Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen, den mei ne Kollegin Gudula Achterberg schon angesprochen hat: die Modernisierung des Petitionsrechts. Wir haben uns als Auf gabe gesetzt, das Petitionsrecht zu modernisieren und eine On
linemitzeichnung einzuführen. Ich bin dankbar, dass wir hier zu fraktionsübergreifend einen Verfahrensentwurf vorlegen konnten. Herr Drißner hat uns dabei sehr stark bei den For mulierungen und den juristischen Feinheiten unterstützt. – Dieser Entwurf liegt nun also vor.
Zum einen haben wir uns darauf geeinigt, dass wir, sobald 10 000 Unterschriften vorliegen – und zwar über ein Online portal –, verpflichtet sind, eine Anhörung zu machen. Jeder, der dies möchte, kann sich auf der Homepage des Landtags online registrieren und mitzeichnen, und sobald 10 000 Un terschriften für eine Petition vorliegen, müssen wir uns im Landtag damit öffentlich befassen.
Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Schritt, der auch deut lich macht, dass wir keine weiteren privaten Petitionsplattfor men brauchen, sondern eine solche Onlineplattform staatli cherseits, nämlich über die Homepage des Landtags, zur Ver fügung stellen können.
Weil wir Fraktionen wissen wollen, wie attraktiv dies ist, ha ben wir trotzdem vereinbart, das Verfahren am Ende der Le gislaturperiode zu evaluieren, um dann eventuell bezüglich von Quoren oder anderen Punkten nachzubessern.
Abschließend bleibt auch mir nur noch, mich zu bedanken: beim Ausschussvorsitzenden, beim stellvertretenden Aus schussvorsitzenden, bei allen Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss dafür, dass wir sehr gut zusammenarbei ten, aber auch und vor allem beim Petitionsbüro unter der Lei tung von Herrn Haas, der uns mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Wenn wir Auskünfte brauchen, kommen diese immer sehr schnell. Herr Haas hilft uns sehr gut und gibt uns auch in laufender Sitzung noch Ratschläge. Vielen, vielen Dank also an das Petitionsbüro, und vielen, vielen Dank auch an die Mi nisterien, die uns mit ihren sehr guten Stellungnahmen eine gute Entscheidungsgrundlage geben.
Ich denke, dass wir so, wie wir fraktionsübergreifend arbei ten, nämlich ergebnisoffen und an den Anliegen der Petenten orientiert, auch in der Zukunft weitermachen können.
(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/ DVP)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Miller. – Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt dem Abgeordnetenkollegen Andreas Kenner das Wort.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Auch ich möchte ganz zu Anfang darauf hinweisen, dass der Petitionsausschuss der einzige Ausschuss ist, den die Verfassung vorschreibt. Unseren Ausschuss muss es geben, alle anderen Ausschüsse kann es geben. Das stärkt das Selbstbewusstsein doch ziemlich, wenn man in diesem Ausschuss sein darf.
In ganz Europa gibt es Petitionsausschüsse und Ombudswe sen, und die Entwicklung ist überall dieselbe: Die Bürgerin nen und Bürger zweifeln stärker als in der Vergangenheit Ent scheidungen von Behörden und Verwaltungen an. Ja, sie zwei feln sogar – manchmal kann ich das auch gut verstehen – Ent
scheidungen von Parlamenten an. Unsere Aufgaben werden also nicht weniger, sondern mehr. Und wenn wir, unter uns, einmal ganz ehrlich sind: Auch wir können sicherlich nicht immer alles begreifen, was an Entscheidungen getroffen wird. Deswegen haben wir auch eine Grundsympathie für viele un serer Petentinnen und Petenten.
Was uns Sozialdemokraten übrigens auch ganz wichtig ist – der Kollege Miller hat dies gerade erwähnt –, sind die Anhö rungstermine vor Ort. Ja, liebe Kollegen, es ist kein Zucker schlecken, vorn in einer Halle zu sitzen, wo sich 400 Men schen versammeln, die eine Petition eingereicht haben, etwa gegen einen Windpark oder gegen eine Asylunterkunft. Da hilft es auch nichts, wenn man an den Sachverstand appelliert. Da muss man erst mal stringent vorgehen, da muss man erst mal zuhören. Die Bürgerinnen und Bürger müssen das Gefühl haben, dass wir wissen, wovon sie sprechen. Wir müssen erst mal Verständnis zeigen, und dann müssen wir den Leuten ver mitteln: Der Petitionsausschuss ist nicht Regierung oder Op position. Wir müssen uns im Kopf vielmehr von unseren Rol len freimachen und müssen den Menschen das Gefühl geben: „Hier wird entschieden, ob wir recht haben oder ob wir nicht recht haben.“ Das stärkt das Vertrauen in unsere Demokratie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
An dieser Stelle bedanke ich mich übrigens bei all jenen, die in den letzten sieben Jahren mit mir zusammen in ganz Ba den-Württemberg unterwegs gewesen sind, die bei allerlei Di alekten oder auch Nichtdialekten für mich übersetzt und mich unterstützt haben. Denn ich bin dafür bekannt, sehr gern VorOrt-Termine zu machen. Ich glaube, man merkt es auch: Kol leginnen und Kollegen, egal, von welcher Partei, die in Ge meinderäten gewesen sind oder noch immer sind, können mit den Leuten vor Ort umgehen.
Da ist der Petitionsausschuss in Zeiten von Verschwörungs theorien und Politikverdrossenheit genau das Instrument, das wir brauchen, um den Leuten draußen zu zeigen: Wir haben nichts zu verbergen. Wir arbeiten transparent, und wir stellen uns auch kritischen Bürgerfragen. Das ist ganz wichtig, mei ne sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen.
Für mich ist auch ganz wichtig, anhand der Zahlen nicht ab zuleiten, dass die Menschen draußen nicht zufrieden wären, weil sie so viele Petitionen einreichen. Nein, lieber Herr Vor sitzender, die Menschen wissen vielmehr, dass sich ihr – ich sage bewusst: ihr – Petitionsausschuss im Landtag von Ba den-Württemberg um ihre Anliegen kümmert. Das ist ein Ver trauen. Sie wissen, dass wir uns darum mühen und manchmal auch hineinknien.
Oft geht es um ganz komplexe Themen aus dem Beamten recht, dem Ausländerrecht, dem Baurecht oder um Streuobst wiesen. Manchmal denke ich, die Leute haben doch recht. Al le sagen: „Wir brauchen auf den Streuobstwiesen Geschirrhüt ten, damit wir sie bewirtschaften können,
doch wir bekommen das nicht hin.“ Wir haben dazu ständig Petitionen. Es ärgert die Leute. Da müssen wir, der Petitions ausschuss, vielleicht manchmal wieder strenger an die Gesetz gebung gehen und sagen: „Schafft das doch ab.“ Dann müs sen wir keine solchen Petitionen bearbeiten. Das wäre viel leicht ein Wunsch.
Ich habe einmal erlebt – da lernst du immer wieder dazu –, dass jemand Zwergpferde in einem Garten hatte. Das Land ratsamt hat dann entschieden: Pferde sind immer große Tiere, auch dann, wenn sie kleiner als ein Hund sind. Denn die Zwergpferde waren kleiner als der Hund des Nachbarn, muss ten aber entfernt werden, weil Pferde immer als große Tiere gelten. Vielleicht mache ich da mal, wenn ich nichts Besseres mehr zu tun habe, einen Gesetzesvorschlag: dass man nach der Größe und nicht nach der Art geht.
Wir wollen – das haben die Kollegen schon gesagt – das Pe titionsrecht weiterentwickeln. Wir wollen es moderner ma chen. Wir wollen den Menschen sagen: Ihr braucht eure Da ten nicht Onlinepetitionsplattformen zur Verfügung zu stel len. Denn das sind in der Regel Datensammelvereine. Ihr könnt eine Petition einreichen. Eine einzige Stimme zählt.
Wir wollen jetzt – das finde ich sehr gut – mal den Versuch machen, zu regeln, dass wir die Petition, wenn 10 000 Stim men zusammenkommen, öffentlich verhandeln müssen. Wenn wir merken, dass die Zahl zu hoch ist, dann können wir dar über auch noch mal diskutieren. Das zeigt übrigens – deshalb bin ich auch in der zweiten Periode freiwillig dabei –,
dass es der Petitionsausschuss – ganz anders als viele andere Ausschüsse – tatsächlich schafft, über die Parteigrenzen hin weg vernünftig zu arbeiten. Das ist ein sehr guter Stil. Es herrscht fast zu viel Harmonie. Manchmal hält man es gar nicht aus.
Es gibt auch Reibungspunkte. Wenn es um die Verlegung des Rettungshubschraubers geht, ist man sich nicht immer einig. Da gibt es übrigens auch ganz viele Experten im Ausschuss. Meist glätten sich die Wogen.
Was wichtig ist: Wir müssen uns natürlich gegenseitig aufei nander verlassen können. Denn es hat auch zugenommen, dass Bürgerinnen und Bürger unsere Entscheidungen nicht akzep tieren und ständig nachtelefonieren.
Deswegen bedanke ich mich – jetzt kommt der Dank – natür lich als Allererstes beim Petitionsbüro, auch für die Geduld mit mir. Nicht jeder, der protokollieren muss, kann Schwä bisch stenografieren. Ich bedanke mich selbstverständlich auch bei meinen Kolleginnen und Kollegen, bei allen Mitglie dern des Ausschusses, für die konstruktive Zusammenarbeit, aber auch bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Denn das Bearbeiten von Petitionen bedeutet wirklich sehr viel Papierkram, die Analyse von sehr vielen Paragrafen. Des halb macht das auch nicht jeder gern. Wer es aber einmal an
gefangen hat, bekommt es, so wie ich, auch nicht mehr los. Denn ich werde, wenn ich die nächsten drei Perioden noch gewählt werden sollte, selbstverständlich im Petitionsaus schuss bleiben.
Jetzt spricht für die FDP/DVP-Fraktion Herr Abg. Dennis Birnstock. – Bitte sehr, Herr Abg. Birnstock.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Schaut man sich die Petitionen mit den meisten Unterschriften auf Change.org – wohl die größte Kampagnenwebseite der Welt – an, landet dort die Petition „SaveTheInternet ‚#Uploadfilter‘“ mit 5,3 Millionen Unter schriften auf Platz 3.
Auf dem zweiten Platz liegt die Petition „Gerechtigkeit für Breonna Taylor“ mit 11,4 Millionen Unterschriften. Breonna Taylor war eine Afroamerikanerin, die im März 2020 in den USA bei einem Schusswechsel ihres Mannes mit der Polizei erschossen wurde.
Noch deutlich bekannter ist sicherlich der Fall George Floyd, der nur zwei Monate später bei einem Polizeieinsatz in den USA fahrlässig getötet wurde. Dieser Fall mit dem Titel „Justice for George Floyd“ wurde mit 19,7 Millionen Unter schriften zur meistunterschriebenen Petition auf der besagten Internetseite.
Auch wenn diese Petitionen – wenn man sie überhaupt so nen nen kann – sicherlich zur Bekanntheit dieser Fälle beigetra gen haben und diese Art von Kampagnenseiten auch helfen können, unbekanntere Themen und Ungerechtigkeiten in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, so ist leider nicht sicher, was aus einer entsprechenden Kampagne wird. Die verschie denen Seiten schreiben zwar, dass man sich darum kümmert; eine rechtliche Grundlage oder eine Garantie dafür gibt es je doch nicht.
Dabei ist vielen gar nicht bekannt – das wurde von meiner Vorrednerin und meinen Vorrednern bereits mehrfach ange sprochen –, dass man nicht erst Tausende von Unterschriften sammeln muss, damit ein Anliegen die nötige Aufmerksam keit bekommt. Denn in Artikel 17 unseres Grundgesetzes steht geschrieben – ich zitiere –:
Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemein schaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwer den an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.
In Artikel 35a der Landesverfassung von Baden-Württemberg ist zudem festgeschrieben, dass der Landtag einen Petitions ausschuss zu bestellen hat, der die Bitten und Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger behandelt.
Damit ist der Petitionsausschuss der einzige Ausschuss, der Verfassungsrang besitzt und somit gebildet werden muss. Für die Rahmenbedingungen seiner Arbeit gibt es sogar ein eige nes Gesetz. Auf dieser Grundlage kann sich jede und jeder, die oder der mit Entscheidungen von Ämtern und Behörden im Land nicht einverstanden ist, an den Landtag wenden. Da bei muss man lediglich das Anliegen, seinen Namen und sei ne Adresse angeben und unterschreiben. Es bedarf keiner ein zigen weiteren Unterschrift, damit sich die Abgeordneten mit dem Anliegen befassen.
Über die zeitgemäßen Neuerungen, die wir im Petitionsaus schuss aktuell planen und die ich natürlich ausdrücklich be grüße, haben meine Vorredner schon berichtet.
An der beträchtlichen Zahl von über 5 000 Petitionen pro Le gislaturperiode sieht man, dass dieses Instrument auch rege genutzt wird. Dabei reichen die Themen von der Einforderung einfacher Dokumentationspflichten über Beschwerden zu di versen Bausachen bis hin zu Gnadenfällen, Asylverfahren und teils tragischen Schicksalen.
Teilweise geht es aber auch um Grundlegendes wie die Coro napolitik der Regierung, um verschiedene Verbesserungsvor schläge zum Bildungssystem oder um die Aufarbeitung von vergangenen Schreckenstaten wie z. B. den Kinderverschi ckungen.
Nicht immer reicht es dabei aus, die Akten zu studieren. Dann bildet der Petitionsausschuss eine Kommission und schaut sich die Dinge vor Ort an. So geschieht dies z. B. bei mancher Bausache oder auch einmal dann, wenn es um den einen oder anderen Rettungshubschrauber geht, dessen Standort verlegt werden soll.
Doch auch wenn wir – jetzt spreche ich wahrscheinlich für al le Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss – stets versuchen, eine Lösung zu finden, ist auch der Petitionsausschuss an Recht und Gesetz gebunden. Leider gibt es dabei auch immer wieder Fälle, die durch das Raster fallen und deutlich machen, dass Recht nicht immer als solches empfunden wird. Deshalb ist die stetige Weiterentwicklung des Rechtsrahmens wichtig. Es macht aber auch deutlich, dass nicht alles bis ins kleinste Detail gesetzlich geregelt werden kann und vor allem auch nicht sollte.
Bei all den schwierigen Entscheidungen schätze ich die Zu sammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen im Aus schuss, die im Gegensatz zu der Arbeit in anderen Ausschüs sen und der allgemeinen Landespolitik weniger von parteipo litischen Färbungen beeinflusst wird. Denn hier prüft zur Ab wechslung nicht nur die Opposition das Regierungshandeln kritisch.