Protokoll der Sitzung vom 05.12.2002

Es ist uns bewusst: Kritik zu üben ist Teil Ihres Jobs in der Opposition auf Bundesebene. Aber kehren Sie dort, wo es angesagt ist, vor Ihrer eigenen Tür und überspannen Sie den Bogen nicht, wie Sie es mit dem Untersuchungsausschuss tun. Letztlich fliegt die Kritik wie ein Bumerang auf Sie zurück.

(Glück (CSU): Da brauchen Sie sich nicht zu sorgen!)

Um Sie mache ich mir wirklich keine Sorgen.

(Glück (CSU): Lassen Sie das unsere Sorge sein!)

Meine Herren und Damen, mit nachhaltigem Wirtschaften hat der Haushaltsplan der Staatsregierung nichts, aber auch gar nicht zu tun. Vielleicht hat ja der vom Ministerpräsidenten ernannte Entbürokratisierer ein paar gute Ideen, auf die die Staatskanzlei trotz des in ihrem Haushalt vorhandenen Titels „Prämierung herausragender Vorschläge zur Verbesserung der Verwaltung“ alleine nicht kommt. Interessieren würde mich nur, ob die Staatskanzlei für den Entbürokratisierer auch zu den zu Überprüfenden gehört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für einen Ministerpräsidenten arbeiten 414 Beamtinnen und Beamte, für 204 Abgeordnete arbeiten etwa die Hälfte, nämlich circa 200 Beamtinnen und Beamte. Ich sage Ihnen: In diesen Zahlen drückt sich schon ganz klar aus, wieviel Achtung man vor dem Parlament hat, und es drückt sich ganz klar aus, dass es hier ein Missverhältnis zwischen Exekutive und Legislative gibt.

Meines Wissens gab es schon einmal so ein Gutachten. Das hat Ministerpräsident Streibl als Lean-ManagementGutachten zum Um– und Ausbau der Verwaltung durchführen lassen. Ich frage mich: Wurde das eigentlich jemals offen diskutiert, wurden daraus irgendwelche Konsequenzen gezogen?

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Streibl wurde da eingespart!)

Danke, das ist genau die Antwort, die ich wissen wollte. Eigentlich sollte diese Arbeit doch in der Staatskanzlei und in den Ministerien in Zusammenarbeit mit dem Obersten Rechnungshof erfolgen.

Seit 1993 sind Sie Ministerpräsident in Bayern und ich frage mich: Ist Ihnen erst heute aufgefallen, dass Entbürokratisierung angesagt ist? In den Kommunen – und viele von Ihnen kommen ja aus der Kommunalpolitik – wird doch schon seit Jahren über Verwaltungsvereinfachung, über Verwaltungsreformen, über Entbürokratisierung gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diskutiert und auch gehandelt. Und da kommen Sie, obwohl seit 1993 im Amt, heute endlich darauf, dass es vielleicht auch angesagt wäre, selbst einmal zu schauen, wo man etwas zur Verwaltungsreform beitragen kann.

Meine Herren und Damen, ich sage, es würde schon dadurch Geld gespart, wenn sich die Staatskanzlei nicht mehr wie im Jahr 1919 als Staatsministerium des Äußeren sehen würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damals hieß die Staatskanzlei nämlich noch so. Der bayerische Ministerpräsident gebärdet sich auch immer noch wie ein Außenminister samt Staatskanzlei mit hoch bezahlten Beamten als Oppositionszentrale und die Staatsregierung als dazugehörige Exilregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): War das der angekündigte Witz?)

Ich habe keine Witze angekündigt. Ich habe gesagt, es wird nett, wenn Sie hier im Saal bleiben.

Ist es nicht auch so, dass in der Staatskanzlei immer noch ein Team für sicherheits– und außenpolitische Fragen existiert? Dann aber – das muss ich Ihnen sagen – sollten Sie sich ein anderes Team suchen; denn das, was schlecht vorbereitet war, das war Ihre USA-Reise. Da wollte uns Herr Stoiber vorführen, wie es mit dem Händeschütteln richtig geht. Er hat groß angekündigt, er

fahre in die USA. Das Programm wurde immer mehr abgespeckt. Man hat gemerkt: Hoppla, da will ja gar keiner mit uns reden. Schließlich hat man es irgendwann sein lassen. Jetzt müssen Sie einfach feststellen, dass nicht der Exkandidat die Welt rettet, sondern Joschka Fischer

(Zuruf von der CSU)

der angesagte Gesprächspartner ist. Den Satz zu Ende hören!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Ich habe durchaus auch ein gewisses Einsehen, wenn Herr Bernhard im Auftrag des Ministerpräsidenten im Finanzausschuss argumentiert.

(Dr. Bernhard (CSU): Eigenständig!)

Das bezweifle ich, Herr Dr. Bernhard. Ich hätte es Ihnen vor vier Jahren vielleicht noch geglaubt, wissen Sie, aber jetzt nicht mehr!

(Hofmann (CSU): Wir sind sehr kollegial!)

Ach, Herr Hofmann, erzählen Sie mir bitte nichts von Kollegialität

(Zurufe von der CSU)

Ja, gacker, gacker.

(Zuruf des Abgeordneten Glück (CSU))

Ich versuche es nachher wieder zu heilen.

Ich habe durchaus ein, wenn auch begrenztes Einsehen, wenn Herr Bernhard im Finanzausschuss sagt, man brauche mehr Mittel in der Staatskanzlei, wenn es zum Beispiel um den Vorsitz bei der Ministerpräsidentenkonferenz gehe. Ganz klar! Allerdings muss man auch fragen dürfen, ob das in diesem Umfang sein muss. Ich verstehe auch, wenn man sagt, man brauche mehr Geld für Initiativen im Bundesrat. Bloß, in diesem Zusammenhang gestatten Sie mir die Frage: Welche Initiativen? Wofür Sie für uns kein Geld genehmigt bekommen, was Ihnen auch Wurst ist, das weiß ich – das sind ja auch wirklich Steuergelder –, das ist Ihre bayerische Blockadepolitik. Diese Initiativen brauche ich im Bundesrat nun weiß Gott nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, aber im gesamten Entwurf des Einzelplans 02 habe ich nicht einen Titel gefunden, der „Oppositionspolitik gegen Berlin“ heißt. Ich meine, immerhin ist es begrüßenswert, dass jetzt die Gerichtskosten halbiert werden sollen. Das lässt hoffen. Vielleicht wird dann doch von der einen oder anderen der Klagen abgesehen, mit denen man uns dummerweise von Staatsregierungsseite überzogen hat. Was heißt „uns“? Wichtige Projekte!

Aber nachdem auch 2003 wieder ein Wahljahr ist, will man natürlich auf die Veranstaltungen, auf denen sich der Herr Ministerpräsident als „Grüß-Gott-Onkel“ präsentieren kann, nicht ganz verzichten. Deshalb hat man die Präsentationshaushaltstitel ungeschoren lassen. Lieber spart man dann bei jungen Filmemachern. Und – wen wunderts? – die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit steigen im Wahljahr von 1,37 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 4 Millionen Euro im Jahr 2002 und im Jahr 2003 soll es immer noch bei 3,68 Millionen Euro bleiben. Es heißt dort, schön im Haushalt gedruckt: „Für das Informationswesen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsregierung“. Das muss man mir schon näher begründen. Ist in den vormaligen Zuschüssen nicht auch der Internetauftritt enthalten gewesen, der jetzt schon längst steht? Dazu kann ich nur sagen: Runter mit den Mitteln!

Die gleiche Fieberkurve zeigt der Haushaltstitel zur Erforschung der öffentlichen Meinung. Das ist ein sehr interessanter Haushaltstitel und uns würde brennend interessieren, welche öffentliche Meinung Sie hier erforscht haben. Ich kündige jetzt schon ein Briefchen von uns an, in dem wir Sie bitten werden, auch uns diese ganzen demoskopischen Ergüsse mitzuteilen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Der Ansatz bei diesem Titel wurde von 64000 Euro auf 119600 Euro erhöht. Das klingt jetzt nicht nach einem dramatischen Betrag, aber in Mark ist das immerhin fast eine Viertelmillion. Wirklich eine Schelmin, die in einem Wahljahr hier Böses denkt!

Ich lasse es jetzt mit diesen detaillierten Betrachtungen bewenden, obwohl wir heute Haushaltsdebatte haben, weil die Probleme in Bayern eigentlich ganz andere sind. Es fehlt an Antworten für die Zukunft, an einem tragfähigen modernen Gesellschaftsbild, am Schutz unserer Lebensgrundlagen. Privatisierungsgelder, die hier innovativ eingesetzt werden könnten, wurden in wirtschaftlich guten Zeiten verpulvert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90 /DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): Das ist ja unglaublicher Schwachsinn!)

Wir haben bis heute keinen Beleg, ob die Privatisierungsgelder sinnvoll ausgegeben wurden. Sie haben sich immer dagegen gewehrt, wenn unsere Haushaltsexpertin gefordert hat, sich einmal anschauen zu dürfen, was von den Projekten übrig geblieben ist und welche jetzt noch selbstständig arbeiten.

(Dr. Bernhard (CSU): Das haben wir im Haushaltsauschuss gemacht! – Weitere Zurufe von der CSU)

Ja, mit meiner Kollegin rede ich lieber selber.

Dennoch hat der Freistaat anscheinend viel zu verschenken und kontrolliert nicht so genau, wohin die Mittel fließen. Wenn es sich um EU-Mittel für katholische Einrichtungen, für die katholische Arbeitnehmerbewe

gung handelt, ist es ohnehin gleich, was mit dem Geld passiert.

Dafür bekommen wir dann als Entschädigung für verfehlte bayerische Finanzpolitik eine Wahrheitskommission auf Bundesebene nach dem Vorbild Südafrikas.

Ich muss Ihnen sagen, statt eine Wahrheitskommission einzurichten würde ich es begrüßen, wenn Sie sich wirklich mit der Zukunft dieses Landes beschäftigen würden, beispielsweise mit dem Schutz der Lebensgrundlagen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte auch hier noch einmal auf den reichen Zitatenschatz von Herrn Ministerpräsident Stoiber zurückkommen:

Was nützt uns die größte Ökonomie und was nützen uns die größten Freiheitsrechte, wenn

und lassen Sie sich das jetzt auf der Zunge zergehen –