Protokoll der Sitzung vom 14.12.2022

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht weniger unter stützenswert erscheinen die vielen jungen Menschen, die je

des Jahr ein FSJ, das Freiwillige Soziale Jahr, im Land Ba den-Württemberg absolvieren. Momentan sind es über 13 300 FSJler, die Tag für Tag ihren Freiwilligendienst verrichten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich glaube, es ist eine wichtige Botschaft, dass wir die FSJler auch weiterhin unterstützen und das FSJ gezielt ausbauen. Deshalb stocken wir die Haushaltsmittel für das FSJ weiter auf. Damit können über 700 Plätze zusätzlich gefördert wer den. Darin sind auch 200 Plätze an Schulen enthalten, die aus dem Bundesprogramm „Aufholen nach Corona“ in die Lan desförderung übernommen werden können. Deshalb wird die Landesförderung in den nächsten Jahren noch mal massiv aus gebaut. Die CDU-Fraktion steht hinter dem Freiwilligen So zialen Jahr und möchte dies auch weiter massiv fördern und ausbauen.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Petra Krebs und Norbert Knopf GRÜNE)

Ein weiterer wichtiger Punkt für unsere Fraktion sind die ge meinnützigen Familienferienstätten im Land, die Familien un abhängig vom sozialen Status stärken. Zur Bewältigung die ser Aufgabe haben wir für die nächsten beiden Jahre einma lig Landesmittel in Höhe von 710 000 € eingesetzt. Auf die sem Weg sollen auch entsprechende Komplementärfinanzie rungsmittel des Bundes generiert werden. Zudem ist die struk turelle Fortsetzung des Pakts für Integration mit mehr als 43 Millionen € jährlich mehr als eine gute Nachricht.

Weitere Punkte, die zur Stabilität in der Krise beitragen, auf die ich jetzt in der begrenzten Redezeit nicht eingehen kann, sind uns ebenfalls noch wichtig, z. B. die deutliche Erhöhung der Landesförderung für die Tafeln. Es gibt ca. 150 Tafeln im Land Baden-Württemberg. Sie sind momentan in dieser Kri se unglaublich stark nachgefragt. Ich halte es für richtig, dass die Regierungsfraktionen auch die Tafeln unterstützen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Auch den Ausbau des Präventionsnetzwerks gegen Kinderar mut sehen wir als den richtigen Weg an, ebenso wie die flä chendeckende Umsetzung und Weiterentwicklung der Rah menkonzeption für die Familienbildung und zwei Förderpro gramme, womit wir die Schuldnerberatung für Familien stär ken und Familien auch in dieser Krise eine gute Unterstützung bieten wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich muss ein Haushalt in solchen Zeiten auch die Risikovorsorge in den Blick nehmen. Das Volumen der entsprechenden Rückstellun gen beläuft sich auf mehr als 300 Millionen € für das Jahr 2023 und mehr als 250 Millionen € für das Jahr 2024.

Natürlich bringt auch die jetzige Situation mit rasant steigen den Energie- und Sachkosten erhebliche neue Risiken mit sich. Deshalb fordern wir den Bund auf, in dieser Situation mit der Energiepreisbremse auch Bereiche wie Krankenhäu ser, Pflegeheime, Vorsorge- und Rehakliniken sowie die wich tigen Komplexeinrichtungen zu unterstützen. Ungeachtet des sen ist für uns, die CDU-Fraktion, klar, dass die sozialen Ein richtungen in unserem Land für viele Menschen eine unver zichtbare Stütze sind. Wir dürfen sie auch in dieser Krise nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über all dies verges sen wir auch die wichtigen und zielgerichteten Zukunftsin vestitionen nicht. So verstetigen wir z. B. die Krankenhaus investitionskostenförderung in den nächsten Jahren. Dafür ste hen in den nächsten beiden Jahren jeweils über 488 Millio nen € zur Verfügung. Hinzu kommen in den nächsten beiden Jahren 137 Millionen € für bauliche Investitionen bei den Zen tren für Psychiatrie und Baumaßnahmen im Bereich des Maß regelvollzugs für psychisch kranke Straftäter.

Um auch die Schülerinnen und Schüler an den Gesundheits fachberufsschulen zu unterstützen, haben wir die Mittel ver stetigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gäbe gewiss noch viel Gutes über diesen Haushalt zu sagen. Mit Blick auf die Uhr muss ich aber zum Ende kommen. Wir danken dem So zialminister und seiner ganzen Mannschaft für einen guten Haushaltsentwurf – der natürlich über die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen noch besser geworden ist.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Glück auf!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die SPD-Frak tion spricht jetzt Frau Abg. Dr. Dorothea Kliche-Behnke. Bit te sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heu te den Sozialhaushalt im Angesicht der schwersten wirtschaft lichen und sozialen Krise seit Jahrzehnten. Der russische An griff auf die Ukraine hat die globale Wirtschaft und die euro päischen Gesellschaften wie ein Erdbeben erschüttert, immer wieder gefolgt von schweren Nachbeben: Inflation, Energie krise, die Herausforderungen durch die Aufnahme von ukra inischen Geflüchteten.

In ganz Baden-Württemberg leiden die öffentlichen, freien und ehrenamtlichen sozialen Strukturen, die unser Land am Laufen halten. Die Gefahr einer globalen Rezession ist real. Baden-Württemberg muss als das exportstärkste Bundesland mit großer Sorge auf das kommende Jahr blicken.

Jetzt ist entschlossenes Handeln gefragt, auch und gerade in der Sozialpolitik. Der Bund hat angesichts der multiplen Kri sen, vor denen wir stehen, drei Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Milliarden stehen zur Verfügung, um den Kollaps der Wirtschaft zu verhindern. Der Bund hilft den Bürgerinnen und Bürgern durch diese schwere Zeit. Jetzt ist entschlosse nes Handeln gefragt, auch und gerade in der Sozialpolitik im Land.

(Beifall bei der SPD)

Aber die Regierung hier geht einen ganz anderen Weg. Dabei steht viel auf dem Spiel. Ohne Hilfe droht weiten Teilen der sozialen Infrastruktur der Kollaps, und damit drohen Hilfsan gebote zu verschwinden, die gerade jetzt dringend gebraucht werden: Angebote für Menschen mit Behinderungen und äl tere Menschen, Werkstätten, Tafelläden, Wärmestuben, Jugend

hilfeeinrichtungen, Hilfen für Straffällige oder Wohnungslo se, Beratungsstellen oder Suchthilfen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Der Ministerpräsident hat von 30 Millionen € für einen Son dertopf für die soziale Infrastruktur gesprochen. Grüne und CDU loben sich für umfängliche Anträge. Aber wenn man sich den Sozialhaushalt im Detail anschaut, dann steht dort nirgends etwas von einem solchen Topf. Sie führen Maßnah men fort, die sonst ausgelaufen wären. Sie finanzieren die Pflegekammer oder einzelne kleine Projekte. Ein bisschen ge ben Sie für Tafeln und Armutsbekämpfung. All das addiert er gibt dann die 30 oder 35 Millionen €. Aber mit inflationsbe dingten Kostensteigerungen für die sozialen Einrichtungen im Land, mit der Sicherstellung ihrer Liquidität hat das nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Es ist Aufgabe der Opposition, das Handeln der Landesregie rung zu überprüfen, einzuordnen, zu kommentieren. Das will ich heute tun.

Zuallererst möchte ich mich bei allen Beschäftigten im Mi nisterium für die extrem herausfordernde Arbeit bedanken, und das nicht nur pflichtschuldig. Es dürfte kaum ein Minis terium geben, das im letzten Jahr so belastet, das mit solch vielfältigen Problemlagen konfrontiert war wie das Sozialmi nisterium. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erkennen das ausdrücklich an und bedanken uns für die Ar beit im letzten Jahr.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Erwin Köhler GRÜNE, Nikolai Reith und Rudi Fischer FDP/DVP)

Ich möchte auch einräumen oder hinzufügen, dass der eine oder andere Antrag, den die Regierungsfraktionen in den Haushalt hineinverhandelt haben, diesen ein wenig besser ge macht hat und manche Notlage ein klein wenig abfedern wird. Und doch müssen Sie, Herr Minister, und die Fraktionen von Grünen und CDU sich aus unserer Sicht heute drei Vorwürfe gefallen lassen.

Erstens: In wesentlichen Handlungsfeldern fehlen Ihnen schlicht weg die Konzepte. Zweitens: In manchen Bereichen haben Sie zwar gute sozialpolitische Ansätze, die wir auch anerken nen, aber Ihnen fehlt es offensichtlich an Durchsetzungsfähig keit oder an Umsetzungskompetenz. Und drittens fehlt es lei der in noch wesentlicheren Feldern der Sozial- und Gesund heitspolitik am wirklichen politischen Willen, neue Weichen stellungen vorzunehmen.

(Beifall des Abg. Florian Wahl SPD)

Lassen Sie mich dies gleich noch näher ausführen. Aber zu erst möchte ich klarmachen, warum unsere Kritik so grund sätzlich ist. Viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, mit denen ich momentan spreche, mit denen wir momentan sprechen, blicken mit Angst und Sorge in die Zukunft. Viele Träger unserer sozialen Infrastruktur teilen diese Angst, weil sie unter einem enormen Kostendruck stehen und nicht wis sen, wie sie des Personalmangels und der Kostensteigerungen Herr werden sollen.

Erst gestern hat Landtagspräsidentin Aras beim Empfang der Bischöfe auf die Bedeutung einer stabilen sozialen Infrastruk tur verwiesen. Aber wo diese fehlt, wo Angst überhandnimmt, geraten die Fundamente unserer Gesellschaft in Gefahr. Ein sozialer Staat muss es schaffen, genau das zu verhindern. Das gilt auch für die Landespolitik, die sich sozialpolitisch nicht kleiner machen sollte, als es Baden-Württemberg guttut.

(Beifall bei der SPD)

Aber Ihr landespolitisches Handeln – oder vielmehr aus un serer Sicht Nichthandeln – führt dazu, dass Sorgen entstehen. Sie entstehen in ländlichen Regionen, wo Kreistage sich über Klinikschließungen zerstreiten und die medizinische Daseins vorsorge gefährdet sehen. Unsere Kliniken sind unterfinan ziert. Sie geben in diesem Jahr weniger Mittel für reine Lan desinvestitionen aus als 2016 – damals unter einer sozialde mokratischen Sozialministerin und einem sozialdemokrati schen Finanzminister –,

(Zuruf von der CDU: Oh Gott!)

trotz aktuell steigender Preise und immenser Herausforderun gen.

Bis heute haben Sie keinen wirklichen Krankenhausplan. An statt transparente Kriterien zu entwickeln und nach diesen die Kliniken zu finanzieren, machen Sie Einzelverträge mit den Landkreisen und drücken die Fördersummen nach unten. Sie zwingen so die Landräte, die von Ihnen diktierten Schließun gen und Umstrukturierungen vor Ort durchkämpfen zu müs sen. Ansonsten bekommen sie eben kein Geld.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Carola Wolle AfD)

Wir finden, die Zeit des goldenen Handschlags muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Carola Wolle AfD)

Sorgen entstehen auch in der Pflege, wo wir demnächst eine Steigerung zum Begriff „Pflegenotstand“ erfinden müssen. Das Land hinkt dem Bund hinterher und nutzt Instrumente, beispielsweise bei der Pflegeassistenzausbildung, nicht. Vor allem aber sträuben Sie sich gegen Investitionen in die Pflege infrastruktur. Als eines von nur noch wenigen Ländern schaf fen Sie es nicht einmal, endlich die Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsberufe komplett einzuführen.

Sorgen entstehen, wenn das dritte Jahr in Folge beim Kinder schutz überhaupt nichts passiert und die Empfehlungen der Kinderschutzkommission weiter in einer Ministeriumsschub lade vor sich hin stauben. Vor einem Jahr haben Sie zugesagt, dass etwas passiert. Jetzt schreiben Sie den Kinderschutz al len Ernstes in die Haushaltsrisiken.

Sorgen entstehen, wenn der Anteil der schwerbehinderten Be schäftigten in der Landesverwaltung zurückgeht. Der Haus haltsansatz dazu wird gekürzt. Sie werden im kommenden Jahr voraussichtlich – davon gehe ich aus – bei einer Quote von unter 4 % schwerbehinderter Beschäftigter landen. Wir wollen keine Absichtserklärungen und kein Bedauern mehr, wir wollen Konzepte. Das ist doch alles kein Selbstzweck. Es geht darum, welchen Respekt diese Menschen in unserer Ar beitswelt bekommen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Nikolai Reith FDP/ DVP)

Sorgen entstehen, wenn die Landesregierung den Ausbau des Maßregelvollzugs verschläft. Sie haben angekündigt, dass der Neubau in Schwäbisch Hall im Jahr 2024 in Betrieb geht. Spä testens seit der Finanzausschusssitzung wachsen unsere Zwei fel, dass Sie Ihre Zusagen einhalten werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Nikolai Reith FDP/ DVP)

Und Sorgen entstehen, wenn die Frauenhäuser im Land nicht ausreichend finanziert sind, wenn Opfer häuslicher Gewalt nicht ausreichend Schutzorte vorfinden und wenn die Versor gung für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, nicht gesichert ist, obwohl das Land dafür klar zuständig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg ist ei nes der wirtschaftsstärksten Bundesländer. Unser Ländle ge hört zu den wohlhabendsten Regionen auf diesem Planeten. Das sozialpolitische Ziel muss eine Gesellschaft ohne Angst sein, die auf Solidarität, Zusammenhalt, Menschlichkeit und Respekt basiert. Diese Werte ergeben einen klaren politischen Auftrag.