Protokoll der Sitzung vom 03.04.2019

Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung führt Wege auf, wie die Transformation in erfolgreiche Bahnen gelenkt werden kann. Eine politische Steuerung der Transformation und Len kung in einen gerechten Strukturwandel lässt die Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer in der Industrie nicht im Regen stehen, sondern stellt sie mit ihrem Wissen in den Mittelpunkt. Wir brauchen europäische Kooperationen, um beispielsweise in der Batterietechnologie aufholen zu können.

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Sie, die Sie gegen jede europäische Kooperation stehen, ha ben überhaupt keine Ahnung davon, wie wir die Industrie in Baden-Württemberg halten können.

(Oh-Rufe von der AfD – Weitere Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Thomas Axel Palka: Stimmt doch gar nicht! Sie haben keine Ahnung! – Gegenruf des Abg. Udo Stein AfD: Er versteht es nicht!)

Wir wollen die Kommunen als Räume stärken, in denen neue Mobilitätsmuster ausprobiert und geschaffen werden können. Wir können so in Baden-Württemberg an dem Fortschritt im Bereich Mobilität unmittelbar partizipieren und gleichzeitig das Know-how im Land lassen. Das sind Beispiele aus den Erhebungen der Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Wir wünschen uns und wir fordern, dass Politik das auch un mittelbar dort umsetzt, wo sie selbst in Verantwortung steht. Wir haben uns natürlich gefreut, dass Herr Katzenstein so aus führlich darüber gesprochen hat, wie die Landesregierung Bun desmittel dafür verwendet, um Infrastrukturprojekte vor Ort zu ermöglichen. Die Bundesregierung, an der die SPD beteiligt ist, hat Ihnen gern die BGVFG-Mittel zur Verfügung gestellt.

(Lachen des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Aber es geht natürlich am Schluss auch darum, was das Land Baden-Württemberg tut.

(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Richtig! – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: LGVFG!)

Wenn die Wirtschaftsministerin in den Bundesrat rennt, um die Höchstarbeitszeit zu schreddern, das Bildungszeitgesetz zu früh evaluiert und dann die falschen Schlussfolgerungen daraus zieht, Strategiedialoge einberuft, ohne industriepoliti sche Konsequenzen vorzulegen, unseren Antrag auf Einrich tung eines Qualifizierungsfonds ablehnt und bei Industriedi alogen der Landesregierung in den Zuschauerraum gesetzt wird, dann ist das das Gegenteil von wirtschaftspolitischer Gestaltungsmöglichkeit der zuständigen Ministerin.

(Beifall bei der SPD – Abg. Anton Baron AfD zur SPD: Sie hatten nicht einmal ein eigenes Wirtschafts ministerium!)

Wir treten dafür ein, dass Politik die Rahmenbedingungen setzt. Wir treten dafür ein, dass es ein gemeinschaftliches, ein solidarisches Zusammenwirken der Beschäftigten, der Unter nehmen, der Wissenschaft, der Politik gibt, um diesen Struk turwandel zu stemmen. Das braucht auch eine aktive Landes regierung. Diese Aktivität sehen wir nicht.

(Beifall bei der SPD – Abg. Udo Stein AfD: Bei uns hat die SPD 12 %!)

Meine Herren, wenn die AfD noch reden möchte, ist dafür noch Zeit übrig. Nutzen Sie bitte Ihre Redezeit.

Jetzt ist die FDP/DVP an der Reihe. – Frau Kollegin ReichGutjahr, Sie haben das Wort.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD zu Abg. Udo Stein AfD: Du kannst wieder zurückkommen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was kommt Ih nen eigentlich in den Sinn, wenn Sie an unsere Automobilin dustrie denken? Mal bitte kurz nachdenken.

(Abg. Udo Stein AfD: Weltweite Veränderung! – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Große Autos! – Abg. Winfried Mack CDU: Soll man sich melden? – Vereinzelt Heiterkeit!)

Ich überlasse das Ihnen, sonst wird es zu aufwendig.

Kommt Ihnen in den Sinn Dynamik, Innovationskraft, Ge schwindigkeit, Arbeitsplätze, Freude am Fahren und Gestal ten – oder Dieselskandal, Fahrverbote, Umweltbelastung?

(Abg. Thomas Axel Palka AfD: Stau!)

(Abg. Klaus Dürr AfD: Managementfehler! – Abg. Her mann Katzenstein GRÜNE: Hoher Spritverbrauch!)

Ich glaube, es ist gut, dass wir heute mal über die Automobil industrie in einem etwas breiteren Kontext sprechen als nur im Zusammenhang mit Dieselfahrverboten und Skandalen in der Automobilindustrie; denn diese Industrie ist und bleibt ei ne Schlüsselindustrie für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das Ökosystem – wie man es heutzutage nennt – oder das Cluster Automobil beschäftigt in Baden-Württemberg nach wie vor fast 470 000 Menschen. Dabei muss man sagen, dass die OEMs, was die Produktionsmitarbeiter anbelangt, mit 83 000 Beschäftigten sogar noch die kleinere Zahl stellen. Die Wertschöpfungstiefe liegt bei den Zulieferern mit 210 000 Be schäftigten und bei den Kfz-Werkstätten mit 86 000 Beschäf tigten.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Die Fertigungstiefe bei den Herstellern!)

Auf der Innovationsseite – das ist erfreulich – haben wir nach wie vor 74 000 Beschäftigte, auch dort wieder ein Drittel bei der Automobilindustrie direkt, also bei den OEMs, und bei den Zulieferern 51 500.

Selbst die grüne Politik hat es also nicht geschafft, die Auto mobilindustrie in Baden-Württemberg so zu schwächen, dass sie heute nicht weiterhin eine Schlüsselindustrie in diesem Land ist.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Bitte was? – Abg. Thomas Axel Palka AfD: Aber sie arbeiten eif rig daran! – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Sie haben vorhin von Arroganz gesprochen, gell?)

Ja, das ist so. Wenn man in dieser Industrie gearbeitet hat – ich glaube, ich gehöre zu den wenigen hier im Haus, die das gemacht haben –,

(Abg. Anton Baron AfD: Ich habe bei Bosch gearbei tet!)

dann weiß man auch, wie viel Kraft, Kampf, Veränderungs bereitschaft, Dynamik, aber eben auch immer wieder Abwä gen des einen mit dem anderen dort gefordert sind.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Denn das ist die Verantwortung für viele Menschen in unse rem Land, die letztlich an den Entscheidungen derer hängt, die diese Firmen führen.

Wir haben vorhin von Daimler gehört. Ich würde aus meiner eigenen Erfahrung aus dieser langen Zeit in der Automobilin dustrie sagen, dass die Sozialpartnerschaft der Arbeitgeber-

und Arbeitnehmervertreter einer der ganz wichtigen Eckpfei ler des Erfolgs in Baden-Württemberg ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Daniel Born SPD)

Man hat in der Industrie immer hart gerungen um den richti gen Weg, wie man es schafft, für alle zu verträglichen Lösun gen zu kommen. Aber am Ende des Tages ist es uns gelungen, Strukturwandel über viele Jahre hinweg regelmäßig hinzube kommen. Die Zahlen zeigen: Wir haben nach wie vor eine starke Automobilindustrie im Land.

Ich darf – weil der Diesel gerade so populär ist – an einen Strukturwandel erinnern, der Anfang der Neunzigerjahre be gann. Anfang der Neunzigerjahre hatten wir massive Proble me in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Das zeigte eine Studie des MIT, die uns weit abgeschlagen darstellte. Dann hat man sich darangemacht, die Automatisierung in den Fertigungen massiv voranzutreiben. Man hat auch Produkti onsbereiche aus der Region verlagert: nach Brotterode oder nach Cardiff, oder nach Spanien, weil die Produktion dort günstiger war. Das waren Entwicklungen, die beispielsweise in Feuerbach dazu führten, dass die Mitarbeiterzahl an diesem Standort von 16 000 auf etwa 7 500 sank.

(Zuruf des Abg. Claus Paal CDU)

Heute hat man dort wieder 14 000 oder noch mehr Mitarbei ter, die aber in ganz anderen Aufgabenstellungen tätig sind als damals. Da sind nämlich nur noch 3 500 Menschen in der Pro duktion. Diese 3 500 arbeiten übrigens alle im Bereich Die sel. Wenn die Entwicklungen so eintreten wie beschrieben, dann werden das vielleicht bald nur noch 2 500 sein. Aber – das macht uns Hoffnung – wir haben solche Wandlungsbewe gungen immer geschafft, und ich bin sicher, man wird sie in der Automobilindustrie in der Sozialpartnerschaft auch in der Zukunft meistern.

(Abg. Anton Baron AfD: Dank unserer Wirtschaft!)

Der deutsche Markt allein hätte uns diese Zukunft nicht be schert, denn ohne die internationalen Märkte wären wir ei gentlich schon auf einem ziemlich niedrigen Niveau.

(Abg. Anton Baron AfD: Amerika!)

Ich nenne noch einmal die deutschen Zahlen zur Erinnerung: 18 Millionen Pkws werden weltweit von den deutschen Au tobauern gebaut, davon 5,2 Millionen in Deutschland. Von der deutschen Produktion gehen dann noch 70 % in den Export. Wir in Deutschland kaufen jährlich noch etwa drei Millionen Pkws. Das heißt, unsere eigene Nachfrage würde nur etwa 50 % der deutschen Produktion beanspruchen. Also: Ohne die internationalen Märkte würde die Industrielandschaft in Deutschland schon ganz anders aussehen. Das gilt grundsätz lich für alle Industriezweige; denn Deutschland ist ein Export land, das Exportland Nummer 1.

Deswegen müssen wir mit Wirtschaftsförderung, Forschungs anreizen und Innovationspolitik dafür sorgen, dass wir tech nologie- und forschungsintensive Produktionen stärken, wenn wir wollen, dass die industrielle Basis dieses Landes erhalten bleibt.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Wir müssen bessere Lösungen für die Wünsche und Proble me der Weltbevölkerung haben als andere Länder. Es darf kei ne Gängelung durch die Politik geben, die einseitig Lösungen präferiert und damit auch noch – wie jetzt mit der Elektromo bilität – den Strategien der Hauptkonkurrenzländer in die Hän de spielt. Das macht keinen Sinn.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Wir brauchen die Diskussion um Schadstoffe und alternative Antriebe, aber ohne politischen Aktionismus und ohne Panik mache.