Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Herr Staatssekretär, Sie sagten, die Bedenken der Oberfinanzdirektion könnten nicht ausgeräumt werden. Die Bedenken beziehen sich auf Sicherheitsbedingungen und ökologische Aspekte. Verstehe ich Sie richtig, dass von staatlicher Seite nicht daran gedacht ist, zum Beispiel durch eine Abstützung der Stollen oder durch eine Sanierung der Stollen, die dem Sicherheitsaspekt Rechnung tragen würde, dazu beizutragen, dass diese Stollen begehbar sind? Können Sie mir sagen, ob bei der Erarbeitung des Konzepts, die erfreulicherweise stattfindet, auch über die personelle Ausstattung nachgedacht wird, damit nicht immer mit ABM-Kräften, die nur von Jahr zu Jahr tätig sind, versucht werden muss, die Initiative am Leben zu erhalten?

Herr Staatssekretär, bitte.

Frau Stahl, wir sind uns in dem Punkt einig, dass eine Nutzung bzw. Öffnung dieser Stollen durchaus einen Sinn hätte. Ich

habe mich in dieser Angelegenheit an Staatssekretär Overhaus im Bundesministerium der Finanzen gewandt, um trotz der Bewertung des Ministeriums, das die Sicherheitsbedenken in den Vordergrund stellte, Möglichkeiten der gedenkstättenpädagogischen Nutzung gerade auch im Kontext mit den seit 2002 vor Ort stattfindenden Baumaßnahmen auszuloten. Leider war die Antwort negativ. Ich bedaure das selbst. Ich wäre froh gewesen, wenn man im Bundesfinanzministerium nicht die Sicherheitsbedenken in den Vordergrund gestellt hätte, sondern die Angelegenheit unter gedenkstättenpädagogischen Gesichtspunkten gesehen hätte.

Das heißt, von bayerischer Seite ist hier ein intensiver Vorstoß unternommen worden. Ich kann Ihnen gern die verschiedenen Schreiben zeigen. Ich weiß nicht, ob Sie die Chance haben, auf die Haltung des Bundesfinanzministeriums über die Bundesregierung Einfluss zu nehmen. Unsere Bemühungen waren leider nicht von Erfolg gekrönt.

Was die Möglichkeiten einer personellen Verstärkung angeht, meine ich, die Angelegenheit wird nach Aufnahme in die Stiftung Bayerische Gedenkstätten in der nächsten Zeit ein Thema werden. Das ist auch im Zusammenhang mit Flossenbürg zu sehen.

Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Ein Brief nach Berlin kostet außer Porto und Arbeitszeit nichts. Natürlich war meine Frage auch auf die finanzielle Unterstützung gerichtet. Wenn eine Unterstützung von bayerischer Seite angesichts der Haushaltslage oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist, wäre doch zumindest darüber nachzudenken, ob die Stiftung Möglichkeiten hat; aber das beschränkt sich vermutlich auf andere Formen der Unterstützung.

Herr Staatssekretär, bitte.

Es wird abzuklären sein, ob das Stiftungsgesetz, das wir hier gemeinsam beschlossen haben, eine bauliche Förderung überhaupt zulässt. Ich habe Bedenken, weil es hier letztlich um eine Angelegenheit der Baulast geht, nämlich um die Absicherung der Stollen. Ins Unreine gesprochen, sehe ich hier den Bund schon deshalb in der Pflicht, weil er die Baulast zu tragen und über die Sicherheitsbedenken zu befinden hat.

Ich bin allerdings sicher, dass man hier, wenn von Bundesseite ein Entgegenkommen da ist, auch in der Stiftung Gedenkstätten dem Vorhaben großes Wohlwollen entgegenbringt. Ich erwähne nochmals ausdrücklich, dass von bayerischer Seite – Herr Vizepräsident, Sie können es in Ihrer Eigenschaft als örtlicher Stimmkreisabgeordneter bestätigen –, wirklich vieles auf den Weg gebracht wurde und dass wir jetzt leider im wahrsten Sinne an der Mauer des Bundesfinanzministeriums stehen.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin.

Kann ich davon ausgehen, dass sich der Freistaat Bayern nunmehr des öfteren auf das Stiftungsgesetz beruft und nicht von sich aus überlegt, für sämtliche Gedenkstätten in Bayern eine Konzeption zu entwerfen, und nicht überlegt, was man gesamtkonzeptionell mit den ganzen Außenstellen machen will?

Frau Abgeordnete, es war auch Sinn und Ziel des Gedenkstättengesetzes, dass die Konzeption auf eine breitere Basis als ausschließlich auf Entscheidungen des Parlaments oder der Staatsregierung gestellt wird. Das heißt, gerade weil wir viele Institutionen einbinden wollen, die auch den großen Willen haben, mit eingebunden zu werden – alle Organisationen, die wir jetzt im Stiftungsrat und in den entsprechenden Gremien haben, möchten ja mitbestimmen und mit entscheiden –, wird sicherlich in Zukunft eine Fülle von Entscheidungen stärker in der Stiftung als im Landtag oder in der Staatsregierung fallen. Auch die konzeptionelle Ausarbeitung ist eigentlich ganz im Sinne dessen, was wir hier miteinander erarbeitet haben.

Vielen Dank für die Beantwortung dieser Frage. Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Egleder.

Herr Staatssekretär, welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung gegen den hohen Anteil von über 10% eines Jahrganges, der die bayerischen Schulen ohne jeglichen Schulabschluss verlässt?

Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, 10,4% aller Schülerinnen und Schüler, die nach erfüllter Vollzeitschulpflicht 2001 die Schule verlassen haben, erreichten keinen Schulabschluss; davon gingen knapp 6% aus der Hauptschule und etwa 4% aus der Förderschule. Bei den Schülern aus der Förderschule handelt es sich allerdings überwiegend um Jugendliche, deren Lern- und Leistungsdispositionen das Erreichen eines Schulabschlusses nicht ermöglichen.

Die Schule muss zuerst bei sich prüfen, welchen Anteil sie an diesem Ergebnis hat – und tut dies auch. Doch Erfolg und Misserfolg beim Lernen haben viele verschiedene Ursachen. Es ist nicht die Schule allein, die hier gefordert ist. Die Lebensgewohnheiten in der Gesellschaft und in den Familien sind heute manchmal alles andere als leistungsfördernd.

Lernen ist eine Eigenleistung des Schülers. Er muss es selbst tun, er muss es wollen. Die Bayerische Staatsregierung darf sich zugute halten, dass sie gerade in den letzten Jahren sehr viel erreicht hat, um dies den Schü

lern nach ihren Anlagen, Neigungen und Fähigkeiten auch zu ermöglichen. Sie ist in diesem Bemühen glänzend bestätigt worden. Im nationalen Vergleich hat „Pisa“ gezeigt, dass selbst Schülerinnen und Schüler mit Startnachteilen, etwa die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, in Bayern bessere Chancen haben als sonst in Deutschland. Sie lernen im Durchschnitt jedenfalls mehr als in manchen Ländern die deutschsprachigen Schüler. Dies wurde übrigens auch gestern bei einem Gespräch mit dem türkischen Generalkonsul bestätigt. Dieser hat sich ausdrücklich dafür bedankt, dass hier in Bayern gerade die türkischen Schüler eine solch gute schulische Förderung erhalten und dies auch in „Pisa“ zum Ausdruck gekommen ist.

Die Frage nach den konkreten Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung gegen Schulversagen und für Schulerfolg ist in der gebotenen Kürze mit einer knappen Aufzählung vieler Maßnahmen zu beantworten:

strukturelle Verbesserungen: Mittlere-Reife-Zug, Praxisklasse und andere Sonderformen individualisierten Lernens, Verstärkung der Praxis;

inhaltlich-konzeptionelle Weiterentwicklung zu einer Schule, die nicht nur Wissen und Kenntnisse, sondern auch Kompetenzen, also Arbeitshaltungen, Arbeitstechniken, personale und soziale Fähigkeiten – Schlüsselqualifikationen – vermittelt, die Unterricht und Erziehung nicht voneinander trennt, die bei der Gestaltung des Unterrichts in besonderer Weise auf die Lernweisen der Schüler eingeht;

Öffnung der Schule nach innen und nach außen: Lehrerkollegium als Team, verstärkte Kooperation unter den Lehrkräften, Aufsuchen der Wirklichkeit an Lernorten außerhalb der Schule, Einbeziehung von außerschulischen Experten;

spezielle und vielgestaltige Formen der Förderung: Förderangebote für Schüler mit Legasthenie und anderen Lernstörungen, für Kinder mit fehlenden oder zu geringen Deutschkenntnissen, zum Beispiel die Sprachlernklasse;

Zusammenarbeit Schule – Jugendhilfe: vielfältige Bemühungen der Jugendsozialarbeit, die Lebensumstände der Kinder und ihre psychische Verfassung zu verbessern und sie so an Schule und Lernen heranzuführen. Dies ist sicherlich ein Punkt, wo wir die nächsten Jahre Handlungsbedarf signalisieren. Die schulbezogene Jugendsozialarbeit ist auch unter dem Aspekt des Erreichens eines Abschlusses zu sehen; wenn die häuslichen Umstände absolut nicht mehr stimmen, fehlen natürlich auch die Voraussetzungen für einen entsprechenden Lernerfolg. Dieser wichtige Punkt wird in der nächsten Zeit sehr intensiv diskutiert und insgesamt umgesetzt werden. Dieses Thema haben wir wiederholt diskutiert.

Eine weitere Maßnahme ist der Ausbau der Ganztagsangebote und der Ganztagsbetreuung, der ohne Zweifel für viele Kinder günstigere Lernbedingungen schafft.

Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Aussage der IHK Niederbayern, dass angesichts der sich abzeichnenden Ausbildungsplatzsituation insbesondere Hauptschulabsolventinnen und -absolventen besonders schlechte Chancen haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen?

Herr Abgeordneter, die schlechte wirtschaftliche Situation in Deutschland, über deren Ursachen sicherlich auch zu diskutieren wäre – nicht in einer Fragestunde, aber an anderer Stelle im Parlament –, hat natürlich dazu geführt, dass es durch viele Konkurse, viele Firmenpleiten und Schwierigkeiten gerade im mittelständischen Bereich nicht mehr zu der Zahl an Ausbildungsstellen kommt, wie sie bisher nötig war, um allen ein entsprechendes Angebot zu machen. Wir unternehmen zurzeit sehr intensive Bemühungen. Erst am Montag war der Tag des Ausbildungsplatzes, um Ausbildungsplätze zu akquirieren. Das heißt, ganz entscheidend ist die Notwendigkeit, Ausbildungsplätze in einer Fülle zu haben, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz findet. Hier hat die Wirtschaft, an die wir im Augenblick sehr intensiv appellieren, eine große Verantwortung.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass insgesamt für alle Jugendlichen Ausbildungsplätze vorhanden sein werden; denn egal, wie man es dreht oder wendet: Wenn für 100 Jugendliche nur 60 Ausbildungsplätze vorhanden sind, werden 40 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz haben. Die Frage ist dann, wer diese Jugendlichen sind. Dann werden in der Tat Schülerinnen und Schüler, die einen Abschluss haben, der Arbeitgebern nicht ausreicht, eher Probleme bekommen. Ich habe am vergangenen Montag drei Betriebe besucht und bei einem Kfz-Betrieb in Allersberg mit Freude vernommen, dass er von fünf Auszubildenden vier Hauptschüler nahm. Allerdings habe ich in einem anderen Betrieb in der Großstadt Nürnberg die Aussage eines Unternehmers gehört, dass zum Beispiel bei den Mechatronikern für das Kfz-Handwerk dermaßen viel Theorie vorausgesetzt wird, dass der Betrieb inzwischen mit Hauptschülern zurückhaltend ist. Ich weiß, dass es hier keine Patentlösung gibt, außer der, dass insgesamt genügend Ausbildungsplätze vorhanden sind.

Es freut mich, dass auf diesem Gebiet der M-Abschluss eine echte Hilfe und ein Ansporn ist, junge Leute aus der Hauptschule zu nehmen. Dies wurde mir überall bestätigt; dies war ein guter Weg. Wir müssen auch darüber diskutieren, ob wir im Lande mehr theorieentlastete Ausbildungsplätze schaffen. Insofern sind auch die Tarifparteien und Gewerkschaften gefragt, weil es angesichts der zunehmenden Komplexität der beruflichen Ausbildung für manche Jugendlichen ungeheuer schwer ist, die Voraussetzungen überhaupt zu erfüllen.

Weitere Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatssekretär, in der Praxis stellen wir immer wieder fest, dass selbst die Abschlüsse der F 10 sowie der M-Züge und M-Klassen der Hauptschulen in der Konkurrenz zu anderen mittleren Abschlüssen bei den Bewerbungen oft nicht standhalten können. Sie werden zwar als „gleichwertig“ apostrophiert, von der Wirtschaft aber nicht in gleicher Weise anerkannt. Deshalb frage ich, mit welchen konkreten Maßnahmen Sie es der Wirtschaft schmackhaft machen, dass diese Abschlüsse wirklich als anderen mittleren Bildungsabschlüssen gleichwertig anerkannt werden.

Die beste Möglichkeit, der Wirtschaft deutlich zu machen, dass ein Abschluss gut ist, ist, dass sich die Schüler, die einen solchen Abschluss haben, im jeweiligen Berufsbild beweisen. Das gelingt in vielen Fällen, wobei ich in der Tat feststelle, dass in vielen Regionen Bayerns der Hauptschulabschluss sehr wohl nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert hat und auch die Schüler gefragt sind. Dort ist es seit jeher Tradition, dass die Betriebe auch Hauptschüler nehmen.

Ich stelle allerdings auch fest, dass es im großstädtischen Bereich, wo zum Teil auch das Übertrittsverhalten ein anderes ist – die Diskussion ist im Bildungsausschuss im Zusammenhang mit dem Bildungsatlas ja intensiv geführt worden –, schwieriger ist, die Hauptschüler zu vermitteln; denn wenn die Wirtschaft auf Schüler zurückgreifen kann, die aus der Realschule kommen, dann tut sie das mitunter auch, bisweilen auch in Unkenntnis der praxisnahen Ausbildung an der Hauptschule.

Wir haben inzwischen aber auch ein verstärktes Konkurrenzverhalten zwischen Realschülern und Abiturienten, da immer mehr Lehrstellen fehlen. Das heißt, wir werden immer dann bestimmte Verdrängungen haben, wenn es am Arbeitsmarkt eng wird. Das gilt im Grunde für den gesamten Berufsbereich weit über den Schulabschluss hinaus.

Ich habe am Montag bei meinem Besuch von einem Meister ebenfalls gehört, dass der Betrieb im Moment ziemlich aussuchen könne, wen er haben wolle. Das sei in den letzten Jahren nicht der Fall gewesen; damals sei man froh gewesen, überhaupt jemanden gefunden zu haben. Im Augenblick könne man aussuchen und da nehme man natürlich denjenigen, der das meiste mitbringe, der die besseren Note habe und der eventuell auch mehr Qualifikationen mit einbringe.

Diese Schwierigkeiten wird man nur dann lösen können – ich betone das noch einmal –, wenn das wirtschaftliche Umfeld wieder so stimmt, dass es für jeden Jugendlichen eine entsprechende Lehrstelle gibt. Es ist für mich die entscheidende Voraussetzung, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen verändern müssen, denn sonst wird es letztlich immer nur eine Frage sein, um wie viel die Decke zu kurz ist und wer davon betroffen sein wird.

Letzte Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer Ausbildungsplatzumlage? Eine solche Umlage könnte den Betrieben helfen, die wirklich ausbilden. Sie käme diesen Betrieben zugute.

Herr Staatssekretär, bitte.

Ich bin – diese Diskussion ist an anderer Stelle ja schon geführt worden – gegen eine Ausbildungsplatzabgabe.

(Franzke (SPD): Umlage!)

Eine Abgabe wird meines Erachtens eher zu einem erneuten Hindernis für die Wirtschaft und bringt eine erhebliche Mehrbelastung. Wir kommen sonst in eine ganz schwierige Situation, wenn wir Unternehmen, die sowieso schon Schwierigkeiten haben und nicht ausbilden können, noch mit einer Abgabe belasten.

(Franzke (SPD): Das stimmt doch nicht!)

Doch, das stimmt. Ich halte eine solche Abgabe insgesamt für die Wirtschaft für bedenklich.

(Franzke (SPD): Jetzt haben Sie frei gesprochen. Das stimmt so nicht ganz!)

Doch, das stimmt schon. Ich habe gerade auch von den Kammern sehr intensiv und glaubwürdig erfahren, dass sie in einer Ausbildungsplatzabgabe eher ein Hindernis für die Schaffung neuer Ausbildungsplätze sehen, als dass sie eine Verbesserung darstellen würde.

Ich betone noch einmal, dass die Betriebe insgesamt entlastet werden müssen, damit sie ausbilden können. Sie dürfen nicht zusätzlich belastet werden.