Protokoll der Sitzung vom 04.04.2019

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Hermann.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Darf er heute sprechen?)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In schöner Regelmäßigkeit bescheinigt mir Herr Rülke bei Debatten eine geradezu übermächtige, historische Macht in dieser Landesregierung.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Leider!)

Lieber Herr Kollege Rülke, dieses vergiftete Kompliment kann ich leider nicht annehmen. Ich bin Teil einer Koalition. Ich bin nur Verkehrsminister und handle auf der Grundlage von Recht und Gesetz und des Koalitionsvertrags.

Was aber offensichtlich Ihr Problem ist: Sie lesen nichts au ßer Schlagzeilen. Sie lesen noch nicht einmal den Artikel in der Zeitung, geschweige denn die Studien. Mit der Sache be schäftigen Sie sich in keinster Weise.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Machen wir!)

Sie machen keinen Vorschlag – Polemik pur. Man könnte auch sagen: Bei Ihnen ist null Emission Garantie, und zwar in der Sache.

(Beifall bei den Grünen)

Übertroffen werden Sie eigentlich nur von der AfD, bei der man sagen muss: Null Emission wäre ja schon gut, aber das, was da dahergekommen ist, hat ja gestunken, war faulig. Mehr kann man zu dieser Rede eigentlich nicht sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Null Emissionen? Sie haben keine Ah nung, Herr Verkehrsminister!)

Die SPD wiederum tut in schöner Regelmäßigkeit so, als hät te sie mit alldem überhaupt gar nichts zu tun.

(Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Nein!)

Dabei ist die SPD immerhin seit 1998 – mit Ausnahme von vier Jahren – immer in der Bundesregierung vertreten und hat Verantwortung für die Plakettenregelungen, die es bisher gab, für bundesimmissionsschutzrechtliche Regelungen. Sie sind jetzt in der Regierung und hätten etwas tun können.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Andreas Stoch: Ko misch, immer ist jemand anderes schuld!)

Sie haben zusammen mit der CDU und der FDP – die CDU mit der FDP – die rote, die gelbe und die grüne Plakette als Zone durchgesetzt. Das hat jeweils Fahrverbote bedeutet, die in doppeltem Umfang Menschen betroffen haben, wie das heute bei Euro 4 der Fall ist – in doppeltem Umfang.

(Abg. Sascha Binder SPD: Das war eine ganz ande re Übergangszeit!)

10 %, 12 % der Betroffenen mussten ihr Fahrzeug stehen las sen. Jetzt tun Sie so, als hätten Sie mit diesen Regeln nichts zu tun.

(Abg. Sascha Binder SPD: So ein Quatsch!)

Im Übrigen erfolgte selbst die Vorbereitung dieser Maßnah me noch unter Grün-Rot; auch die SPD war also beteiligt. Das ist die Situation.

Wir handeln auf der Grundlage von gesetzlichen Vorgaben, von Messwerten,

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU – Ge genruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

und wir tun alles – auch das ist im Koalitionsvertrag ganz ein deutig festgelegt –, um die Luft so schnell wie möglich sau

ber zu machen. Wir tun alles, um Mobilität im ganzen Land zu sichern – einschließlich der Lebensqualität und des Ge sundheitsschutzes. Und dazu sind eine ganze Reihe von Maß nahmen notwendig, u. a. auch ein optimiertes Messen.

Wie sieht es aus? Eigentlich lautet das Thema dieser Debatte: Wo wird überall gemessen? Was wird gemessen? Das will ich Ihnen auch einmal sagen.

Die meisten Messstationen, an denen bis heute gemessen wird, sind in der Zeit aufgestellt worden, als auch die FDP/DVP noch in der Regierung war. Damals hatten Sie an den Mess stationen nie etwas auszusetzen. Die Zahl der Messstationen im ganzen Land betrug bis zum letzten Jahr 70 – grob zehn, zwölf in Stuttgart.

In diesem Jahr sind noch 40 Stationen im Land dazugekom men, weil überall im Land Bürgerinnen und Bürger sagen: „Bei uns wird nicht gemessen. Da ist die Luft auch dreckig. Messt einmal nach, ob die Luft überhaupt sauber genug ist.“ Das heißt, anders als hier im Landtag haben Menschen Sor gen um ihre Gesundheit und klagen auch an, dass die Politik nicht genügend tut. Hier hat man eher den Eindruck, die größ te Sorge gelte dem Diesel und nicht der Gesundheit.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Winfried Mack CDU: Unsinn!)

Der Koalitionsausschuss hat vereinbart, dass wir in Stuttgart und im ganzen Land weitere Messstationen aufstellen. Wir werden also über 40 weitere Messstationen aufstellen. Am En de werden es 53 Messstationen allein in Stuttgart sein. Wir sind da mitten im Aufbau. Auch da muss man sagen: Nicht je de lässt sich einfach aufstellen, sondern man muss auch Vor bereitungen treffen, Stromleitungen legen usw.

(Zurufe der Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los] und Jochen Haußmann FDP/DVP)

Aber wir sind da hart dran und machen das. Wir führen auch weitere Messungen in Reutlingen, Heilbronn und Ludwigs burg durch. Wir stellen Passivsammler auf, die uns ein Profil an den Straßen über die Schadstoffbelastung geben. So kann man sagen, dass wir demnächst im ganzen Land über 150 Pro benahmestellen haben werden und an über 150 Stellen schau en: Wie ist die Luftbelastung? Dann bekommen wir ein ziem lich klares Bild.

Was wir heute schon sagen können – das ist jetzt ganz aktu ell –: Die EU hat zur Überprüfung der Luftqualitätsrichtlinie das zuständige österreichische Bundesamt und den TÜV Ös terreich beauftragt, die Messstationen in verschiedenen Län dern in Europa daraufhin zu überprüfen, ob sie rechtskonform sind, ob die Beschreibung, was zu tun ist, wie man aufstellt, passend ist und ob es bei einer Novellierung der Luftqualitäts richtlinie zu Veränderungen kommen kann.

Für mich und für uns ist es schön, dass man auch baden-würt tembergische Messstationen überprüft hat. Die sind völlig kor rekt; wenn es alle so machen würden, wäre das beispielhaft. Dabei sind übrigens auch die Messstationen am Neckartor und in Bad Cannstatt.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Hört, hört! – Zuruf: Pragsattel!)

Wir haben außerdem gerade die Überprüfung durch den TÜV Rheinland in Deutschland in Arbeit. Wir erwarten die Ergeb nisse Ende April, Anfang Mai. Ich bin da sehr zuversichtlich.

In letzter Zeit gab es mal den Fall, dass an der Pragstraße ei ne Messstation nicht korrekt aufgestellt war.

(Zuruf: Ja so was!)

Das ist wahr. Die Messstation ist aufgestellt worden, als dort noch ein Haus stand. In der Zwischenzeit ist das Haus abge rissen worden. Jetzt wurde auch die Messstation abgebaut. Das war der einzige Fall. Daran sieht man einfach: Die Stadt verändert sich. Dementsprechend werden auch Veränderun gen bei den Messstationen vorgenommen.

Wir haben die Messstationen jetzt so aufgestellt, dass wir ein gutes Bild an den hauptbelasteten Straßen bekommen. Das ist die B 14. Dabei sind das Neckartor, die Hohenheimer Straße, die Pragstraße und der Bereich vor dem Hauptbahnhof. Wir werden ein schönes Profil bekommen. Wir messen auch in den Nebenstraßen und im Hintergrund in allen Stadtbezirken, da mit wir insgesamt ein klares Bild von der Stadt bekommen.

Ich sage es ganz deutlich, auch wenn Herr Rülke zehnmal das Gegenteil behauptet: Das Ziel ist nicht, so zu messen, dass wir Fahrverbote bekommen. Das könnte ich Ihnen vorwerfen, weil die Messstationen in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung auf gestellt worden sind. Nein, wir messen, um ein klares Bild zu bekommen und zu erfahren: An welcher Stelle muss man was tun, und wie viel muss man tun?

Wir können jetzt nach insgesamt drei bis vier Jahren aktiver Luftreinhaltepolitik mit einem gewissen Stolz feststellen: Suk zessive verbessern sich die Messwerte Jahr für Jahr. Beim Feinstaub haben wir es im letzten Jahr geschafft, die Grenz werte einzuhalten. Beim Stickoxid kann man schauen, wie man zu niedrigeren Werten kommt. Es sind immer noch über zehn Städte in Baden-Württemberg – aber immer weniger Städte –, die die Grenzwerte nicht einhalten.

In Stuttgart – das kann man sagen – sind die Strecken, auf de nen die Grenzwerte überschritten werden, kürzer geworden. Als wir angefangen haben – darauf ist auch eingegangen wor den – und die Zone vor drei, vier Jahren konstruiert worden ist, haben wir feststellen müssen, dass es auf den Hauptach sen gravierende Überschreitungen der Grenzwerte gab, aber dass die Grenzwerte auch auf Nebenstraßen überschritten wur den oder die Werte nur knapp darunter lagen. Auch in Voror ten wie Zuffenhausen und Weilimdorf hatten wir Grenzwert überschreitungen auf den Hauptstraßen. Das heißt, es gab in einer großen Fläche hohe Belastungen.

Daraus ist eben die Konzeption entstanden, dass wir die grü ne Umweltzone, die es ja auch überall gab – – Die haben Sie auch in der ganzen Stadt eingerichtet – obwohl es in Sillen buch, in Degerloch und in den anderen schönen Wohnlagen nicht so hohe Belastungen gab –, weil natürlich insgesamt al le Bereiche zur Schadstoffkonzentration beitragen. Deswegen haben wir mit der grünen Umweltzone, die Sie eingerichtet haben, genauso weitergemacht, wie Sie es gemacht haben. Das war damals auch angemessen und die sinnvolle Antwort.

Heute – das wissen wir – sind wir weiter. Die Werte sind bes ser. Die Zahl der Kilometer, auf denen die Grenzwerte über

schritten werden, ist geringer geworden. Heute kann man auch über andere Regelungen nachdenken; keine Frage. Wenn ich in einer Nebenstraße deutlich unter den Grenzwerten bin, ha be ich nicht mehr die Situation von vor drei, vier Jahren, als man durch Verlagerungen sofort in den Nebenstraßen über die Grenzwerte gekommen wäre.

Das nehmen wir so an und berücksichtigen das. Aber all die se Verbesserungen sind nicht von selbst gekommen. Wesent lich waren die bwtarif-Reform und die VVS-Tarifreform als Voraussetzungen zum Umsteigen – also günstige Tarife – so wie die Tatsache, dass wir in Stuttgart mehr Buslinien, mehr und verlängerte Straßenbahnen haben, dass wir den Takt der S-Bahn verbessern,

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

dass wir Metropolexpresszüge fahren lassen. Wir drängen üb rigens auch darauf, dass die Leute umsteigen bzw. andere Au tos kaufen, dass an den Straßen – um ein Beispiel zu nennen – innovative Maßnahmen wie Luftabsaug- und -reinigungs anlagen von MANN+HUMMEL – 17 an der Zahl – schon auf gestellt werden. Wir werden weitere aufstellen.

Das alles hat dazu beigetragen, dass die Luft insgesamt deut lich besser geworden ist. Jetzt müssen wir diese neuen Werte auch in unsere Modellrechnung einbeziehen. Wir werden si cherlich noch ein bisschen warten müssen, bis wir solide und valide Zahlen für dieses Jahr haben. Aber man kann schon sa gen, die erste Botschaft, die wir haben, ist: Es wird weiterge hen wie bisher. Es wird tendenziell besser. Und das ist auch gut so.

Meine Damen und Herren, durch Messen allein wird die Luft nicht besser, sondern durch Maßnahmen. Die haben wir er griffen. Ich glaube, die sinkenden Werte machen Hoffnung und ermöglichen das, was heute in Form eines Antrags vor liegt. Wir können Fahrverbote für Euro 5 unter bestimmten Bedingungen vermeiden: