Es ist ja sehr löblich, dass sich die CSU-Fraktion endlich dem Druck der Opposition, der kommunalen Spitzenverbände und auch dem Druck der Straße gebeugt hat und bei der Festschreibung des Konnexitätsprinzips in der Bayerischen Verfassung klein beigegeben hat. Ob dafür die inzwischen gewachsene Einsicht verantwortlich war oder die Angst vor dem drohenden Volksbegehren, kann sich jeder selbst ausmalen. Der Zeitpunkt des Meinungsumschwungs war jedenfalls allzu offensichtlich.
Wir müssen nur Revue passieren lassen, wie standhaft sich die CSU all die Jahre gegen die Einführung des Konnexitätsprinzips auf Landesebene gewehrt hat. Auch in der Praxis haben Sie sich nicht annähernd daran gehalten. Keine Gelegenheit wurde ausgelassen, die Städte und Gemeinden zusätzlich zu belasten. Gerade in den letzten Jahren wurden den Kommunen erhebliche Lasten durch das Land aufgebürdet, ohne auch nur annähernd einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu schaffen. Ich nenne nur die Schülerbeförderungskosten, die zusätzlichen Kosten durch die Einführung der sechsstufigen Realschule, die Computerausstattung an Schulen, die Nachmittagsbetreuung, die Ganztagsschule und die Schulsozialarbeit. Hier ist ein ganzes Sündenregister zusammengekommen.
Ich nenne auch Ihre standhafte Weigerung, die Kosten für die Lehrergehälter an den kommunalen Schulen vollständig zu übernehmen. Die kommunalen Schulen sind damals übrigens nur deswegen eingeführt worden, weil der Freistaat seine Einrichtungen noch nicht so weit hatte. Die Kommunen sind vorausgegangen, weil es eben noch nicht hinreichend viele schulische Einrichtungen gegeben hat, um eine vernünftige Bildungsversorgung sicherzustellen. Jetzt bleiben die Kommunen aber zum größten Teil auf ihren kommunalen Lehrergehältern sitzen.
Nachdem diese ganzen Übertragungen stattgefunden haben, fällt es natürlich leichter, im Streit um die Festschreibung des Konnexitätsprinzips nachzugeben. Jetzt sind die größten Grausamkeiten verteilt. Dass jetzt der Gesetzentwurf aller Fraktionen zur Änderung der Bayerischen Verfassung vorliegt, ist große Klasse. Damit wird das Konnexitätsprinzip eingeführt und das Anhörungsrecht der Kommunen gegenüber dem Landtag verankert, natürlich vorbehaltlich der Volksabstimmung am 21. September. Ich bin aber guten Mutes, dass wir die Bevölkerung gemeinsam davon überzeugen können, dass diese Reform wichtig und sinnvoll ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, warum nicht gleich so? – Warum mussten die Städte und Gemeinden so lange auf das Konnexitätsprinzip warten? – Vor diesem Hintergrund hat der heutige CSU-Antrag einen sehr hohen Scheinheiligkeitsfaktor. Das müssen Sie sich vorwerfen lassen.
Die CSU stellt sich plötzlich als Kämpfer für die Konnexität und als Retter der Kommunen dar. Damit wird die geschickte Taktik verfolgt, von den eigenen Versäumnissen abzulenken. Ich möchte diese Versäumnisse einmal aufzählen: Wann wurde auf Bundesebene die gewerbesteuerliche Organschaft eingeführt? – Damals war Finanzminister Waigel verantwortlich. Er hat die gewerbesteuerliche Organschaft, also die umfangreichen Abschreibungs- und Gegenrechnungsmöglichkeiten für die Konzerne geschaffen. Aus diesem Grunde brechen jetzt die Gewerbesteuereinnahmen weg.
Ich möchte ferner die unzureichende Ausstattung der Kommunen durch den kommunalen Finanzausgleich für bereits übertragene Aufgaben anführen. Außerdem nenne ich die Blockade des Steuervergünstigungsabbaugesetzes im Bundesrat. Sie entziehen damit den Kommunen für das Jahr 2003 Mehreinnahmen in Höhe von 280 Millionen e, die im Jahr 2004 1,3 Milliarden e betragen werden. Bis zum Jahr 2006 entziehen Sie den Kommunen Mehreinnahmen in Höhe von jährlich 2,6 Milliarden e.
Beim nächsten Dringlichkeitsantrag, den wir zu behandeln haben, setzen Sie sich für das falsche Modell einer Gemeindefinanzreform auf Bundesebene ein. Ich fordere Sie auf, das Modell für die kommunale Betriebssteuer zu unterstützen, wie dies auch die kommunalen Spitzenverbände tun. Damit würden Sie den Kommunen einen großen Dienst erweisen.
Sie sind auch Weltmeister im Nebelkerzenwerfen. Sie haben bezüglich der Kosten für die Grundsicherung ein Horrorgemälde an die Wand gemalt. Dabei gibt es hier eine Zusage des Bundes, nach dem Konnexitätsprinzip zu handeln. Das Grundsicherungsgesetz ist sehr sinnvoll, da damit der versteckten Armut entgegengewirkt werden kann. Zunächst wurden für dieses Programm 409 Millionen e zur Verfügung gestellt, davon 34,9 Millionen e für Bayern. Die erste Rate müsste bereits überwiesen worden sein. Haben Sie dieses Geld schon an die Kommunen weitergeleitet oder liegt es immer noch auf einem Staatskonto? –
Wir haben im Moment noch keine Klarheit darüber, was die Grundsicherung unter dem Strich kosten wird. Über die betreffenden Anträge ist noch nicht entschieden. Außerdem sind noch längst nicht alle Anträge gestellt worden. Zunächst muss abgerechnet werden. Bei Bedarf wird der Bund nachlegen. Wiederholen Sie also bitte nicht permanent Ihre Lügen. Sie werden dadurch nicht wahrer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Forderung nach der Festschreibung des Konnexitätsprinzips auf Bundesebene ist richtig und wichtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, wenn Sie unserem Anliegen, einen bundesweiten Volksentscheid einzuführen, folgen würden, wären wir schon einen Schritt weiter; denn was in Bayern funktioniert, wird auch beim Bund Erfolg haben.
Mit einem bundesweiten Volksentscheid zur Einführung des Konnexitätsprinzips könnte auch eine Grundgesetzänderung befördert werden. Sie haben damit inzwischen Erfahrung. Ich wage die Behauptung, dass wir immer noch auf das Einlenken Ihrerseits zur Einführung des Konnexitätsprinzips warten müssten, wenn in Bayern nicht kurz vor den Landtagswahlen das Volksbegehren der Freien Wähler initiiert worden wäre.
Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministe- rium) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte etwas zu den Ausführungen anmerken, die Frau Kollegin Schmitt-Bussinger zu den kommunalen Schulen gemacht hat: Ich habe die Historie der Entstehung dieser kommunalen Schulen studiert. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es außerhalb Bayerns in keinem einzigen Bundesland solche Schulen gibt. Die Gründung dieser Schulen ist das Ergebnis des festen Willens der Kommunen, die diese freiwillige Leistung unter der Überschrift „Stadtluft macht frei“ erbracht haben. Die Kommunen waren der Auffassung, dass sie es besser könnten und dass mehr Schulen dieser Art
benötigt würden. Deshalb haben sie selbst solche Schulen gegründet, obwohl sie dazu nicht verpflichtet waren.
Das ist die Geschichte. Die Entstehung dieser kommunalen Schulen ist das Ergebnis einer vermeintlichen Besserwisserei dieser Kommunen.
Wie untätig die Bayerische Staatsregierung unter der bewährten Führung der CSU in den vergangenen Jahrzehnten in der Bildungspolitik war, zeigt die Pisa-Studie. Das Ergebnis dieser Studie war in Bayern deutlich besser als in anderen Ländern.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Initiative der CSU-Fraktion, das Konnexitätsprinzip auch im Bund einzuführen. Die geltende Finanzverfassung verknüpft die Finanzierungslast mit der Verwaltungszuständigkeit, das ist die so genannte Aufgabenkonnexität. Für die sächlichen und personellen Verwaltungskosten gilt dieser Grundsatz strikt, für die Zweckausgaben lässt die Verfassung in bestimmten Fällen Ausnahmen zu, insbesondere bei der Bundesauftragsverwaltung und bei Geldleistungsgesetzen. Durchbrochen wird dieses Prinzip durch Artikel 104 a mit Geldleistungsgesetzen. Das ist Ihnen bekannt.
Nach der Auffassung aller Länder reicht dies allerdings nicht aus, nicht zuletzt aufgrund der geradezu provozierenden Aufgabenüberstülpung der Kommunen in den letzten Jahren. Auch wenn Sie das wieder empört zurückweisen werden, möchte ich die wichtigsten zusätzlichen Finanzierungsbelastungen der Kommunen durch bundesgesetzliche Maßnahmen nennen. Da ist zunächst die Grundsicherung, über die die Kommunen gegenwärtig eine besonders laute Klage führen. Der Ausgleich des Bundes beläuft sich auf 35 Millionen e, die geschätzten Kosten betragen mehr als das Zehnfache.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Grund für die Belastung der Kommunen liegt in dem Anspruch auf einen Kindergartenplatz.
fast 14 Milliarden e entstanden. Als weiteren Punkt nenne ich die angehobene und nicht mehr zurückgenommene Gewerbesteuerumlage. Ich nenne die Riester-Rente, die bei der Einkommensteuer berücksichtigt wird, was dazu führt, dass die Länder diese Belastung zu 42,5% und die Kommunen zu 15% mittragen müssen. Hier geht es nicht jeweils um ein paar Millionen DM. Hier geht es um eine Belastung von Hunderten von Millionen, ja Milliarden, mit denen die Länder und die Kommunen konfrontiert werden. Deshalb ist es notwendig, die Initiative, die die CSU-Fraktion gestartet hat, weiterzuverfolgen.
Allerdings, meine Damen und Herren, können wir die bayerische Lösung, die heute erfreulicherweise einig im Landtag eingebracht wurde, nicht identisch auf die Bundesebene umklappen. So wird es nicht gehen. Außerdem darf die Konnexität zwischen Bund und Kommunen die Probleme nicht auf die Länder verlagern. Der Bund wird natürlich versuchen, seine höhere Belastung in so einem Fall bei den Ländern zu refinanzieren. Er würde die Länder dann auffordern, über die Umsatzsteuerverteilung letztlich doch zu zahlen. Das ist völlig parteiunabhängig, das war in der Vergangenheit auch so.
Meine Damen und Herren, trotz aller politischen Gegensätze sollten wir uns in diesem Haus einig sein: Wir dürfen es, wenn wir diesen Weg weiter verfolgen, nicht zulassen, dass der Bund Länder und Kommunen gegeneinander ausspielt. Das bedeutet, Länder und Kommunen müssten dann zusätzliche Finanzmasse gewinnen, mit einer bloßen Umverteilung, einem Nullsummenspiel ist dies mit Sicherheit nicht zu bewältigen.
Wir brauchen für eine derartige Lösung auf Bundesebene eine Zweidrittelmehrheit. Das bedeutet, dass man auch die so genannten A-Länder einbinden und die Fraktionen gewinnen muss. Wir haben auf Finanzministerebene bereits ein Gespräch über diese Fragestellung begonnen. Nordrhein-Westfalen und Bayern sind von den Finanzministern beauftragt worden, sich dieses Konnexitätsprinzips in besonderer Weise anzunehmen, es zu vertiefen und zu analysieren. Eine gemeinsame Zustandsanalyse liegt bereits vor. Wichtig ist aber, dass im Vorfeld der weiteren Arbeit in der Bundestagsfraktion der SPD insbesondere und auch bei den GRÜNEN vorbereitet wird, dass man eine entsprechende Festlegung trifft. Denn so kann es nicht sein, dass wir uns in besonderer Weise um die Finanzsituation der Kommunen bemühen, die der nächste Tagesordnungspunkt ist, und auf der anderen Seite geht das Geld, das man möglicherweise für die Kommunen gewinnt, für die Stabilisierung der Kommunalfinanzen, durch zusätzliche nicht kontrollierte und nicht finanzierte Aufgabenzuweisung verloren.
Das heißt, Gemeindefinanzreform hat zwei Beine: auf der einen Seite konstante und ausreichende Finanzierung und auf der anderen Seite Absicherung vor Überlagerung von Aufgaben, die plötzlich und noch nicht gegenfinanziert auf die Kommunen zukommen. Nur beide Beine sichern die finanzielle Solidität der Gemeinden, und da reicht es auch nicht aus, das nur sicherzustellen durch eine Konnexitätsfestlegung und durch eine Konsultationsvereinbarung auf der Ebene des Freistaats
Bayern. Da brauchen wir auch die Einbindung und die Verpflichtung des Bundes, und in diesem Sinne bitte ich Sie von der Opposition, dem Antrag der CSU Ihre Zustimmung zu geben.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/12053 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CSU, die Fraktion der SPD und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag einstimmig angenommen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Kellner und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir brauchen kein Wort darüber verlieren, wie dramatisch die finanzielle Lage der Kommunen in Bayern ist. Es ist dringender Handlungsbedarf.