Konkret: Wir reden über die Vertretung der hausärztlichen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten und nicht über die Notfallversorgung von Herzinfarkt, Schlaganfall und Trau ma. Ich darf dies auch mit dem Verweis auf die 50 häufigsten Diagnosen im Notfalldienst sagen. Diese werden primär an geführt von Atemwegsinfekten, diesen folgen Schmerzen des Bewegungsapparats und Magen-Darm-Probleme.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dies soll nicht bedeuten, dass wir die hausärztliche Vertretung am Wochenende nicht benötigen, sondern einmal einordnen, wie diese aktuell in An spruch genommen wird. Statistisch besucht jeder BadenWürttemberger alle sechs Jahre mal den ärztlichen Notfall dienst, aber sechs Mal im Jahr die ärztliche Praxis zu Zeiten der Regelsprechstunden.
Aktuell sind in Baden-Württemberg rund 1 000 Hausarztsitze nicht besetzt. Auch wenn es mancher nicht für möglich hal ten will, aber faire Arbeitszeiten gelten auch für Ärztinnen und Ärzte sowie für die Kolleginnen und Kollegen in der Pflege. Das heißt, dass die Ärztin oder der Arzt, die oder der am Sonn tag Dienst im Notfalldienst tut, am Montag nicht in der Pra xis zur Verfügung steht.
Es stimmt, Herr Stoch, es gab in diesem Land noch nie so vie le Ärztinnen und Ärzte wie heute. Aber sie arbeiten halt nicht mehr 150 %, sondern 100 % oder in Teilzeit. Das heißt, die Zahl der Behandlungsstunden pro Arzt hat abgenommen, und das führt natürlich auch zu Verschiebungen in der Versorgung. Ebendieser Punkt gehört auch zur objektiven Darstellung des aktuellen Problems.
Ich darf im Namen meiner Fraktion schon sagen, dass wir uns seitens der KV eine bessere Kommunikation und eine aktive re Einbindung der Kommunen gewünscht hätten.
Und entgegen aller Polemik in Veranstaltungshallen und auf Veranstaltungsplätzen haben wir konstruktiv im Dialog mit den Betroffenen und der KV das Gespräch gesucht. Ebenso wichtig war für uns immer, dass das Thema Erreichbarkeit ga rantiert wird. Wir haben darüber hinaus das Thema Sicherstel lung bereits im vergangenen Jahr in einer parlamentarischen Fragestunde adressiert.
Das alles ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber der KV einen extrem weiten Spielraum bei der konkreten Ausge staltung des Sicherstellungsauftrags lässt. Weder die Regie
rung noch der Landtag haben die Befugnis, unmittelbar dar auf Einfluss zu nehmen. Im Antrag der SPD werden retro spektiv verschiedene Punkte zur Veränderung der Organisati onsstruktur der Notfallpraxis abgefragt. Eine kritische Aufar beitung ist selbstverständlich immer gut. Dies ist aber kein Selbstzweck, sondern sie muss Basis einer Diskussion für zu künftige Entwicklungen sein.
Wie sieht denn jetzt konkret eine Versorgung im Notdienst in Zukunft aus? Dem widmet sich der Antrag der Regierungs fraktionen, und zwar umfassend und zeitgerecht, mit vielen Parametern, die uns in einer modernen Notfallversorgung heu te wichtig sind.
Ich durfte Ende Februar zu Gast bei den Bad Boller Reanima tions- und Notfallgesprächen sein. Seit zwölf Jahren treffen sich in diesem Forum Experten aus ganz Deutschland mit dem Ziel, Versorgungsstrukturen zu verbessern. Ich will hier ex emplarisch nur das Thema Patientensteuerung nennen. Wir, die Regierungsfraktionen, greifen nun einige Punkte dieser Expertengruppe in unserem Antrag auf und werden die längst überfällige Reform der Notfallversorgung des Bundes voran treiben, effektiver und fachlicher, als es das Bundesgesund heitsministerium bisher getan hat.
Unser Antrag thematisiert die Schnittstelle zur stationären Ver sorgung und zu den Notaufnahmen, die doch Kern einer so genannten intersektoralen Versorgung sein müssen. Ich darf für die CDU-Fraktion sagen, dass uns der enge Kontakt zu den Kommunen und den Menschen beim Thema Notfallver sorgung wichtig ist. Wir setzen hier aber auch und gerade auf zukunftsfähige Konzepte, die wir im engen Austausch mit Ex perten, beispielsweise aus dem Gremium in Bad Boll, in un serem politischen Leistungsspektrum umsetzen.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lucha, Sie hatten im Bericht des Sozialministeriums zum Staatshaus haltsplan 2025/2026 beschrieben, dass Sie Baden-Württem berg in einer Vorreiterrolle für die Entwicklung gesundheitli cher Versorgungsstrukturen sehen. Sie haben auch betont, wie wichtig Ihnen die sektorenübergreifende Versorgung ist. Wenn wir die Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg be trachten, sehen wir, wie sich in den letzten Jahren die Versor gungsstrukturen dramatisch verschlechtert haben. Jeder von Ihnen hat sicher eigene Erfahrungen damit, wenn es darum geht, Termine zu bekommen.
In dieser Situation zu entscheiden, 18 Notfallpraxen – es wur den im Jahr 2023 schon einige geschlossen – zu schließen, ist für die Situation in Baden-Württemberg alles andere als gut. Herr Minister Lucha, wir, die FDP/DVP-Landtagsfraktion, hätten schon erwartet, dass Sie auch Ihrer Verantwortung ge recht werden und in den Dialog mit der Kassenärztlichen Ver
Es gab auch eine Menge Kritik; Kollege Stoch hat das auch geäußert. Die Kassenärztliche Vereinigung hat unmittelbar nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts gesagt: „Wir müssen alle Poolärztinnen und Poolärzte wieder zurückneh men.“ Bemerkenswert ist, dass viele andere Bundesländer ganz anders entschieden haben und man sich fragen muss, wieso beispielsweise in Schleswig-Holstein nahezu keine Än derungen vorgenommen wurden. Inzwischen gibt es ja auch auf Bundesebene ein Ergebnis des Dialogprozesses, wonach auch Möglichkeiten bestehen, wieder die Beschäftigung von Poolärzten in dieser Richtung vorzunehmen. Wenn man die Stellenausschreibungen der Kassenärztlichen Vereinigung mit den Kooperationsvertragsangeboten sieht, kann man sich schon fragen: Ist das überhaupt die richtige Struktur, um da entspre chend vorzugehen?
Auf den Druck hin haben Sie am 19. Dezember letzten Jah res zusammen mit der KV eine Veranstaltung gemacht. Be merkenswert ist – das steht in der Stellungnahme zu dem An trag der SPD –: Am 24. November 2023 fanden schon erste Gespräche statt. Von einer Dynamik kann man sicherlich nicht sprechen, wenn man am 19. Dezember – über ein Jahr später – in den Dialog geht. Es war schon bemerkenswert, wie ins besondere drei grüne Abgeordnete – Staatssekretär Baumann nenne ich hier exemplarisch – sehr deutlich Kritik an der Schließung zum Ausdruck gebracht haben.
Deswegen, meine ich, kann es nicht sein, dass wir das einfach akzeptieren und sagen: „Das ist jetzt halt so; daran können wir nichts ändern.“ Das ist nicht unsere Haltung. Herr Minister Lucha, wir brauchen hier einen anderen Dialogprozess. Wir akzeptieren nicht, wie Sie bei diesem Thema vorgehen.
Sie wollen innovativ vorangehen. Am 16. April 2018 ist „doc direkt“ entstanden. Die KV hat als erste KV bundesweit eine telemedizinische Beratung eingeführt. Gehen Sie mal ins Land, fragen Sie mal Besuchergruppen, wer „docdirekt“ kennt. Es ist erbärmlich, es ist frustrierend. Wir haben eine so innovati ve Möglichkeit geschaffen. Wir könnten heute in der Versor gung, in der Patientensteuerung schon viel weiter sein, dass wir im Grunde genommen organisatorisch viel mehr erreichen könnten. Da ist nichts passiert. Es ist auch von Ihnen zu ver antworten, dass wir in der Patientensteuerung nicht vorwärts gekommen sind.
Wir haben in den letzten Monaten immer wieder angeboten, mit den Stadt- und Landkreisen, wo diese Veränderungen kommen sollen, in den Dialog zu gehen. Die Kommunen, die Stadt- und Landkreise, sind ja dialogbereit, sind bereit, in das Gespräch zu gehen. Das ist aus unserer Sicht eben nicht er folgt. Der Ball wurde nicht aufgenommen. Deswegen haben wir immer gefordert, jetzt ein Moratorium zu machen und in die entsprechenden Stadt- und Landkreise hineinzugehen. Da hören wir nichts.
Insofern wird sich die FDP/DVP-Landtagsfraktion auch die sem Antrag der SPD-Fraktion anschließen, weil wir glauben, wir müssen ein Zeichen setzen, damit wir den Druck entspre chend erhöhen. Deswegen kann man trotzdem die Punkte um setzen, die die Fraktion GRÜNE und die CDU-Landtagsfrak tion in ihren Änderungsantrag aufgenommen haben. Wir müs sen hier mal klar Position beziehen: Wir müssen hier aktiv he rangehen, was die Versorgung in Baden-Württemberg anbe langt, und jetzt nicht einfach 18 Praxen schließen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Schließung von Notfallpraxen ist nur die lo gische Folge einer grün-schwarzen Gesundheitspolitik, bei der es längst nicht mehr um die Gesundheit der Bürger geht. Dass wir auf einen Ärztemangel zusteuern, ist seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten absehbar. Obwohl immer weni ger Ärzte bereit sind, sich niederzulassen, haben Sie als Poli tiker keine wirksamen politischen Entscheidungen getroffen.
Spätestens nach dem Urteil des Bundessozialgerichts zu den Poolärzten haben Sie es zugelassen, dass diese ihre Tätigkeit aufgeben, statt verbindliche Zusagen zu machen, um sie bei der Stange zu halten. Spätestens da hätte man die gesetzlichen Grundlagen so ändern können, dass die Selbstständigkeit der Poolärzte überhaupt nicht zur Debatte gestanden hätte.
Die Probleme, die wir haben, sind also allesamt hausgemacht. Durch die Schließung von Notfallpraxen werden wir eine Überlastung der verbliebenen Strukturen erleben, insbeson dere der Notaufnahmen. Die Bürger hingegen sollen sich da ran gewöhnen, dass die Versorgung zunehmend schlechter wird und eine Untersuchung durch einen Arzt, wie das einmal selbstverständlich war, eine Ausnahme bleibt. So sieht es zu mindest Minister Lucha. Wer krank ist, soll sich erst einmal digital behandeln lassen. Wir sind aber der Ansicht, dass die Bürger in einem Land, in dem die gesetzlichen Krankenkas sen 300 Milliarden € pro Jahr einnehmen, einen Anspruch auf eine richtige ärztliche Untersuchung haben.
Keine Telemedizin wird den Arztbesuch jemals qualitativ er setzen. Meine Damen und Herren, wir sind keine Autos, und mir fehlt der Diagnosestecker.
Unser Land hat das Potenzial, wieder zu einem Gesundheits standort zu werden. Ihre Forderung nach mehr Effizienz und mehr Sparmaßnahmen kommt nur daher, weil Sie nicht bereit sind, Politik für die eigenen Leute und für das eigene Land zu machen. Wir sind aber nicht bereit, diesen Weg mitzugehen, bei dem unser Sozialsystem vollends an die Wand gefahren wird. Die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung ist eine der Kernaufgaben des Staates, ideologische Projekte zur Befriedung des grünen Koalitionspartners hingegen sind keine Kernaufgaben.
Die Schließung der Notfallpraxen ist ein weiterer Schritt, der die Tätigkeit in Gesundheitsberufen in Baden-Württemberg immer unattraktiver macht. Nicht nur, dass Sie mit Ihrer Fach kräftezuwanderung scheitern; Sie vertreiben auch noch die selbst ausgebildeten Fachkräfte, die wir schon im Land ha ben.
Minister Hauk hat völlig zu Recht erkannt, dass vor allem der ländliche Raum von dieser Entwicklung betroffen ist. Eine weitere Verschlechterung der medizinischen Versorgung des ländlichen Raums sei für ihn indiskutabel und nicht hinnehm bar.
Ja, meine Damen und Herren, das unterstützen wir. Aber das Ergebnis sehen Sie selbst. Herr Minister Hauk, wenn Sie es ehrlich meinen mit dem Erhalt der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum, dann müssen Sie sich halt einen anderen Koalitionspartner suchen.
Mit den Grünen geht im Land wie auch im Bund nichts vor an außer dem Niedergang gewachsener und funktionierender Strukturen.
Deshalb brauchen wir für den Erhalt der Notfallpraxen aber auch eine Politik, die unsere Gesundheitsstruktur zukunftsfä hig macht. Dazu gehören ein massiver Bürokratieabbau
und vor allem, meine Damen und Herren, eine Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Bürger orientiert, bessere Ar beitsbedingungen für Ärzte und medizinisches Fachpersonal sowie eine sichere Finanzierung.
Die AfD fordert eine grundsätzliche Strukturreform. Der hier vorgelegte Antrag und der Änderungsantrag enthalten einige gute Ansätze. Deswegen werden wir dem zustimmen.