz großen Raum, was die Bevölkerung angeht. Zwischenzeitlich gibt es sogar in den USA – aller dings zu deren Bedingungen – ein gewisses Aufwachen, wie man mit Europa handelsmäßig zusammenkommen kann.

Wir sind der Meinung, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt ein Stück weit über unser Verhältnis zu Kanada und zu den Ver einigten Staaten nachdenken sollten. Wenn das Abkommen mit Kanada umgesetzt ist, haben wir den Vorteil, dass sich ei ne Demokratie auf dem amerikanischen Kontinent auf euro päische Vorstellungen, etwa im Bereich des öffentlichen Aus schreibungswesens oder im Bereich der Mittelstandspolitik, einlässt, sodass wir ein praktikables Abkommen haben, das vielleicht in den gesamten amerikanischen Kontinent hinein eine gewisse Attraktivität ausstrahlt.

Dass Abkommen kein Selbstzweck sind, ist selbstverständ lich. Aber gerade mit dem CETA-Abkommen eröffnen sich Chancen für unseren Mittelstand, bei öffentlichen Ausschrei bungen in Kanada zum Zuge zu kommen, und auch Chancen, den Arbeitnehmerschutz – selbstverständlich auch mit den in ternationalen ILO-Normen, bei denen die Kanadier zwischen zeitlich sieben von acht gegengezeichnet haben – auf dem nordamerikanischen Kontinent praktizieren zu können, und zwar mit den Vorstellungen, wie sie auch in Europa und bei uns herrschen.

Das ist also auch ein Beispiel, ein Role Model, wie wir auf der anderen Seite des Atlantiks zeigen können, wie fairer und nachhaltiger Handel eigentlich geht.

Dann geht es in Zukunft auch um die Vereinigten Staaten von Amerika. Darauf möchte ich doch noch mal zwei Gedanken verwenden:

Wir müssen uns darauf einstellen, dass Herr Trump nach den Kongresswahlen nicht unbedingt eine Umkehr machen wird, sondern er wird sich jetzt vielleicht, weil es ihm in der Innen politik schwerer fällt, allein voranzukommen, mehr auf die Außenpolitik konzentrieren, bei der er mehr Chancen hat, al lein zu agieren. Das heißt, es ist keineswegs ausgemacht, dass es bei dem einen Handelskonflikt bleibt oder dieser abge schwächt wird, sondern es kann sogar sein, dass manches noch etwas schwieriger wird.

Deswegen ist es für uns auch wichtig, dass wir im Agieren ge genüber den Vereinigten Staaten nicht nur an die Interessen lage von Trump denken, sondern auch an die Interessenlage derer, die ihn stark, die ihn mehrheitsfähig gemacht haben, und fragen: Wie können wir da unterstützen, wo die Unzufrie denheit in den Vereinigten Staaten herrührt?

Mich hat es mit Blick auf die Wahlkarte persönlich gefreut, dass das industriegeprägte Gebiet um die großen Seen mehr blau, also mehr demokratisch, eingefärbt ist. Daher ist das ei ne Chance, mal eine andere Gegend Amerikas – meist sind die deutschen Autokonzerne im Süden der Vereinigten Staa ten, wo die Arbeitskraft günstig ist – in den Blick zu nehmen

bei der Frage: Kann man auch dort sein, wo in den Vereinig ten Staaten Zukunft gebraucht wird, wo diejenigen, die keine Zukunft sehen, Trump gewählt haben? Das ist vielleicht ein bisschen groß gegriffen, aber ich fände es gut, auch in diesen Gegenden investiv tätig zu sein.

Umgekehrt ist es für uns wichtig, dafür zu sorgen, dass wir, was Trump angeht, eine klare Haltung haben und dass wir sa gen können: „Europa rückt enger zusammen“, um tatsächlich auch einmal Einhalt zu gebieten – was oft genug notwendig sein wird.

Das alles habe ich deswegen beschrieben, weil ich meine, dass es in der Welt auf eine systematische Auseinandersetzung zwi schen liberalen und sozialen Demokratien auf der einen Sei te und autokratischen Regierungsformen auf der anderen Sei te – ob demokratisch oder nicht demokratisch – hinausläuft.

Ich finde schon, dass Handelspolitik dazu beitragen sollte, dass die liberalen und sozialen Demokratien nicht nur an sich attraktiv sind, sondern auch gemessen an anderen attraktiv sind, um die Art, wie wir leben wollen und gern leben, tat sächlich wieder zum Vorbild für den großen Teil der Welt zu machen.

Ich finde, dass wir einen guten Dienst erweisen, wenn wir ein Abkommen wie CETA so schnell wie möglich unterschrei ben, wenn dies mit der gesamten Zustimmung dieses Hauses geschieht und wenn die Regierung dies auch anfasst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Joachim Kößler CDU)

Herr Abg. Professor Dr. Schweickert spricht jetzt für die FDP/DVP-Fraktion.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Egal, welche Zeitung wir auf schlagen: Wenn es um das Thema Wirtschaft geht und darum, dass dunkle Wolken aufziehen, dann steht in jedem Artikel, ein Kriterium seien Zollschranken, Handelskriege in der Welt wirtschaft.

Baden-Württemberg ist ein dynamischer, international ver netzter Industrie- und Technologiestandort, dessen Volkswirt schaft eine Größe hat, die sich tatsächlich mit anderen euro päischen Ländern wie Belgien, Schweden oder Österreich messen kann, und der im Jahr 2017 Warenausfuhren in Höhe von 201 Milliarden € aufweist.

Damit ist Baden-Württemberg nicht nur das drittgrößte Bun desland, sondern hat auch das höchste Exportvolumen. Pro Einwohner sind das 18 600 €, 50 % mehr als im Durchschnitt der anderen Bundesländer. Somit arbeitet in Baden-Württem berg ungefähr jeder dritte Beschäftigte direkt oder indirekt für den Export.

Das sind nicht meine Zahlen, sondern die Zahlen des Minis teriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – das hier im Plenum jetzt gar nicht vertreten ist. Nichtsdestotrotz stimmt, was dort steht. Für uns, den Landtag von Baden-Würt temberg, heißt das aber auch, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um diese Möglichkeiten in Zukunft zu erhalten.

Dazu gehört auch, sich international für gute Rahmenbedin gungen einzusetzen. Lieber Herr Minister Wolf, internationa le Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene fallen in Ihr Ressort.

Kollege Hofelich hat es schon gesagt: Gemeinsam mit der SPD haben wir einen Antrag gestellt, und in der Stellungnah me vom März 2017 hat man uns geschrieben:

Infolgedessen wird sich auch der Bundesrat mit CETA zu befassen haben.... Die Landesregierung erwartet, dass der Ratifizierungsprozess in Deutschland erst nach den Bundestagswahlen eingeleitet wird und CETA dann frü hestens im Jahr 2018 im Bundesrat behandelt werden kann.

So weit, so richtig. 2018 geht jetzt langsam dem Ende entge gen. Frau Merkel hat im Juni 2018 auf der Homepage des Bundeskanzleramts bekannt gegeben, dass ein zeitnaher Fahr plan vorgelegt werde, um CETA zu ratifizieren. Sie haben ja geschrieben, man warte noch auf die Entscheidung des Euro päischen Gerichtshofs. Diese liegt auch schon seit Mai 2017 vor. Man weiß, dass sich der Bundesrat mit der Thematik be fassen muss.

Wir sagen: Dann positionieren wir uns als Landtag von Ba den-Württemberg. Aber diese Regierungskoalition traut sich nicht. Auf der einen Seite haben wir sicherlich mit dem feder führenden Ressort für diesen Antrag – dem Ministerium der Justiz und für Europa –, aber auch mit dem Wirtschaftsminis terium und mit der CDU-Fraktion diejenigen, die sagen: Wir sind für ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild von CETA. Auf der anderen Seite haben wir aber die Grünen, die sich auf ihren Parteitagen Zehntausende Unterschriften gegen CETA übergeben lassen und dann mehr oder weniger auf die Bundeslinie einschwenken müssen, wo man sich klar positi oniert hat, dass man CETA nicht möchte.

Aber Herr Kretschmann als Ministerpräsident von BadenWürttemberg fährt nach Kanada und sagt, Handelsabkommen seien wichtig. Da muss man sich schon einmal fragen, wann Herr Kretschmann einmal über seinen grünen Schatten springt. Vielleicht bekommen Sie noch einige Wochen oder einen Mo nat bis zwei Monate Zeit, in denen Sie die Entscheidung auf schieben können. Aber es wäre im Sinne unserer Wirtschaft, und es wäre ein klares Signal für den Freihandel – nicht nur in Sonntagsreden.

Sie alle sind, wie wir auch, auf den parlamentarischen Aben den. Da wird dann immer erklärt, man müsse seiner Verant wortung gerecht werden. Dann tun Sie das! Ich bin einmal ge spannt, Herr Minister, wie Sie das jetzt für die Landesregie rung auflösen wollen. Denn eigentlich liegen die Fakten auf der Hand.

Wir haben mit der SPD in den 17 Punkten unseres gemeinsa men Antrags sehr deutlich gemacht, warum CETA d i e Blaupause für zukünftige Handelsabkommen ist. Das Ganze darf nicht im Sinne von Ausbeutung laufen, sondern wir müs sen auf Augenhöhe handeln. – Die ILO-Norm hat Kollege Ho felich schon angesprochen. Es wäre schon mehr als in unse rem Interesse, dass auch soziale Standards implementiert wer den und wir auch in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit der baden-württembergischen Wirtschaft hilfreich tätig sind.

Ich möchte auch betonen, dass sich der Landtag von BadenWürttemberg mit dem Thema CETA ausführlich befasst hat. Es ist mir nicht bekannt, dass sich irgendein anderer Landtag im Rahmen einer so großen Anhörung, wie sie der Wirt schaftsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg hier in diesem Plenarsaal durchgeführt hat, intensiv mit allen Fra gen beschäftigt hat. Fragen sind also nicht mehr offen. Was offen ist, ist die Positionierung. Wir sind einmal gespannt, welche Antworten wir da jetzt hören.

Der Antrag ist anderthalb Jahre alt. Ich hoffe, wir müssen nicht noch einmal anderthalb Jahre auf diese Positionierung war ten. Denn wenn es zu spät ist und die Gewitterwolken nicht nur aufgezogen sind, sondern es daraus auch regnet, dann heu len wir alle und sagen: „Mensch, hätten wir das doch damals gemacht, wie bei TTIP auch.“ Da bin ich ganz beim Kollegen Hofelich. Ich bin einmal gespannt, wie Sie sich da positionie ren, und freue mich dann auf die zweite Runde.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Frau Abg. Lindlohr, bitte, für die Grünen.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Freier und fairer Handel ist die Grund lage unseres Wohlstands. Dass wir uns für freien und fairen Handel einsetzen müssen, ist unsere grüne Überzeugung. Da zu gehört eine starke Europäische Union, dazu gehören faire Handelspartnerschaften mit den Ländern des Südens, und da zu gehören aktive transatlantische Beziehungen. Gerade beim letzten Punkt hat diese Landesregierung – entgegen dem, wie ich den Kollegen Schweickert gerade verstanden habe – ge zeigt, wie Baden-Württemberg als erfolgreiche Region, als Land in Deutschland mit einer eigenen Staatlichkeit, interna tional erfolgreich zusammenarbeitet – mit denen, die koope rativ sind, unter Einbringung unserer Stärken.

In der Handelspolitik gilt wie auch auf anderen Politikfeldern: Wir handeln nicht in Kleinstaaterei, sondern wir handeln als Europäerinnen und Europäer, und das ist auch richtig so. Wer das ablehnt, Kolleginnen und Kollegen in der rechten Ecke, hat von der Wirtschaft in Baden-Württemberg wenig verstan den.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Joachim Kößler CDU und Dr. Erik Schweickert FDP/ DVP – Abg. Anton Baron AfD: Sich das von den Grü nen vorhalten zu lassen ist beschämend!)

Wir begrüßen, dass die EU-Kommission daran arbeitet, dass unsere Handelsbeziehungen in der Welt auf einer fairen Grundlage stehen und dass es weniger Handelsbarrieren gibt. Da bin ich mit meinen Vorrednern einig.

Aber was nicht stimmt, ist, dass zum Gesamtabkommen CETA inklusive des Teils, der in die nationale Ratifizierung muss, keine Fragen mehr offen wären. Das ist falsch, und wir werden jetzt besprechen, welche Fragen noch offen sind.

CETA ist ein gemischtes Abkommen, wie wir schon sagten. Der EU-only-Teil ist in Kraft, ist seit September 2017 in der vorläufigen Anwendung. Das heißt, 98 % dieses Handelsab kommens zwischen Kanada und der Europäischen Union sind bereits in Kraft. Das betrifft die wichtigen Dinge wie die Zoll freiheit, die wir wollen.

Strittig sind die letzten 2 %. Dass sie nach den Regeln, die wir uns in der Europäischen Union gegeben haben, von den Na tionalstaaten ratifiziert werden müssen, hat ja einen Grund. Es hat einen Grund, dass diese 2 % nicht zu den vergemeinschaf teten Themen der europäischen Handelspolitik gehören. Das liegt daran, dass es die Fragen sind, die über ein Handelsab kommen im klassischen Sinn hinausgehen und die die Ver fasstheit unserer Staaten berühren. Deswegen ist es von vorn herein so geregelt: Die Nationalstaaten müssen diese 2 % ra tifizieren. Da steht noch vieles aus. Es geht um die Bereiche des Abkommens, die strittig sind, und das ist insbesondere bei den Investor-Staat-Schiedsgerichten der Fall.

Es ist nicht richtig, was der Kollege Schweickert gesagt hat, wonach seit Mai 2017 höchstrichterlich schon alles entschie den sei bzw. damit alles geklärt sei. Die Verfassungsbeschwer de bezüglich der Frage, ob dieser Teil von CETA und CETA insgesamt unserer Verfassungsordnung entsprechen, ist wei terhin beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Sehr wesentlich finde ich auch weiterhin den Gutachtenantrag von Belgien vor dem EuGH. Da geht es um die Rückbindung der CETA-Ausschüsse und den Investitionsschutz. Ich zähle jetzt einige der Themen auf, die Belgien dort geklärt haben will. Das sind z. B. der Gleichheitsgrundsatz in der EU, das Erfordernis der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts, das Recht auf Zugang zu Gerichten und das Recht auf eine unabhängige und unparteiische Rechtsprechung. Lieber Kol lege Hofelich, es als puristische Handelspolitik zu kennzeich nen, wenn wir uns diesen Fragen zuwenden, denen wir uns danach nicht mehr widmen könnten, das finde ich völlig falsch.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Gabriele Reich- Gutjahr FDP/DVP – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Wir können diesen Entscheidungen nicht vorgreifen. So sieht es auch die SPD im Deutschen Bundestag. Bei einer Debatte zu einem Ratifizierungsgesetzentwurf der FDP-Bundestags fraktion und einem gleichzeitig mit aufgerufenen Antrag der Fraktion Die Linke am 2. März dieses Jahres – das ist ja nach dem Mai 2017, den der Kollege Schweickert angesprochen hat – sagte der Sprecher für Wirtschaft und Energie der SPDBundestagsfraktion, Bernd Westphal, der auch Mitglied im Fraktionsvorstand ist – ich darf zitieren –: