Ich will etwas zurückdenken: Was hat eigentlich den Erfolg der baden-württembergischen, der deutschen Automobilindu strie ausgemacht?
Die baden-württembergische Automobilindustrie stand für ho he Qualität, für beste Technik und für viele Innovationen. Man könnte auch sagen: Vorsprung durch Technik, durch Qualität und durch Innovation.
Das ist inzwischen – das werden Sie zugeben – Geschichte, und zwar nicht, weil die baden-württembergische Industrie schlechter geworden wäre, sondern weil andere besser gewor den sind,
weil andere neue Technologien entwickelt haben. Der jahr zehntelange Vorsprung ist also zunehmend aufgebraucht. Man kann sagen: Manche Unternehmen laufen schon hinterher, an dere tun sich schwer, dass sie noch mitkommen, und einige sind durchaus vorn mit dabei. Aber es ist nicht ganz einfach, im globalen Wettbewerb noch Erfolge zu haben.
Das ist, denke ich, ziemlich deutlich geworden. Die Debatte, die jetzt gerade am Schluss wieder angeschlagen worden ist, für oder gegen ein Verbrennerverbot bzw. Verbrenner-Aus ab 2035 und was auch immer, greift meines Erachtens zu kurz. Denn offenkundig ist der deutsche Bestseller, der Verbren nungsmotor, kein Bestseller mehr.
Eine gute Technologie hat sich unter den Bedingungen besse rer, neuer Technologie überlebt. Aufgrund der Notwendigkeit des Klimaschutzes brauchen wir neue Technologien, die den Anforderungen von Mobilität und Klimaschutz gerecht wer den. Deswegen ist es, meine ich, so wichtig, diese Debatte zu führen und diese nicht verengt zu führen.
Wer nur den Horizont des Ländles, der deutschen Automobil industrie oder des Verbrenners hat, der wird, denke ich, nicht verstehen, wie die internationalisierte Automobilindustrie funktioniert.
Denn was sich seit den Jahrzehnten, als Deutschland da füh rend war, sehr verändert hat, ist, dass die Automobilindustrie wie keine andere Industrie internationalisiert und globalisiert ist.
Dazu möchte ich Ihnen gern ein paar wirklich schlichte Da ten und Fakten präsentieren, die einem eigentlich zu denken geben müssten, weil unsere Debatten zum Teil an der globa len Entwicklung vorbeigehen.
(Abg. Anton Baron AfD: Ihre insbesondere! – Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Den Eindruck habe ich auch!)
Die Automobilindustrie hat in den letzten Jahren der 2010erDekade darauf gesetzt, dass man global ungefähr 100 Millio nen Autos absetzen kann. Das heißt, die Produktion wurde global auf 100 Millionen Fahrzeuge pro Jahr ausgebaut.
Inzwischen haben wir 80 Millionen Fahrzeuge pro Jahr. Das heißt, die globale Autoindustrie hatte sich komplett verschätzt, was der Abkauf, was der Markt hergibt und wie er sich ent wickelt. Deswegen ist sozusagen die verkürzte Darstellung, wir hätten in Deutschland eine Krise der Automobilindustrie, weil es die Elektroprämie nicht mehr gebe oder sonst was, ei ne viel zu kurze Erklärung.
Tatsache ist, dass global eine Überproduktion da ist, dass glo bal Arbeitsplätze abgebaut werden, weil es diese Überproduk tion gibt. In Deutschland hat man es relativ spät gemerkt, aber das schlägt jetzt auch durch. Wie man sieht, tun sich einige Unternehmen mit ihren Produktionskapazitäten schwer.
Im letzten Jahr hatten wir also eine Kapazität von 80 Millio nen und übrigens nur 76 Millionen verkaufte Fahrzeuge; das heißt, im globalen Markt sind es über vier Millionen über schüssige Fahrzeuge, die jetzt Abnehmer suchen.
Zweitens gab es eine große Veränderung: Vor 20, 30 Jahren hat China im globalen Markt so gut wie keine große Rolle ge spielt. Heute ist China global der größte Markt, der bedeu tendste Markt. Man könnte auch andersherum sagen: Ent scheidend ist, was sich in China tut, nicht, was sich bei uns in Deutschland tut.
Mercedes-Benz setzt gerade noch 10 % seiner globalen Pro duktion in Deutschland ab. Das muss man sich mal vorstel len. Aber wir laufen immer im Bewusstsein herum, das sei ein schwäbischer Konzern, die meisten Schwaben fahren Merce des und das sei irgendwie ganz wichtig. Nein, andere Märkte sind inzwischen viel wichtiger. In China werden übrigens auch von deutschen Unternehmen sehr viele Autos produziert, auch von Mercedes, BMW, Audi, von VW, von allen. Ohne diese Produktion hätten sie im chinesischen Markt gar keine Chan ce gehabt. Sie mussten dort produzieren.
Auch das ist übrigens ein globaler Trend: dass man eigentlich nur dort Automobile verkaufen kann, wo man auch welche produziert. Das hat in Europa stattgefunden, das findet aber auch global statt.
Das heißt: Alle Unternehmen, die sich daran nicht orientieren, die sich daran nicht beteiligen, gehen ohnehin unter. Hätten
die deutschen Unternehmen das nicht gemacht, wären sie schon untergegangen. Wir haben seit Jahren davon gelebt, dass der chinesische Markt gewachsen ist, dass man dort im mer mehr verkauft hat, und jetzt schwächelt der chinesische Markt. Die Entwicklung in China als Hauptnachfragemarkt ist natürlich die Hauptursache dafür, warum das heute aus bleibt, und nicht, ob wir hier in Baden-Württemberg viele oder wenige Autos kaufen. Das sollte man einfach mal ins Kalkül ziehen.
Wir haben also einen gesättigten Markt, wir haben einen Wachstumseinbruch in China, wir haben festzustellen, dass von den deutschen Automobilen 75 % im Ausland produziert werden. 75 % werden schon im Ausland produziert. Man kann also sagen: Die Musik spielt woanders, und wer bei den De batten die globale Entwicklung außer Acht lässt, der kann kei ne Lösung für die Probleme finden, wenn er allein bezogen auf Deutschland darüber nachdenkt, was die Herausforderun gen und die Probleme sind.
Global gesehen – da sind sich die Experten ziemlich einig – ist die erste Herausforderung die Automatisierung der Produk tion und des Produkts. Das ist eine ganz neue Dimension; denn gerade für uns ist es wichtig: Wenn der Kostenrahmen in Deutschland relativ hoch ist, kann man nur gewinnen, wenn man relativ innovativ ist und automatisiert produziert, um die Kosten zu senken.
Aber auch das Produkt wird zunehmend automatisiert, also mit Software digitalisiert. Das „Software-Defined Car“ ist so zusagen das neue Leitbild in der gesamten Automobilindus trie. Das heißt, es ist ein ganz anderes Auto als das, was so zusagen aus den Jahrzehnten der alten Industrieproduktion stammt.
Global geht es übrigens auch sowohl um die Elektrifizierung des Motors, also des Antriebs, als auch um die Antriebsstof fe, die Kraftstoffe. Also, auch Brennstoffzellenantriebe wer den global entwickelt, auch die Wasserstoffverbrennung wird global entwickelt. Es ist also nicht so, dass weltweit nur eine Technologie entwickelt würde. Alle Wege werden beschrit ten, aber nicht alle Möglichkeiten werden überall eingesetzt, weil man einen sehr differenzierten Blick hat.
Die Digitalisierung des Produkts und seiner Nutzer sowie, wie Thomas Hentschel gesagt hat, die Einbindung des Produkts in ein Netzwerk von Informationen und damit auch eine ganz andere Nutzungsbestimmung des Autos im Rahmen eines glo balen Mobilitätsangebots schaffen neue Möglichkeiten und verändern das Auto natürlich gewaltig.
Nicht zuletzt noch einmal: Die Produktion hat sich nach einer Zeit, in der deutsche Unternehmen im Wesentlichen in ande re Länder exportiert haben, völlig verändert. Mittlerweile ist es so, dass sie auch außerhalb Deutschlands produzieren und zum Teil wieder Autos zurückimportieren, die z. B. in China produziert werden. Wer das nicht sieht, wer die Herausforde rungen nicht sieht, wird auch keine Erfolge für uns hier in Deutschland schaffen können.
Klar ist: Es geht um ziemlich viel. Es geht um Wertschöpfung, es geht um Arbeitsplätze. Tatsächlich ist die Automobilindu strie die größte industrielle Branche in Deutschland. Sie um
fasst noch immer 770 000 Arbeitsplätze – einschließlich der Zulieferer, die übrigens nicht nur Zulieferer für die deutsche Automobilendproduktion sind, sondern für alle. Die sind ja global unterwegs, und deswegen sind sie entweder global er folgreich oder halt auch global nicht mehr erfolgreich. Wer diese Veränderung nicht mitmachen kann, wird tendenziell tatsächlich untergehen. Das ist tatsächlich das Risiko, das vie le haben.
Es gibt noch einen großen Konsens: dass die Automobilindu strie sich verändern muss, dass sie die Transformation schaf fen muss. Die deutsche Automobilindustrie muss das schaf fen, wenn sie im globalen Wettbewerb mithalten will. Die Transformation ist ein Umbauprozess, der nur dann erfolg reich sein wird, wenn er auch sozialverträglich gestaltet wird. Also: Wir müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitnehmen; sie müssen das tragen können, wie übrigens auch die Kundschaft. Ein Prozess der Veränderung, der das igno riert, wird in jedem Fall scheitern. Das ist die große Heraus forderung sowohl der Unternehmen, des Managements, als auch der Politik: eine sozialverträgliche Veränderung zustan de zu bringen.
Die Abkehr von alten Technologien ist, denke ich, ziemlich zwingend. Das kann man nicht übersehen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass das viele noch nicht erkennen kön nen.
Ich will an dieser Stelle auch noch etwas zu dieser Debatte um das Verbrennerverbot sagen. Es war die EU, die in einem breiten Diskussionsprozess mit der europäischen Automobil wirtschaft, welche immer gesagt hat: „Schreibt uns keine Technologie vor“, eine Lösung gefunden hat, die da hieß – diese Debatte hat ja schon vor zehn, 15 Jahren stattgefunden –: Wir brauchen eine Perspektive, und diese Perspektive heißt: Wie schaffen wir das europäische Klimaschutzziel 2050,
nämlich null Emissionen im Verkehrssektor? Wie schaffen wir das? Da musste man sich natürlich Gedanken über die Frage machen: Wie schaffen wir es, dass die Autos bis dahin kli mafreundlich sind? Man hat dann rückwärts gerechnet und hat 2020 festgestellt: Normale Autos halten inzwischen ca. 15 Jahre, also muss 2035 die Produktion von klimaschädlichen Fahrzeugen aufhören. Man hat nicht gesagt: „Wir verbieten den Verbrenner“, sondern man hat gesagt: Wir setzen ein CO2Ziel, und dabei, wie sie dieses Ziel erreicht, ist die Automo bilindustrie völlig frei.
Da hat niemand etwas vorgeschrieben, so, wie Sie es immer wieder behaupten. Es gibt bis heute kein Verbrennerverbot, sondern es gibt einen CO2-Grenzwert, den alle getragen ha ben, übrigens – dies als Botschaft an die CDU – auch die CDU in der EU.