Protokoll der Sitzung vom 12.03.2025

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

„Frauen brauchen männliche Führung, um glücklich zu sein“, oder: „Der Feminismus stört die gesellschaftliche Harmonie und ist an vielem schuld wie dem demografischen Wandel, natürlich der Migration und der Wirtschaftskrise.“

Antifeminismus tritt verstärkt organisiert auf. Betroffen sind Organisationen und einzelne Personen, die sich für Gleich stellung einsetzen. Wir haben es in diesem Jahr auch bei den Demonstrationen zum Internationalen Frauentag viel stärker als in den letzten Jahren erlebt, dass es auch hier in BadenWürttemberg Störfälle gab, dass antifeministische Parolen am Rande der Demonstrationen ausgegeben wurden – in Tübin gen, in Stuttgart, in Mannheim. Vor allem gab es das aber in den östlichen Bundesländern.

Das alles macht deutlich: Antifeminismus ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Das heißt, wir müssen ihm ganz entschie den entgegentreten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Frau Staatssekretärin Dr. Lei dig, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abg. Dr. Hell stern zu?

Ich setze jetzt erst mal meine Rede fort. – Dieses entschiedene Entgegentreten gegen Anti feminismus haben wir auch auf der 34. Konferenz der Gleich stellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorin nen und -senatoren der Länder im vergangenen Sommer deut lich gemacht. Wir haben dort sehr intensiv über dieses Phä nomen diskutiert sowie, unter dem Vorsitz von Minister Lucha und mir, einen umfassenden Beschluss gegen Antifeminismus gefasst.

Auch im Land sind wir aktiv. Frau Abg. Seemann hat es aus geführt: Seit Ende 2024 fördert das Sozialministerium die neu eingerichtete Fachstelle gegen Antifeminismus und Queer feindlichkeit mit rund 200 000 €. Die Fachstelle beobachtet Entwicklungen, informiert, sensibilisiert und berät. Das ist tat sächlich auch wichtig; denn Antifeminismus und das Behar ren auf ungleicher Geschlechterordnung, das ist keine allein stehende Strategie. Vielmehr kann daraus tatsächlich auch ein Scharnier zwischen demokratischen und demokratiefeindli chen Akteurinnen und Akteuren gebildet werden. Es ist eine

Straße, die teilweise in die Mitte der Gesellschaft hineinführt. Deswegen stellt das eine Gefahr für unsere Demokratie dar.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Antifeminismus verneint das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Darum geht es auch bei Femiziden – die Extremform dessen, zu sagen: „Du darfst nicht selbstbestimmt leben, und bevor du das tust, wirst du eher umgebracht.“ Jedes Jahr wer den in Deutschland Frauen oder Mädchen getötet, nur weil sie Frauen oder Mädchen sind. Frau Abg. Fink-Trauschel, ich muss Sie hier leider korrigieren. Sie haben gesagt, jeden drit ten Tag werde eine Frau durch Femizid getötet. Leider besa gen die aktuellen Zahlen, die im November letzten Jahres für 2023 veröffentlicht wurden, dass 360 Frauen – also fast jeden Tag eine Frau – durch einen Femizid getötet wurden. Es gab 938 Versuche, das zu tun.

(Abg. Anton Baron AfD: Womit hängt das zusam men?)

Es ist wirklich erschreckend, wie allein diese Zahl anwächst. Das ist tatsächlich etwas, wo wir aufgefordert sind, sehr stark daran zu arbeiten. Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt. Täglich werden mehr als 140 Frauen und Mädchen Opfer einer Sexualstraftat. Diese Zah len sind wirklich beschämend, sie sind unerträglich. Sie zei gen: Hass und Gewalt gehören zum Alltag vieler Frauen und Mädchen im Land.

Gewalt gegen Frauen ist ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem. Gewalt gegen Frauen steht für das Machtgefälle zwi schen Männern und Frauen. Ich möchte hier ganz deutlich sa gen: Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein Verbrechen, ist eine Menschenrechtsverletzung. Dies darf nicht toleriert werden.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Daher haben die Länder in der Konferenz der Gleichstellungs ministerinnen und -minister eng mit dem Bund an dem soge nannten Gewalthilfegesetz zusammengearbeitet. Am 14. Fe bruar 2025 hat der Bundesrat dem Gewalthilfegesetz zuge stimmt. Ein Rechtsanspruch auf kostenfreien Schutz und Be ratung soll nun eingeführt werden, und zwar unabhängig von Wohnort, persönlicher Situation und Aufenthaltsstatus. Dafür hat sich die Landesregierung von Baden-Württemberg seit Langem eingesetzt, und dafür hat sich vor allem auch Bun desministerin Paus starkgemacht. Lisa Paus hat tatsächlich die Einbringung in den Bundestag vorangetrieben und hat er reicht, dass der Rechtsanspruch nun verwirklicht wurde. Die ser Rechtsanspruch ist ein Meilenstein im Kampf gegen Ge walt an Frauen. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich mich noch immer darüber freue, dass dies tatsächlich gelun gen ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Es ist ein Beispiel dafür, wie Frauen für Frauen Politik ma chen und wie parteiübergreifend Fortschritte erzielt werden können. Wir haben nun tatsächlich die Möglichkeit, Frauen und ihre Kinder zu schützen und vor allem Gewaltkreisläufe nachhaltig zu durchbrechen. Daher ist das Gewalthilfegesetz

wichtig – für die betroffenen Frauen, für die Gleichstellungs politik, aber auch für unsere Demokratie. Denn ein gewalt freies Leben ist die Grundlage für eine echte und starke De mokratie.

Bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist die Istan bul-Konvention unsere Richtschnur. Daher arbeiten wir im Sozialministerium intensiv daran, den Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention fortzuschreiben, und sind hier auf der Zielgeraden. Gemeinsam mit zahlreichen Akteu rinnen und Akteuren haben wir einen umfassenden Maßnah menkatalog erstellt, bei dem Gewaltprävention und Unterstüt zung der Betroffenen im Mittelpunkt stehen.

Der Landesaktionsplan ist ein Vorgriff, aber auch eine Ergän zung zum Gewalthilfegesetz und umfasst Maßnahmen in ganz weiten Bereichen, u. a. auch im Bereich der digitalen Gewalt gegen Frauen. Was Maßnahmen gegen digitale Gewalt angeht, sind wir im Land Vorreiter für die ganze Bundesrepublik.

Der digitale Raum nimmt eine immer wichtigere Rolle ein, wenn es um Gewalt geht, aber natürlich auch ganz allgemein. Denn dort findet Meinungsbildung statt. Dort wird mit künst licher Intelligenz Wissen generiert. Da aber KI-Systeme auf der Basis von Daten arbeiten, gewinnt eine geschlechtersen sible Daten- und Wissenspolitik immer mehr an Bedeutung.

Die Ausgangslage ist jedoch: Frauen sind in den bestehenden Datenbeständen unterrepräsentiert. Dies birgt Probleme. Denn wenn zu wenige Daten von oder über Frauen vorliegen oder diese Daten Geschlechtsstereotype oder Vorurteile enthalten, kann das dazu führen, dass die KI diese Vorurteile und Dis kriminierungen reproduziert und verstärkt.

Ein Beispiel ist hier, dass laut einer aktuellen UNESCO-Stu die KI-basierte Chatbots wie ChatGPT Frauen bis zu viermal häufiger mit Hausarbeit in Verbindung bringen als Männer. Es wird einfach reproduziert, als Wissen dargestellt, als Fakt und nicht als etwas, woran wir arbeiten müssen.

Oder: Wenn Sie künstliche Intelligenz dazu auffordern, ein Bild von Personen in einer Entscheidungssituation zu gene rieren, was erhalten Sie? Ein Bild, auf dem es nur Männer gibt. Das sehen wir auch in der Realität häufig so. Gerade in jüngster Zeit gibt es dafür Beispiele, die auch sehr viel Reso nanz gefunden haben. Aber das Problem ist auch, dass die KI als etwas dargestellt wird, was Fakten produziert. Deswegen kommt es hier zu einer Verfestigung.

Daher ist es sehr wichtig, dass wir dagegen vorgehen. Auch das haben wir in die Gleichstellungsministerkonferenz einge bracht. Sie hat einen Beschluss gefasst, wonach der Bund hier tätig werden und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen soll.

Gleichstellung in digitalen Belangen ist auch ein Teil der Gleichstellungsstrategie des Landes. Diese ist ressortübergrei fend angelegt; denn Gleichstellung ist kein isoliertes Thema, sie ist ein Querschnittsthema. Ziel ist die umfassende Gleich stellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen und digita len Belangen. Wir haben hier im vergangenen Jahr in einem breiten Beteiligungsprozess alle relevanten Akteurinnen und Akteure eingebunden und sind nun auf der Zielgeraden. Vor

der Sommerpause werden wir die Gleichstellungsstrategie verabschieden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die paritätische Beteiligung an Entscheidungen ist essenziell für das Vorankommen bei der Gleichstellung. Aber wie hier verschiedentlich schon festgehalten wurde: Bei der letzten Bundestagswahl am 23. Februar ist Politik in Deutschland noch männlicher geworden; denn der Frauenanteil im Bun destag ist gesunken. Leider sieht es auch in den Kommunen und hier im Landtag nicht besser aus. Wir sind von einer Pa rität noch weit entfernt.

Gleichberechtigung beginnt jedoch genau dort, wo genauso viele Frauen wie Männer mitbestimmen, welche Politik ge macht wird – vor allem in den Herzen der Politik, in den Par lamenten. Daher war es richtig, mit der Landtagswahlrechts reform die Rahmenbedingungen zu ändern und Voraussetzun gen für mehr Geschlechtergerechtigkeit hier im Landtag zu schaffen. Das hat ja auch Frau Abg. Kliche-Behnke ausge führt. Auch diesen Erfolg verdanken wir dem unermüdlichen und jahrelangen Einsatz von Frauen. Mit zahlreichen Aktio nen sowie Briefen und Ansprachen hat der Landesfrauenrat dieses Thema immer wieder auf die politische Agenda ge bracht. Nun haben wir ein Zweistimmenwahlrecht und eine geschlossene Landesliste, und damit ist der Weg frei für mehr Frauen in der Landespolitik – wenn die Parteien tatsächlich auch ihre Listen entsprechend aufstellen.

(Ah-Rufe)

Hier muss ich vor allem an die Oppositionsparteien appellie ren – Sie haben es ja auch schon ausgeführt –: Sie, SPD, FDP und AfD, haben da noch Handlungsbedarf, und ich hoffe sehr, dass Sie dem bei der Listenaufstellung in den nächsten Mo naten nachkommen.

Sehr geehrte Abgeordnete, Sie sehen, das Resümee zum Frau entag ist gemischt. Es gibt Erfolge, aber es gibt auch wirklich schwierige Entwicklungen. Klar ist, in Deutschland wie auch weltweit: Demokratie muss immer wieder neu erkämpft wer den, und so auch die Geschlechtergerechtigkeit. Wir dürfen hier nicht nachlassen; denn es geht um das Fundament unse res Zusammenlebens. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämp fen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Seemann.

Ich möchte doch noch ganz kurz auf die Quote eingehen, nachdem ich zweimal darauf an gesprochen wurde. Ich denke, manche Fraktionen haben das Prinzip der Quote nicht verstanden. Es geht nicht darum, dass minderqualifizierte Frauen irgendwo nach oben kommen, son dern es geht darum, dass Frauen, die gleich gut qualifiziert sind, die Chance haben, auch wirklich auf einen entsprechen den Posten zu kommen.

(Zuruf des Abg. Christian Gehring CDU)

Es muss ja niemand glauben, dass alle Männer, die irgendei nen Posten innehaben, top qualifiziert sind. Mir fallen sofort

ein paar Bundesminister ein, für die das ganz bestimmt nicht gegolten hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf: Mir auch! – Abg. Anton Baron AfD: Vor al lem der Wirtschaftsminister! Sie hätten doch gleich den Wirtschaftsminister nennen können! – Unruhe)

Für die SPD-Fraktion hat – wenn Sie sich beruhigt haben – Frau Abg. Dr. Kliche-Behnke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Abgeordnete hat in ihrer Rede Migration und Massenvergewaltigungen in ei nen Zusammenhang gebracht und mehr oder weniger wört lich gesagt, die Liste der Vergewaltigungen würde angeführt von Syrern und Afghanen. Ein Blick in die Polizeiliche Kri minalstatistik und die Antworten auf ihre eigenen Anfragen besagen, dass der weit überwiegende, der größte Teil der Men schen, die eine Vergewaltigung oder eine Massenvergewalti gung begehen, Deutsche sind.

(Ah-Rufe)

So viel zur Qualität der männerdominierten Fraktion der AfD. Mit lieben Grüßen: Es gibt auch Qualität und Quote.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 1 unserer Tagesordnung er ledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Debatte – Unsere Freiheit verteidigen – Stabili tät für die Zukunft unserer innovativen Verteidigungswirt schaft in Baden-Württemberg – beantragt von der Frak tion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung.