Protokoll der Sitzung vom 25.09.2024

Ja, wir haben dank der Bundesregierung im Bereich der digi talen Ausstattung an unseren Schulen viele Fortschritte ge macht. Das Land selbst hat lange Zeit viel zu wenig investiert, zweimal eine Bildungsplattform mit hohen Kosten an die Wand gefahren und bis heute das Thema IT-Administration an unseren Schulen nicht zufriedenstellend gelöst. Auch das ist nicht attraktiv.

Dieser Antrag – wie übrigens auch unser Antrag zur Lehrer arbeitszeit – zeigt, dass Sie überhaupt kein Interesse an einer fairen Arbeitszeiterhebung haben. Doch von attraktiven Ar beitszeiten hängt einiges ab. Sie sollten daher dem Vorschlag meiner Kollegin Katrin Steinhülb-Joos folgen und hierzu zeit nah zu einem runden Tisch einladen.

(Beifall bei der SPD)

Schließlich müssen Sie ehrlich prüfen, ob die Aufstiegsmög lichkeiten an unseren Schulen wirklich noch wettbewerbsfä hig sind. Kurz: Fragen Sie sich selbst, ob das Land unter die sen Bedingungen ein attraktiver Arbeitgeber ist. Die Zahlen sagen, es reicht nicht aus, Ihre Politik reicht nicht aus.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Nadyne Saint- Cast GRÜNE)

Bei der Lehrkräfteausbildung gehen Sie nun mit der anstehen den Einführung des Modellversuchs dualer lehramtsbezoge ner Masterstudiengänge einen neuen Weg. Wir unterstützen diesen Ansatz ebenso wie die Befreiung der Lehramtsstudi engänge von der Zweitstudiengebühr. Letzteres ist übrigens schon längst überfällig.

(Zuruf von der SPD: Allerdings!)

Dass hier die Qualität der fachlichen sowie der methodischdidaktischen Befähigung im Vordergrund stehen muss – das wurde auch von der GEW gefordert –, steht außer Frage. Das gilt übrigens auch für Quereinsteigerinnen und Quereinstei ger im Lehrberuf. Da sind die Rückmeldungen aus der Praxis auch nicht nur prickelnd. Um es mit den Worten eines Jugend lichen mir gegenüber aus der letzten Woche zu sagen: „Hat es drauf, kann es aber nicht vermitteln; bringt nichts.“

Konkret geht es also um ausreichende pädagogische Kompe tenzen, also darum, komplexe Sachverhalte altersgerecht zu vermitteln. Richtig an dem dualen Modellversuch ist, dass frühzeitig eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird. Das aller dings wirft immer mehr die Frage auf, ob wir mit Blick auf die derzeitigen Regelungen beim Referendariat eine erhöhte Vergütung auch für weitere Mangelfächer prüfen sollten.

Was ich ebenfalls nicht verstehe, Frau Staatssekretärin, ist, dass wir zwar immer wieder über die hohen Abbrecherzahlen diskutieren, aber noch immer nichts Konkreteres darüber wis sen. Eine Erfassung entsprechender Gründe lehnen Sie ab. Hier muss unseres Erachtens entgegengearbeitet werden und müssen bestehende Wege kritisch analysiert werden.

Was helfen kann, sind Maßnahmen wie „Cooperation Schu le–Hochschule“ – kurz: cosh – in Baden-Württemberg mit ih ren beiden Kernteams für Mathematik und Physik.

(Abg. Gabriele Rolland SPD: Genau! – Abg. Dr. Do rothea Kliche-Behnke SPD: Allerdings!)

Seit über 20 Jahren liefert durch ehrenamtliches Engagement getragene Arbeit konkrete Ergebnisse für einen besseren Stu dieneinstieg in MINT-Fächern und leistet auch einen wichti gen Beitrag gegen Studienabbrüche. Die Arbeit von cosh muss daher dauerhaft und verlässlich auf eine breitere und finanzi ell sichere Basis gestellt werden.

Natürlich, Frau Kollegin – da gebe ich Ihnen recht –, haben wir noch einen Weg zu gehen in Bezug auf MINT-Lehrerin nen. Hier gilt es im Übrigen auch, frauenspezifisch früh das Interesse zu wecken. Dr. Julia Freudenberg von der Hacker School in Hamburg hat dazu auf dem MINT-Gipfel der SPDLandtagsfraktion ein konkretes Beispiel ausgeführt. Sie hat mit Schülerinnen z. B. mithilfe von IT-Lösungen sensorge stützte Wasserspender für die Versorgung von Tieren entwi ckelt. Frauen, junge Frauen – so ihre These – wollen insbe sondere mit wertebezogenen Themen wie z. B. Tier- oder Um weltschutz angesprochen werden. Auch hier ist noch Luft nach oben.

Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusammen: Der MINTLehrkräftemangel ist eine Herausforderung für das Bildungs system und ein Problem für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Das Land geht hier neue Wege, um Interessen tinnen und Interessenten zu gewinnen, schafft es aber gleich zeitig nicht, ausreichend als Arbeitgeber attraktiver zu wer den. Wir sprechen Ihnen nicht ab, dass Sie sich bemühen. Aber Sie wissen auch, was „sich bemühen“ in einer Beurteilung heißt: Die Person ist zwar halbwegs motiviert, konnte aber mit ihren Fähigkeiten nicht überzeugen. Das ist zu wenig für unser Land.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Es folgt für die FDP/DVPFraktion Herr Abg. Dr. Timm Kern.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Lehrkräftemangel ist allgegen wärtig und ist eines der Hauptprobleme im baden-württem bergischen Bildungsbereich. Ich dachte, das würde niemand bestreiten – bis ich gerade eben meine grüne Vorsprecherin gehört habe.

Doch zur Wahrheit gehört: Dieser gravierende Lehrkräfteman gel ist nicht von heute auf morgen, also wie eine Pandemie, über unsere Schulen gekommen. Nein, er hat Gründe: allen voran den, dass die grün geführten Landesregierungen seit 13 Jahren keinerlei aktive Personalpolitik im Bildungsbereich be trieben haben. Stattdessen hieß es immer: „Wir fahren auf Sicht.“ Dass das nicht nachhaltig sein kann, dürfte eigentlich für jeden offensichtlich sein.

Dabei gilt: Natürlich können Fehler passieren. Was mich aber massiv stört, ist die Tatsache, dass seit Jahren alle Hinweise von uns, also der FDP/DVP-Fraktion, wie diese Fehler wie der beseitigt werden können, einfach ignoriert werden.

Beispiele gefällig? Gern. Schon seit Jahren fordern wir die deutliche Steigerung der Zahl der Studienplätze an den Päd agogischen Hochschulen. Der Numerus clausus, der hier gilt, verknappt noch zusätzlich künstlich das Angebot an Lehrkräf

ten in Grundschulen und SBBZ. Offensichtlich glaubt diese grün-schwarze Landesregierung ernsthaft, dass die Eins vor dem Komma im Abinotenschnitt das entscheidende Kriteri um ist, ob jemand eine gute Grundschullehrkraft ist. Deshalb bewegt sich seit Jahren einfach nichts in Sachen Abschaffung des NC an den PHs.

Weiteres Beispiel: Seit Jahren lehnt die grün geführte Landes regierung unsere Haushaltsanträge zur Beendigung der un würdigen Praxis der Sommerferienarbeitslosigkeit ab. Den Lehrberuf macht man so sicher nicht attraktiv für Nachwuchs kräfte. Sie werden nur dann wieder mehr Lehrkräfte für die Schüler an unseren Schulen bekommen, wenn Sie den Beruf des Lehrers wieder attraktiv machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Schwarz.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der Hauptverursacher dieser Misere ist aber Ministerpräsi dent Winfried Kretschmann. Für ihn war Bildung nie ein Her zensanliegen, dem er sich intensiv inhaltlich gewidmet hätte.

(Zuruf des Abg. Dr. Uwe Hellstern AfD)

Seit 2011 sieht er nur zu, dass sich Lehrkräfte, am Lehrberuf Interessierte und Studenten in Lehramtsstudiengängen auf na hezu gar nichts mehr verlassen können. Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die völlig falsche Forderung des Ministerpräsidenten im Jahr 2012, rund 11 600 Lehrerstellen abzubauen. Auch hier gilt: So eine Fehleinschätzung kann na türlich mal passieren; aber dann nicht offensiv gegenzusteu ern, wenn man auf seinen Fehler aufmerksam gemacht wird, ist fahrlässig, Herr Ministerpräsident.

Ich sehe bis heute nicht, dass diese Landesregierung das Pro blem in der Personalpolitik im Bildungsbereich wirklich ernst nimmt und an der Wurzel anpackt. Die Kultusministerin be schwichtigte stattdessen zu Beginn des neuen Schuljahrs, dass die Lehrkräfteeinstellungszahlen besser seien als im Vorjahr. Dabei erwähnt sie aber nur leise in Nebensätzen, dass die Schülerzahlen ebenfalls gestiegen sind, und laut Prognosen sollen diese in den kommenden Jahren weiter steigen.

Trotzdem gibt es nur hier und da – so würde man im Schwä bischen sagen – „Muggedabberle“, wie beispielsweise bei der neuen Möglichkeit eines Quereinstiegs in vielen Schularten. Doch auf ein nachhaltiges Personalkonzept warten unsere Schulen weiterhin leider vergebens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Grün-Schwarz, Sie müs sen endlich dieser völlig fehlgeleiteten Personalpolitik der letzten 13 Jahre ein Ende bereiten. Die Vorschläge der Freien Demokraten liegen dabei seit Jahren auf dem Tisch.

Erstens: Wir brauchen einen Ausbau von Studienplätzen und die Abschaffung des Numerus clausus an den PHs.

Zweitens: Wir brauchen eine nachhaltige Personalentwick lungspolitik im Bildungsbereich, die gute Leistungen belohnt und die Sorgen der Lehrkräfte ernst nimmt.

Drittens: Wir brauchen die Beendigung der unwürdigen Pra xis der Sommerferienarbeitslosigkeit von Referendarinnen und Referendaren.

Viertens: Wir brauchen das Ende einer ideologisch fehlgelei teten Bildungspolitik, die die Probleme vor Ort verstärkt.

Stattdessen fordern wir Freien Demokraten eine Bildungspo litik, die sich an der Praxis der Schulen orientiert und somit den Beruf des Lehrers wieder attraktiv macht. Es wäre im Sin ne der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler in un serem Land, wenn die Landesregierung endlich aufhört, die Ohren auf Durchzug zu stellen, und sich stattdessen tatkräf tig an den Forderungen der Praktiker orientiert.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kol legen, über die zeitliche Verlegung der ursprünglich auf 14:00 Uhr anberaumten Ausschusssitzungen sind Ihre Büros von den Ausschussvorsitzenden bereits informiert worden. Ich gebe aber am Ende der Sitzung noch einmal konkrete Hinweise.

Jetzt folgt die Stellungnahme der Landesregierung. Ich darf Frau Staatssekretärin Boser das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema MINT spielt bei uns in Baden-Württemberg schon sehr lange eine intensive Rolle. Ich kann beispielsweise auf die Reform zu rückblicken, als die Oberstufe neu ausgerichtet wurde. Schon da hatten wir einen Schwerpunkt auf die Naturwissenschaf ten gelegt.

Wir haben in Baden-Württemberg natürlich einen hohen An spruch und ein großes Interesse daran, dass die MINT-Fächer und die MINT-Berufe bei uns im Land gestärkt werden. Denn sie sind entscheidend für unseren Wirtschaftsstandort, ent scheidend für den technischen Fortschritt, entscheidend, um den Klimawandel perspektivisch in den Griff zu bekommen. Sie sind auch entscheidend dafür, die Digitalisierung in unse rem Land weiter voranzubringen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich möchte es gern zunächst an ein paar Zahlen festmachen. Wir haben in Baden-Württemberg mit einem Anteil der MINTBerufe von 26,7 % bundesweit den höchsten Stand. Das heißt, wir haben hier den höchsten Anteil von Personen in MINTBerufen. Rund 1,3 Millionen der knapp fünf Millionen sozi alversicherungspflichtig Beschäftigten in Baden-Württemberg arbeiteten 2022 in MINT-Berufen.

Auch deshalb ist es ganz entscheidend, dass wir die jungen Menschen in unseren Schulen gut auf die wichtigen Zukunfts themen vorbereiten, dass wir gut ausgebildete MINT-Fach kräfte haben und damit auch die Zukunftsfähigkeit unseres In dustriestandorts nachhaltig sichern. Natürlich brauchen wir hierfür entsprechend gut ausgebildete Lehrkräfte.

Weil Herr Kollege Timm Kern sagte, wir würden auf Durch zug schalten, will ich jetzt gern nochmals darstellen, was wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, und zwar auch – so würde ich mal behaupten –, indem wir Vorschläge aus diesem Haus aufgegriffen haben, die heute Realität sind.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Stimmt! Ganztags lehrkräfte!)

Ich will auch noch mal darstellen: Wir haben in Baden-Würt temberg einen extrem hohen Wettbewerb im MINT-Bereich. Auf 181 offene Stellen kommen 100 Arbeitslose im Bereich MINT. Das heißt, wir konkurrieren extrem mit der Wirtschaft, um junge Menschen für das Thema MINT zu begeistern. Wir werben dafür auch an vielen Stellen.

Ich muss aber auch sagen: Wenn wir hier im Haus an dieser Stelle über das Thema „Berufliche Orientierung“ und über das Thema Zukunftschancen reden, kommt mir an vielen Stellen zu kurz, dass wir auch für die sozialen Berufe und für die pä dagogischen Berufe werben. Wir im Kultusministerium tun das mit verschiedenen Werbekampagnen. Aber der erste Fo kus – bei einem Wirtschaftsstandort wie Baden-Württemberg ist das auch gerechtfertigt – liegt auf Handwerk und Indust rie. Ich denke, dass wir in der politischen Diskussion aufpas sen müssen, dass wir den jungen Menschen nicht das Bild ver mitteln: „Ihr habt in der Wirtschaft, in der Industrie bessere Chancen als an unseren Schulen.“ Auch das gehört dazu, wenn wir für MINT-Lehrberufe an unseren Schulen werben wollen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU)

Maßnahmen, die aktuell an unseren Schulen umgesetzt wer den, sind im ganz praktischen Schulbetrieb, dass Lehrkräfte in MINT-Fächern von ihren Zweitfächern entlastet werden, sodass sie mehr in den MINT-Fächern arbeiten können.