Ich will natürlich auch etwas zur Qualität der Kindergärten sagen, weil sich der Antrag der Grünen ganz dezidiert mit der Qualität auseinandersetzt. Wir sind auch für Mindeststandards und Rahmenbedingungen, die aber momentan mit den Finanzierungsrichtlinien für Kindergärten ad absurdum geführt werden. Diese Richtlinien sind nicht der richtige Ansatz, sie wirken sich hinsichtlich der Qualität der Einrichtungen eher kontraproduktiv aus. Wenn Sie sich damit auseinandersetzen, werden Sie das feststellen. Sie müssen sich einmal diese Mühe machen, liebe Kollegen.
Vor allem sollte über die Professionalität derer nachgedacht werden, die im Kindergarten arbeiten. Wir haben auch schon vorgeschlagen, die Erzieherinnen an der Fachhochschule ausbilden zu lassen. Ich bin gespannt,
wie lange es dauert, bis sich die CSU diesem Vorschlag anschließt. Aus der europäischen Entwicklung können wir uns nämlich gar nicht mehr ausklinken.
Wir müssen mit dem Kindergarten vor allem auch alle Kinder erreichen. Wir dürfen gerade in der Vorschulzeit niemand zurücklassen. Wichtig ist es vielleicht auch noch, dass wir den Bildungsbegriff erweitern, denn viele haben Angst davor, dass wir die Schule nur ein Stück nach vorne ziehen. Wir müssen deswegen den Bildungsbegriff überdenken und neu definieren. Wir dürfen nicht nur das Kognitive im Auge haben, sondern wir müssen auch die sozialen Kompetenzen sehen, welche der Kindergarten vermittelt. Deshalb geht es uns nicht darum, die Schule nach vorne zu ziehen und schulisches Lernen auf den Kindergarten zu übertragen. Wir wollen vielmehr die besondere Art des Lernens nutzen. Gerade die Gehirnforschung zeigt uns, dass im Vorschulalter schon sehr vieles möglich ist. Vieles ist vor allem dann nicht mehr möglich, wenn man es nicht frühzeitig nutzt. Dazu gibt es Modellversuche in den anderen Bundesländern, aus denen man lernen kann. Bayern ist nicht immer spitze, auf diesem Bereich schon ganz bestimmt nicht. Vielleicht wäre es auch einmal notwendig, über die Ländergrenzen hinauszusehen und von anderen Bundesländern zu profitieren.
Wir wollen vor allen Dingen, dass die Kinder nicht auf der Strecke bleiben. Darum gefällt mir auch der Titel des Antrags der Grünen sehr gut. Es ist ganz wichtig, die Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, weil wir glauben, dass die Kinder ein Recht auf Bildung haben. In Bayern wäre es ganz wichtig, dieses Ziel zu formulieren, weil wir ja noch nicht einmal das Recht auf einen Kindergartenplatz verwirklicht haben. Deshalb wäre es wichtig, einmal das Recht auf Bildung zu postulieren.
Noch ein Wort zu den Finanzen: In Zeiten, in denen das Geld knapp ist, muss man Prioritäten setzen. Wir tragen öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder. Die Eltern, die Kommunen und die Träger dürfen nicht allein gelassen werden, gerade was die Finanzierung anbelangt. Dass Finanzen bereitgestellt werden können – wenn man will und Prioritäten setzt –, das beweist dieses Haus bei jeder Plenarsitzung. Zum Beispiel gestern beim Transrapid: Da können ganz schnell zur Vorfinanzierung irgendwelcher Planungsaufgaben 60 Millionen e zur Verfügung gestellt werden. Angesichts der Wichtigkeit der Bildung in der frühen Kindheit muss es möglich sein, die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Bei uns in Bayern ist es leider so: Je kleiner und jünger die Kinder sind, desto weniger Geld wird ausgegeben. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus: Je kleiner und jünger die Kinder sind, desto mehr müssen wir in die Köpfe dieser Kinder investieren, um daraus eine Zukunftsinvestition zu machen.
Noch einmal zurück zur Finanzierung – sicherlich ist es wichtig, zu wissen, um welche Summe es sich handelt: Die 20%, die die Eltern und die Träger für den Kindergartenbeitrag aufbringen, das sind ca. 75 Millionen e pro Jahr; die müssen meiner Meinung nach in einem Haushalt mit einem Volumen von 34 Milliarden e zu finden sein. Es gibt weitaus ärmere Bundesländer, die sich das leisten können. Wenn es möglich ist, für andere Dinge Prioritäten zu setzen, dann muss es auch hierfür möglich sein.
Dem Antrag der GRÜNEN stimmen wir inhaltlich voll zu. Wir sehen natürlich, dass es eine Aufrechnung geben könnte, zuerst Qualität sicherzustellen und dann die Kinder verpflichtend und kostenfrei in den Kindergarten zu schicken. Ich bin der Meinung, dass man das eine tun und das andere nicht lassen sollte, dass man beides erreichen und die Standards und Bedingungen in den Kindertagesstätten verändern muss. Wir haben schon einige Verbesserungsvorschläge eingebracht, die leider nicht immer auf Zustimmung der Mehrheitsfraktion treffen. Es geht um die Gruppenstärke, es geht um die Vorbereitungszeiten beim Personal und bei den Leiterinnen, es geht um die Ausbildung; dazu haben wir schon Vorschläge gemacht. Gerade was die Finanzierungsrichtlinien anbelangt, werden wir unsere Vorschläge einbringen. Ich glaube, dass die Zeit reif ist für das Thema Bildung in der frühen Kindheit, alle Kinder zu erreichen, das letzte Kindergartenjahr verpflichtend und kostenfrei für die Eltern zu machen.
Ich denke, dass die Zeit für die CSU noch nicht reif ist. Ich bin davon überzeugt, Herr Staatssekretär, dass wir uns bald in diesem Sinne erneut sprechen, dass Sie sich unseren Forderungen nach einer bestimmten Zeit anschließen werden.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich gebe bekannt, dass die CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt hat.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Anscheinend hat man befürchtet, dass bei einer normalen Abstimmung ein Unglück passieren und so ein Antrag vielleicht eine Mehrheit finden könnte und beim „Hammelsprung“ vielleicht nicht mehr genügend Leute aus der Gaststätte heraufkommen könnten.
Zur Sache – das ist ein ernster Inhalt: Wer sich mit frühkindlicher Bildung beschäftigt und sich auskennt, der weiß – die OECD-Studie hat es gezeigt –, dass der Kopf bei uns in Deutschland gut ausgestattet ist. Das heißt, die Gymnasien und die Hochschulen haben im Vergleich relativ viel Geld, aber es fehlt am Fundament. Wenn man
sich einer Weisheit aus dem Baugewerbe annähert, dann weiß man, dass man am Fundament mit dem Bauen anfängt. Wir fordern deshalb, dass die Grundlagen für Grundschüler, die Kinder in den Kindergärten, aber auch schon in den Kinderkrippen – was mit frühkindlicher Bildung auch schon etwas zu tun hat – wesentlich besser werden müssen. Bei der CSU finden vielleicht die alten Sprichworte eher Anklang: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wir müssen in eine Debatte einsteigen und die Finanzierung der Bildung und die Reform der Bildungsfinanzierung prüfen. Für uns ist wichtig, dass der Kopf auf die Füße gestellt wird.
Unter dieser Prämisse müssen wir eine gesellschaftliche Diskussion entfachen, damit die irrige Annahme, dass die frühkindliche Bildung, so wie sie ist, eigentlich ganz gut ist und sich daran nichts ändern muss, ausgeräumt wird.
Die Folge der Privatisierung der frühkindlichen Bildung ist – das haben wir hier –, dass Eltern, die bildungsbewusst sind und ihre Kinder fördern, die sie anregen – –
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Schopper, vielleicht kann ich die Lücke füllen, bis Sie die Stimme wieder haben. Zur Erläuterung: Es ist namentliche Abstimmung zu beiden Anträgen beantragt.
Es darf nicht angehen, dass Eltern, die ihre Kinder nicht so fördern – aus welchen Gründen auch immer – den Zug in Richtung frühkindliche Bildung verpassen. Das sind Defizite – Frau Kollegin Werner-Muggendorfer hat es schon angesprochen –, die in den folgenden Jahren mitunter nicht mehr ausgeglichen werden. Dass Kinder, oft aus Migrantenfamilien oder bildungsfernen Haushalten, die Schule Woche für Woche und Tag für Tag mit Frust erleben, ist ein Drama, dem wir nicht tatenlos zuschauen können. Wir müssen handeln. Es darf nicht sein, dass Kinder für ihre Eltern haften.
Wir müssen das Fundament für Chancengleichheit und Perspektiven schon im Kindergartenalter legen. Das ist oftmals die erste Instanz, wo die Kinder jenseits der elterlichen Erziehung angeregt werden und wo ihnen soziale Kompetenz, aber auch Kompetenz in allen anderen Bereichen, vermittelt wird.
Von daher begrüßen wir den Antrag der SPD für ein beitragsfreies, verpflichtendes Kindergartenjahr. Trotzdem muss geschaut werden, wie sich die Rahmenbedingungen in den Bildungseinrichtungen ändern, wenn das Geld für die Beitragsfreiheit aus dem Haushalt genommen bzw. darin eingestellt wird. Wir haben momentan
eine Besuchsquote von 95%. Wir wollen die 5%, unter denen oft Kinder sind, die es am bittersten nötig hätten, mit in den Kindergarten integrieren können. Finanziell ändert sich für sozial Schwache erst einmal nichts. Die Eltern dieser Kinder erhalten bereits heute über die Jugendhilfe ihre Beiträge erstattet.
Jetzt stellt sich die Frage, wie die 5% der Kinder in den Kindergarten kommen. Wenn es nicht am Geld liegt, dann muss die Aufklärung verstärkt und Hilfestellung gegeben werden. Wir dürfen nicht nur mit einem Faltblatt, mit einem öffentlichen Appell den Eltern den Wert dessen, was im Kindergarten vermittelt wird, vor Augen führen. Es muss auch aufsuchende Elternarbeit geleistet werden, damit genau diese Kinder eine Chance erhalten, in den Kindergarten zu gehen. Wir sehen genau, welches Schulkind in der Schule ist, welches zurückgestellt ist; wir könnten auch Kindergartenkinder entsprechend erfassen, sodass wir an diese Kinder herankommen. Die Aufklärungsarbeit muss verbessert werden, damit auch die Kinder dieser Eltern in den Genuss des Kindergartenbesuchs kommen.
Ich sehe bei der Debatte über das verpflichtende Kindergartenjahr im Moment die Gefahr, dass argumentiert wird, jetzt wird die Schule um ein Jahr vorgezogen. Bei größeren Gruppen haben wir eine Teilungsgrenze bei 33 Kindern, damit sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, damit wir inhaltlich keine substanziellen Änderungen haben, auch nicht in der Qualität.
Wir wollen das Geld, das zu 20% aus Elternbeiträgen, von den Trägern und der Jugendhilfe kommt. Wir haben eine Anfrage gestellt und sind zu einem höheren Betrag gekommen. Uns gegenüber war die Aussage des Ministeriums, dass es 111 Millionen e im Jahr sind. Wir wollen diese Gelder erst einmal nicht in die Beitragsfreiheit investieren. Für uns steht zum jetzigen Zeitpunkt die Qualität in den Einrichtungen und in den Kindertagesstätten im Vordergrund, damit dort mehr gemacht wird.
Das heißt für uns, Senkung der Gruppenstärke, und das heißt vor allem, dass wir die Kinder individuell fördern müssen. Wir müssen mit einem individuellen Entwicklungsplan die Kinder dort abholen, wo sie stehen. Momentan gilt das Prinzip der Gleichmacherei. Wir stärken nicht die Starken, und wir schwächen nicht die Schwachen. Wir machen auch keine Entwicklungspläne, die die sprachlichen, kognitiven, musischen, motorischen und sozialen Fähigkeiten der Kinder gezielt stützen und entwickeln.
Ich glaube, da wird die CSU noch viel an Neuerungen miterleben müssen. Es muss auch neue Typen von Einrichtungen geben. Das Motto „Alles unter einem Dach“ wird immer wichtiger werden. Wir müssen Zentren einrichten, wo die Kinder nicht nur betreut und nach einem individuellen Ansatz gestützt, erzogen und gebildet werden – was die Trias im Bayerischen Kindergartengesetz ist –, wir brauchen auch Einrichtungen, wo wir Beratungsangebote integrieren und wo die sprachlichen Fähigkeiten auch der Eltern und hier vorwiegend der Mütter verbessert werden. Die so genannten Early Excellence Centres sind ein Beispiel dafür, dass der Zug auch irgendwann in Bayern halten muss.
Wir müssen auch Instrumente zur externen Qualitätssicherung aufbauen, damit die Umsetzung des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans gewährleistet ist. Mir ist das bisher zu wenig. Momentan wird hier mit großen Schlagworten agiert. Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan, den wir unterstützen, kann nicht nur über eine Abfrage bei den Eltern funktionieren, mit der ermittelt wird, ob das jetzt passt oder nicht, wie wir das bei meiner ersten Mündlichen Anfrage gehört haben.
Wir müssen auch sehen, dass die Ansprüche an die Erzieherinnen vielfältiger werden. Wenn wir sagen, das muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden, dann darf auch der Weg an die Universität nicht verschlossen bleiben. Wir müssen die Erzieherinnen und Erzieher – hoffen wir, dass wir ein paar männliche Erzieher bekommen – in ihrer Ausbildung besser unterstützen, gerade was die Praxisanleitung betrifft. Das ist eine Reihe von Aufgaben, bei denen wir die Schwelle zur konkreten Umsetzung überschreiten müssen.
Deshalb haben wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN uns dafür entschieden, dass wir angesichts der Bedürfnisse zum jetzigen Zeitpunkt das Geld dort einsetzen, wo es am meisten gebraucht wird. Dazu sage ich, wir brauchen momentan mehr Qualität in den Bildungseinrichtungen, in der Grundschule und vor allem in den Kindertagesstätten. Wir brauchen dort mehr Qualität. Von daher haben wir uns dafür entschieden, erst einmal auf die Beitragsfreiheit zu verzichten; denn zum momentanen Zeitpunkt ist ihre Umsetzung schwierig, ohne dass es zu einem Qualitätsverlust kommt.
Daneben brauchen wir dringend eine Debatte zur Bildungsfinanzierung. Es kann nicht angehen, dass wir Studien von McKinsey und der OECD – und wer auch immer uns kurzzeitig aufschrecken mag und Katzenjammer produziert – nur zur Kenntnis nehmen. Wir müssen mit dem Grundsatz wirklich ernst machen, dass wir lieber früh investieren als spät reparieren.
Die CSU begleitet zwar vieles mit Wohlwollen, aber wenn es darauf ankommt, Nägel mit Köpfen zu machen, lehnt sie ab. Ich sage Ihnen, das wird einmal auf Sie zurückfallen. Denn es geht nicht an, dass wir den Kindern nichts Gutes tun, aber für andere Dinge das Geld locker machen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich, bevor ich auf die Anträge eingehe, zwei grundsätzliche Bemerkungen machen. Erstens muss man ausdrücklich feststellen, dass die
Kindergartenlandschaft in Bayern bereits heute gut ist. In den Einrichtungen wird gute Arbeit geleistet. Wir sollten nicht so tun, als würden wir bei Null anfangen.
Zweitens. Sie tun so, als fände in der Familienpolitik, in der Politik für die Kindertagesstätten im bayerischen Haushalt eine Negativentwicklung statt. Das ist doch völlig falsch; da lügen Sie sich in die eigene Tasche. Der Freistaat Bayern stellt jährlich über 250 Millionen e für den laufenden Betrieb zur Verfügung und darüber hinaus für den Ausbau weiterer Plätze in den nächsten fünf Jahren mehr als 313 Millionen e. Das sind Größenordnungen, die zeigen, der frühkindliche Bereich ist ein Schwerpunkt bayerischer Politik. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis.