Protokoll der Sitzung vom 05.06.2019

Ein Wissenschaftler benötigt vier Dinge: erstens einen Kopf zum Denken, zweitens Augen zum Sehen, drittens Geräte zum Messen, und viertens – Geld.

Diese Worte sind nicht meinem Geist entsprungen; sie wer den Albert Szent-Györgyi zugeschrieben, der 1937 für seine Erkenntnisse über die Bedeutung von Vitamin C für die Ge sundheit des Menschen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist – und wahrscheinlich wegen seines schwer auszu sprechenden ungarischen Namens eher selten zitiert wird.

Inhaltlich trifft dieses Zitat den Kern der heutigen Debatte: Wissenschaft braucht Geld, Lehre braucht Geld, Hochschu len brauchen Geld. Warum? Weil es bei Bildung, bei For schung und Innovation um nicht weniger geht als um die Zu kunft unseres Landes, die Zukunft unserer Kinder und Enkel. In Zeiten rasanter Innovationszyklen werden die Herausfor derungen nämlich nicht geringer. Womöglich ist ein Teil des erlernten Wissens der heutigen Studierenden schon veraltet, wenn diese morgen ins Berufsleben eintreten. Wir brauchen also sehr gute Hochschulen und exzellente Forschung, wenn wir Innovationsnation bleiben wollen. Wir müssen Bildung, Forschung und Innovation als Zukunftsthemen allerersten Ranges betrachten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Die Wissenschaftspakte, die morgen abgeschlossen werden sollen, sind Ausdruck der Bedeutung, die diesem Themenfeld zukommt. Mit dem „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stär ken“ sollen bis 2023 jährlich rund 3,8 Milliarden € und ab 2024 rund 4,1 Milliarden € zur Förderung von Studium und Lehre zur Verfügung gestellt werden. Bund und Länder sol len die Kosten je zur Hälfte tragen.

Hier steigt der Bund in die Grundfinanzierung der Hochschu len – eine originäre Aufgabe der Länder – mit dem Ziel ein, finanzielle Planungssicherheit und damit die Grundlage für die Ausweisung unbefristeter Stellen zu schaffen.

Die Mittel aus dem Pakt für Forschung und Innovation kom men den außeruniversitären Forschungseinrichtungen zugu te: der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den vier gro ßen Forschungsinstitutionen Fraunhofer-Gesellschaft, Helm holtz-Gemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft und Max-PlanckGesellschaft. Mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem jährlichen Mittelaufwuchs von 3 % sorgt dieser Pakt für sta biles Wachstum und Planungssicherheit.

Über die Vereinbarung „Innovation in der Hochschullehre“ werden dann für die Weiterentwicklung der Hochschullehre jährlich 150 Millionen € bereitgestellt. Von 2024 an sollen sich die Länder mit 40 Millionen € je Jahr an der Finanzie rung beteiligen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie es mich offen sagen: Bei den Wissenschaftspakten geht es um Geld, geht es um viel Geld, um Geld des Bundes und um Geld der Länder, die sich verpflichten, über das bisherige Maß hinaus zu inves tieren. Ich halte das für richtig.

Zum einen ist Baden-Württemberg ein forschungs- und inno vationsstarkes Land, dessen Hochschulen und Forschungsein

richtungen besonders von den Pakten profitieren, zum ande ren ist das Geld, das in unsere Hochschulen, in Wissenschaft und Forschung fließt, eine enkelgerechte Investition in die Zu kunft, in Innovation und Fortschritt.

Bei den anstehenden Verhandlungen zur Hochschulfinanzie rung – Kollege Salomon hat schon darauf hingewiesen – ha ben wir die Chance, das umzusetzen, befristete Stellen in un befristete umzuwandeln, Programmmittel in Grundfinanzie rung zu überführen, Verlässlichkeit zu schaffen, neuen Auf gabenstellungen Rechnung zu tragen. Hier wäre das Geld rich tig angelegt, damit die Wissenschaftler im Sinne des eingangs gebrachten Zitats von Albert Szent-Györgyi Kopf, Augen, Ge räte und – gestatten Sie mir diese Ergänzung – ihr redliches Bemühen unserer gemeinsamen Zukunft widmen können.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr schön!)

Herr Abg. Räpple, bitte, für die AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, wer te Kollegen! Morgen werden drei Verträge von der Bundes kanzlerin und von den 16 Regierungschefs der Länder unter zeichnet, und heute reden wir zum ersten Mal öffentlich dar über. Also, die Presse hat jetzt einen Tag Zeit, die Bürger da rüber zu informieren, wohin zig Milliarden Euro ihres Steuer gelds fließen sollen.

(Abg. Marion Gentges CDU: Völlig zu Recht!)

Wenn das die Transparenz ist, die in Ihrer parlamentarischen Demokratie, die Sie ja immer so hochhalten, gegeben sein soll,

(Zuruf von den Grünen: Im Gegensatz zu Ihnen!)

dann kann ich wirklich nur sagen: Das ist beschämend, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])

Aber das entspricht genau dem Eindruck einer Scheindemo kratie,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Hoi, hoi, hoi!)

einer Fassadendemokratie, den Sie immer weiter aufrechter halten möchten, damit Sie hier so viel Geld wie möglich aus dem Bürger pressen können, um Ihre Diäten jedes Jahr schön zu erhöhen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Wenn es eine Scheinde mokratie wäre, wären Sie nicht hier im Parlament!)

Das ist Ihr einziges Ziel in diesem gesamten Theater hier, mei ne Damen und Herren.

Heute wird darüber diskutiert – davor war es vor uns Parlamen tariern geheim zu halten –, und schon morgen wird das unter zeichnet. Wo ist hier die Kontrolle des Parlaments über die Regierung? Das frage ich Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])

Ich als gelernter Konditor gehe sehr pragmatisch an die Poli tik heran, was manchem vielleicht nicht gefällt, weil meine Sprechweise oder meine Art, mich zu artikulieren, nicht dem akademischen Stil entspricht, sondern eher die Stimme des Volkes repräsentiert.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Lachen bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Was für ein Witz!)

Diese politisch korrekte Sprache, dieses Pamphlet, das wir be kommen haben – – Diese drei Verträge, z. B. der „Zukunfts vertrag Studium und Lehre stärken“, sind ja nur so gespickt mit Phrasen, inhaltslosen Euphemismen und einer Selbstbe weihräucherung sondergleichen.

Ich gebe ein paar Beispiele: Dort wird von Chancengleichheit gesprochen – Chancengleichheit für Frauen z. B. im Wissen schaftsbetrieb. Aber das, was Sie hier bezwecken wollen, ist eine Ergebnisgleichheit, und das ist das Gegenteil von Chan cengleichheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die grundlegenden Fragen: Hier wird viel Geld verteilt, hier wird gesagt, wie viele Milliarden wohin fließen, was hier aus gegeben werden soll. Es werden also nur wieder quantitative Fragen gestellt. Aber wo bleibt die Qualität? In diesem Ver trag wird sehr oft das Wort „Qualität“ benutzt. Aber letztend lich geht es nur um Geld – so, wie Sie es auch gesagt haben: In der Wissenschaft geht es um Geld. Wenn ich so etwas schon höre!

(Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜNE)

Sie reproduzieren ja diesen falschen Gedanken. Es geht gera de um die Qualität unserer Wissenschaft, meine Damen und Herren. Und da gibt es ein wichtiges wissenschaftliches Prin zip, ausgearbeitet von Karl Popper: die Falsifikation.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Hat der auch schon Ku chen gebacken?)

Falsifikation bedeutet: Wenn im Rahmen der empirischen For schung eine Theorie aufgestellt wird, ist, wenn es nur einen einzigen Gegenbeweis zu ihr gibt, die gesamte Theorie für nichtig erklärt. Wenn man z. B. sagt: „Alle Schwäne sind weiß“, und man einen schwarzen Schwan findet, dann ist die Theorie „Alle Schwäne sind weiß“ falsch.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Und wenn alle Schwäne schwarz sind?)

Vielleicht sind Sie nur noch hier in diesen Gebäuden oder am Buffet anzutreffen. Deswegen gebe ich Ihnen jetzt einmal als Politiker hier

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Eine Lehrstunde!)

ein Beispiel aus Ihrem Leben, an dem Sie das vielleicht nach vollziehen können.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ersparen Sie uns das!)

Wenn ich z. B. sagen würde: „Alle grünen Politiker haben kein Gehirn“,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

dann mag das vielleicht, wenn man Sie so betrachtet, offen sichtlich eine gute Theorie sein, die auch valide ist. Aber wenn ich jetzt z. B. Herrn Palmer sehe – bei ihm ist noch ein An flug von Resthirn da –, dann hat sich meine gesamte Theorie widerlegt, und die Theorie „Alle Grünen haben kein Gehirn“ wäre damit falsch.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das ist beleidigend! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist beleidi gend! Ich muss mich nicht beleidigen lassen! – Abg. Nicole Razavi CDU: Das ist völlig niveaulos! – Abg. Andreas Stoch SPD: Was ist das denn für ein Kasper letheater hier?)

Das ist das Prinzip der Falsifikation. Ich übertrage das jetzt einmal auf den Klimawandel. Wenn 97 % der Wissenschaft ler sagen: „Der Klimawandel ist menschengemacht“, aber 3 % sagen – und haben das auch empirisch bewiesen –, dass dem nicht so ist,

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

dann ist das nicht so wie in der Demokratie, dass plötzlich die 97 % die 3 % „kaputt machen“.

(Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)