Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

CDU: Norbert Beck, Dr. Alexander Becker, Thomas Blenke, Klaus Bur ger, Thomas Dörflinger, Konrad Epple, Arnulf Freiherr von Eyb, Mari on Gentges, Fabian Gramling, Friedlinde Gurr-Hirsch, Manuel Hagel, Sabine Hartmann-Müller, Raimund Haser, Peter Hauk, Ulli Hockenber ger, Isabell Huber, Karl Klein, Wilfried Klenk, Joachim Kößler, Sabine Kurtz, Siegfried Lorek, Winfried Mack, Claudia Martin, Christine Neu mann-Martin, Claus Paal, Julia Philippi, Dr. Patrick Rapp, Nicole Raza vi, Dr. Wolfgang Reinhart, Karl-Wilhelm Röhm, Karl Rombach, Volker Schebesta, Dr. Stefan Scheffold, Dr. Albrecht Schütte, August Schuler, Willi Stächele, Stefan Teufel, Tobias Wald, Guido Wolf, Karl Zimmer mann.

Hinsichtlich des Antrags Drucksache 16/5885 (Geänderte Fas sung) können wir sagen, dass dieser Antrag als reiner Be richtsantrag für erledigt erklärt werden kann.

Wir können nun in die Mittagspause eintreten. Da müssen wir Rücksicht nehmen auf – –

(Abg. Anton Baron AfD: Entschuldigung! Frau Kurtz!)

Bitte schön, Herr Abg. Baron.

Der Kollege Sänze möchte gern nach § 100 Absatz 1 – –

Entschuldigung, das hat te ich übersehen. – Bitte schön, Herr Abg. Sänze. Sie möch ten noch eine Erklärung zu Ihrem Abstimmungsverhalten ab geben.

Meine Damen und Herren, ich habe mit Ja gestimmt, weil ich es für eine höchst gefährliche Ten denz halte, wenn dieses Parlament jetzt schon einen Antrag zum Volksbegehren ablehnt. Das ist dieses Hauses unwürdig.

Gut. – Dann haben wir jetzt den Tagesordnungspunkt 2 insgesamt erledigt.

Wir treten in die Mittagspause ein. Sie dauert bis 14:30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:04 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:32 Uhr)

Meine Damen und Herren! Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Regierungsbefragung

Von der SPD-Fraktion wurde das erste Thema gemeldet:

U m g a n g d e r L a n d e s r e g i e r u n g m i t H a c k e r a n g r i f f e n i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Stickelberger das Wort.

Frau Präsidentin, sehr ge ehrter Herr Innenminister, meine lieben Kolleginnen und Kol legen! Drei große Hackerangriffe auf Landesbehörden – das Landesamt für Besoldung und Versorgung, das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung sowie die Staatsthea ter Stuttgart – haben in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Es wurde uns deutlich vor Augen geführt, welche Ge fahren mit der Digitalisierung einhergehen können. Wenn in nerhalb von anderthalb Jahren drei staatliche Einrichtungen in dieser Weise betroffen werden, drängt sich schon der Ein druck auf, dass die Behörden des Landes hierauf möglicher weise nicht ausreichend vorbereitet sind oder der zuständige Minister diese Bedrohungen unterschätzt.

Die Kommunikation des Innenministers hierzu lässt vermu ten, dass von den tatsächlichen Hackerangriffen nur die Spit ze eines Eisbergs zu sehen ist. Es wird immer betont, dass die Dunkelziffer im Bereich der Cyberattacken auf Unternehmen und Behörden viel höher sei. Die komplette Kapitulation vor dieser Art von Bedrohung wäre es für uns, wenn sich die Re gierung, das Land erpressen ließe und tatsächlich bereit wäre, Lösegeld zu zahlen. Was wir vermissen, ist eine Gesamtstra tegie gegen solche Angriffe.

Vergangene Woche wurde bestätigt, dass zumindest im Fall des Hackerangriffs auf die Staatstheater Lösegeld vom Land

gezahlt wurde. Der Herr Ministerpräsident hat behauptet, das Land sei nicht erpressbar. So weit gut. Aber das Innenminis terium hat das Ganze relativiert und verlauten lassen, dass ei ne Lösegeldzahlung immer im Einzelfall entschieden und ge nau abgewogen werde.

Wir wollen von Ihnen wissen – das wäre unsere Frage, Herr Minister –: Welche Maßnahmen ergreifen Sie gegen solche Hackerangriffe, und wie ordnen Sie da im Hinblick auf die Erpressbarkeit des Landes Lösegeldzahlungen ein? Wie hoch ist die Dunkelziffer, und womit müssen nach Ihrer Schätzung Unternehmen und öffentliche Verwaltung in diesem Land rechnen?

Vielen Dank. – Für die Lan desregierung erteile ich Herrn Minister Strobl das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Kollege Stickelberger, zu nächst möchte ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie dieses wichtige Thema hier ansprechen und wir Gelegen heit haben, im Landtag von Baden-Württemberg über dieses zentrale und wichtige Thema zu sprechen.

Bei einem will ich Sie wirklich beruhigen, Herr Abg. Stickel berger, wenn Sie sagen, dass der Innenminister die Gefahren, die hier drohen, möglicherweise unterschätze. Da kann ich Ih nen nur klipp und klar sagen: Dem ist nicht so. Kaum etwas beschäftigt mich mehr, und wenn ich Ihnen einmal eine Ein ordnung geben darf, nur damit Sie ein bisschen erspüren kön nen, welche Dimension das Thema für mich persönlich hat – –

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wenn das Gelächter bei den Abgeordneten der SPD-Frakti on, die hinter Herrn Stickelberger sitzen, vielleicht – –

(Abg. Gabi Rolland SPD: Wir überlegen uns nur, was Sie am meisten beschäftigt! Was beschäftigt Sie am meisten?)

Ja, das ist aber eigentlich kein lustiges Thema,

(Abg. Gabi Rolland SPD: Nein!)

sondern es ist ein sehr ernstes Thema.

(Abg. Gabi Rolland SPD: So ist es! Genau deswe gen! Es gibt offensichtlich viele ernste Themen, die für Sie höchste Priorität haben!)

Offensichtlich ist es für Sie nicht so ernst, sondern Sie ma chen lieber Ihre Witzchen. Aber Herrn Abg. Stickelberger un terstelle ich mal, dass ihn das Thema ernsthaft interessiert – den Rest bei der SPD offensichtlich nicht.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Bei den Themen Cyberkriminalität, Cybercrime, Cybersabo tage, Cyberspionage, Cyberwar liegt für mich die sicherheits politische Herausforderung in der Dimension der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terror.

Die Bedrohung im Bereich Cyber wird rasant zunehmen. Je mehr wir digitalisieren, umso angreifbarer werden wir auf der anderen Seite. Die Thematik insgesamt in der Gesellschaft, auch in Teilen der Wirtschaft – insbesondere bei mittelständi schen und kleineren Unternehmen – scheint mir völlig unter schätzt zu sein. Wir im Innenministerium unterschätzen diese Thematik nicht, sondern für uns ist sie ein zentraler Bestand teil.

Unsere Welt – die private, die geschäftliche – ist zunehmend durch Digitalisierung geprägt. Natürlich bringt die Digitali sierung viel Gutes, viele Errungenschaften mit sich. Vieles, was wir uns vor zehn Jahren noch nicht hätten erträumen kön nen – denken Sie etwa an die Digitalisierung in der Medizin und vieles Segensreiche, was damit verbunden ist –, ist heute bereits Realität. Allerdings: Die damit einhergehenden Her ausforderungen sind ebenfalls sehr groß.

Es gibt natürlich noch mehr als ein Handlungsfeld. Zunächst hat für uns der Schutz von uns selbst – denken wir an die lan deseigenen Netze – eine gewisse Priorität; denken Sie bei spielsweise an unsere Sicherheitsbehörden. Deswegen habe ich auch entschieden, dass wir die Aufnahmen der Bodycams nicht auf einen Server bei Amazon stellen, sondern das mit großem Aufwand und zugegebenermaßen mit einem gewissen zeitlichen Verzug auf landeseigenen Polizeiservern machen, die gar keine Schnittstelle zum Internet haben und damit – je denfalls nach menschlichem Ermessen – nicht zu hacken sind.

Dabei gilt es natürlich nicht nur, die technischen Maßnahmen zu treffen, die auf der Höhe der Zeit sind, sondern es sind eine Reihe von strategischen Überlegungen, die uns beschäftigen. Wir etablieren an unseren IT-Standorten und in den Ressorts, Dienststellen und Einrichtungen die erforderlichen Prozesse, die wir an den Maßgaben des BSI, des Bundesamts für Sicher heit in der Informationstechnik, orientieren, um ein einheitli ches Niveau bei der IT-Sicherheit zu erreichen. Wir tun das in starkem Maße Seite an Seite mit dem Bund und auch mit an deren Ländern, mit denen wir Allianzen bilden, um den täg lichen Herausforderungen, die sich auf diesem Feld ereignen, optimal gerecht werden zu können.

Für den Fall erfolgreicher Cyberangriffe haben wir zentrale Melde- und Reaktionswege etabliert. Das gilt ebenso beim Schutz Kritischer Infrastrukturen; darüber haben wir im Feb ruar eine Debatte miteinander geführt, Herr Abg. Stickelber ger.

Unter der Leitung des CIO und unter Beteiligung der Fach kräfte sowie im Bereich der Strafverfolgungsbehörden mit der besonders hervorzuhebenden, bundesweit führenden Fach kompetenz in der Abteilung „Cybercrime und Digitale Spu ren“ innerhalb unseres Landeskriminalamts begegnen wir Si cherheitsgefahren hoch kompetent und mit aller Macht. Wir haben nicht nur mehr als hundert IT-Spezialisten und -Krimi nalisten in der entsprechenden Abteilung des LKA, die sehr stark unterwegs sind, sondern wir haben das auch in der Fläche, in allen Polizeipräsidien. Somit sind wir nicht nur zentral gut aufgestellt, sondern haben auch in der Breite, in den Polizei präsidien, durch IT-Kriminalisten Kompetenz.

Freilich müssen wir auch den Schutz der Unternehmen in un serem Land im Blick behalten. Anlässlich einer Studie des

Verbands Bitkom sagte dessen Präsident Achim Berg vor ei nigen Monaten:

Die deutsche Industrie steht unter digitalem Dauerbe schuss... Qualität und Umfang der Cyberangriffe werden weiter zunehmen.

Und sie werden immer professioneller. Dem ist nichts hinzu zufügen.

Einen wichtigen Schritt für kleine und mittlere Unternehmen haben wir mit unserer Cyberwehr in Karlsruhe getan. Damit, Herr Abg. Stickelberger, begehen wir absolutes Neuland. Sie werden Vergleichbares im Rest der Republik nicht finden. Nach unseren Recherchen gibt es so etwas europaweit und wahrscheinlich auch weltweit nicht.

(Zuruf von der SPD)

Es gibt auf der ganzen Welt aber auch nur ganz wenige Regi onen mit einem derart starken Mittelstand, wo Familienbetrie be und Handwerk eine so große Rolle spielen wie bei uns und beispielsweise für so viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze Verantwortung tragen.

Deswegen haben wir die Cyberwehr eingerichtet. Die Cyber wehr soll nicht Daimler oder Bosch bei Cyberangriffen hel fen – diese Unternehmen können das selbst. Die Cyberwehr soll dem Mittelständler, dem Handwerker, dem Gewerbetrei benden, dem Arzt, dem Zahnarzt, dessen Dateien aus seinem System abgezogen werden, eine unmittelbare Hilfe sein – so wie die Feuerwehr eine Hilfe ist, wenn es in der Praxis oder in der Kanzlei brennt.