Und wenn eine grün geführte Regierung 2012 diese Aussage traf und eine grün geführte Regierung 2019 kein Volksbegeh ren über einen gebührenfreien Kitabesuch zulassen will, kann man das nur noch mit politischer Persönlichkeitsspaltung er klären.
Wenn eine Partei, die sich wieder und wieder die direkte De mokratie auf die Fahnen schrieb, eine Partei, die ausdrücklich den Weg unterstützte, den wir jetzt gehen, wenn diese Partei aus tagespolitischen, taktischen Erwägungen ihre Grundsätze versenken würde, dann wäre das ein Super-GAU für die po litische Glaubwürdigkeit dieser Partei. Es würde bedeuten, dass diese Partei, die in diesem Land noch nicht mal 40 Jah re alt ist, schon ihre eigenen Wurzeln verbrennt, dass sie Angst hat vor dem eigenen Volk. Das würde bedeuten, dass Sie sich nicht nur über die Landesverfassung, sondern auch über das Grundgesetz hinwegsetzen. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Es geht schlicht und einfach darum, dass wir direkte Demo kratie in der Art und Weise ermöglichen, wie sie in unseren Gesetzen steht. Wer direkte Demokratie aber nur in Sonntags reden predigt und im Alltag unmöglich machen will, der steht nicht für Volksbegehren, sondern für Volksverdummung. Ich schließe mich daher dem Appell von „Mehr Demokratie“ an und fordere alle Abgeordneten des Hauses heute auf: Halten Sie Ihr Versprechen von 2015, und bekennen Sie sich zur di rekten Demokratie.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heu te die vorgezogene Initiative der SPD mit dem Titel „Endsta tion direkte Demokratie“. Also, über den Titel musste ich schon ein wenig schmunzeln.
Liebe Antragstellerinnen und Antragsteller der SPD, Sie ha ben sich in der Wortwahl vergriffen; denn im Augenblick wird Ihr Antrag zum Volksbegehren vor dem Verfassungsgerichts hof auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft. Das ist ein ganz normaler Vorgang in einem Rechtsstaat.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Wolf gang Reinhart CDU zur SPD: Respekt bitte! Kei- ne Besserwisserei! Respekt vor dem Verfassungsge richt!)
Hier das Bild eines Friedhofs, eines Grabes für die direkte De mokratie heraufzubeschwören, ist wirklich an den Haaren her beigezogen; im Gegenteil, schließlich gelten die Gesetze, die wir Grünen gemeinsam mit Ihnen,
(Abg. Andreas Stoch SPD: Dann halten Sie sie doch ein! Deswegen müssen wir ja klagen! – Weitere Zu rufe von der SPD)
Seitdem haben wir an dieser Gesetzeslage nichts geändert. Deshalb wirkt es etwas verzweifelt, wenn die SPD jetzt ver sucht, eine rein verfassungsrechtliche Entscheidung zu einem Politikum zu machen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Da muss ich den Grünen ausnahmswei se einmal recht geben! – Abg. Andreas Stoch SPD: Auf welcher Seite stehen Sie?)
Seit der Absenkung der Quoren für die kommunalen Bürger begehren und Bürgerentscheide ist die direkte Demokratie in den Gemeinden deutlich gestärkt worden. Schon vor der an stehenden Evaluation ist erkennbar: Die Änderungen wirken. Ja, Herr Stoch, wir haben in Baden-Württemberg mehr De mokratie.
2017 wurden in Baden-Württemberg 50 Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene beantragt, 2016 waren es sogar 80. Hin gegen waren es in den Jahren vor der Reform jeweils nur um die 20 Anträge jährlich. 2016 sind 19 Bürgerentscheide im Sinne des Begehrens oder bereits vorweg durch einen entspre chenden Gemeinderatsbeschluss entschieden worden,
(Lachen des Abg. Andreas Stoch SPD – Abg. Stefan Räpple AfD: Aber nicht auf Landesebene, Frau Kol legin! – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Es geht um das Land!)
Die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg können sehr wohl mitentscheiden. Gemeinsam haben wir damals auch die Hürden für die direkte Demokratie auf Landesebene ge senkt.
Ich sehe daher nicht, dass sich die direkte Demokratie an ei ner Endstation befinden würde; im Gegenteil: Sie ist im Auf wind,
Das ist damals mit Ihrer Zustimmung unter einer anderen po litischen Konstellation beschlossen worden, und heute reden Sie Ihre eigenen politischen Projekte schlecht.
(Abg. Andreas Stoch SPD: Sagen Sie mal! Sie haben ja gar nicht zugehört! Sie haben aber nicht zugehört!)
Warum tut die SPD das? Das Innenministerium hat das Be gehren rechtlich und sachlich geprüft und ist somit seiner ihm nach der Landesverfassung obliegenden Aufgabe nachgekom men.
Das respektieren wir. Es geht hier um komplizierte Rechtsfra gen. Beim Haushalt handelt es sich um das Königsrecht des Parlaments.
Daher enthalten auch sämtliche Landesverfassungen Ein schränkungen. Juristisch umstritten ist aber, wann das Etat recht des Parlaments berührt ist. Es ist doch gut, dass der Ver fassungsgerichtshof diese Fragen klärt und sich mit der Reich weite des Etatrechts des Parlaments in Baden-Württemberg befasst. Da wünsche ich mir in der Diskussion – vor allem von Ihnen, von der SPD – mehr Sachlichkeit.
(Zurufe der Abg. Sascha Binder und Andreas Stoch SPD – Heiterkeit der Abg. Winfried Mack und Dr. Wolfgang Reinhart CDU – Unruhe)
Meine Damen und Herren, Frau Abg. Erikli hat recht, und sie hat das Wort. Ich bitte um etwas mehr Ruhe. – Danke.