Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Dann muss die Sache aber auch aufgeklärt werden. Dann müssen Täter und Beteiligte dingfest gemacht werden. Dann können die Ermittlungen nicht eingestellt werden, weil man nicht weiterkommt. Dann ist der Beweis anzutreten, wie das gelaufen ist, wer beteiligt war, wie die Fäden gelaufen sind und wo die Lecks waren, die die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unmöglich gemacht haben? An Zufälle glauben wir nicht mehr. Diese Vorgänge haben das Ansehen Bayerns schwer geschädigt. Das sind Vorgänge, die nur so in Bayern passieren.

Ich will mich auch direkt an die Familie Strauß wenden. Immer wenn es um Frau Staatsministerin Hohlmeier geht, wird argumentiert, sie dürfe nicht in Sippenhaft genommen werden. Wir werden das in der nachfolgenden Rede auch wieder hören. Ich rufe die drei Geschwister der Familie Strauß auf, dass jeder seinen Teil zur Aufklärung dieser Sache beitragen soll. Erst dann wird der Vorwurf der Sippenhaft glaubhaft entkräftet. Es muss sich aber jeder um Aufklärung bemühen. Jeder ist zur Mitarbeit aufgerufen. Alle drei Geschwister haben sich in dieser peinlichen Affäre selbst ins Gespräch gebracht. Herr Max Strauß hat Frau Hohlmeier wegen der Viren in ihrem Computer ins Gespräch gebracht. Sie hat sich dagegen nicht verwahrt. Angesichts der schwerwiegenden Äußerungen müssen wir Peinlichkeiten erleben. Wir hören, Max Strauß lache sich angesichts des Verschwindens der Festsplatte tot. Das muss als Verhöhnung des bayerischen Rechtsstaats bezeichnet werden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sich auf die Schenkel zu schlagen und zu sagen: „Nun tut mal schön.“, ist eines Rechtsstaats unwürdig und dieses Max Strauß, einem Sohn von Franz Josef Strauß, würdig.

(Mehrlich (SPD): Das ist Tradition! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD: Das ist schon würdig!)

Das ist Tradition, höre ich.

Die CSU bemüht sich, das Ansehen von Franz Josef Strauß unangetastet zu lassen. Nun gibt es die Gelegenheit und den Auftrag, endlich umfassend aufzuklären. Die Äußerung von Franz Georg Strauß, die Festplatte sei so blank wie ein Kinderhintern, ist unangebracht. Woher will er das wissen? Warum macht er so lächerliche, blödsinnige Äußerungen zu dem hochbrisanten Ermittlungsverfahren, das die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik und darüber hinaus beschäftigt. Aus diesen Äußerungen leitet sich die umfassende Aufklärungspflicht für die Mitglieder der Familie Strauß ab. Nur wenn diese Arbeit erbracht wird, vermag das hohe Haus zu beurteilen, inwieweit die Mitglieder dieser Familie in dem Verfahren stecken.

Wir müssen schlussfolgern, dass das Ansehen und das Vertrauen in den Rechtsstaat Bayern durch den Verlauf der Angelegenheit und das Verschwinden des Beweisstücks als Höhepunkt schwer erschüttert ist. Wir können feststellen: Kohl hat ein eigenartiges Rechtsverständnis. Wir müssen auch feststellen, dass es eine besondere Ausgestaltung des Rechtsverständnisses der CSU gibt. Wenn Sie dem widersprechen wollen, dann leisten Sie umfassend Aufklärungsarbeit, stellen Sie die Verantwortlichen fest und ziehen entsprechende juristische und politische Konsequenzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Weiß.

Herr Präsident, Hohes Haus! Bei den Reden des Kollegen Dr. Jung und der Frau Kollegin Paulig habe ich gedacht, ich wäre im falschen Film. Sie haben sich viel zusammengereimt. Ich bin froh, dass wir das anschließend eingehend klären können.

(Dr. Jung (SPD): Strafprozessordnung!)

Herr Kollege, ich sage schon noch einiges dazu.

Ich möchte vorausschicken, dass es in diesem Saal keinen geben wird, den es mehr ärgern wird als mich, dass die Festplatte nicht aufgefunden wird.

(Maget (SPD): Sie sind auch der zuständige Mensch, wen sollte es also mehr ärgern? – Zurufe von der SPD)

Ich würde lieber über etwas anderes berichten. Wenn so etwas vorfällt, muss man darüber reden. Ich kann auch nachvollziehen, dass man den Vorfall zum Anlass für verschiedene Verdächtigungen nimmt, dass man sich Räubergeschichten zusammenreimt. Das macht sich sehr gut. Ich finde, es ist unverantwortlich, dass die SPD von „skandalösem System“ und „krimineller Amtshilfe“ gesprochen hat.

(Beifall bei der CSU – Wahnschaffe (SPD): Dann klären Sie die Sache doch auf!)

Herr Kollege Dr. Jung, Sie können noch so scheinheilig über die Staatsanwaltschaft Augsburg gesprochen haben, diese Vorwürfe trifft die Staatsanwaltschaft Augsburg und den ermittelnden Staatsanwaltsgruppenleiter Maier.

(Herbert Müller (SPD): Das wissen wir noch nicht!)

Doch, weil er der zuständige Mann ist.

(Dr. Jung (SPD): Er hat doch die Festplatte nicht!)

Sie können ihn nicht einerseits als den großen Aufklärer und die große Heilsfigur aufstellen, aber ihn dann, wenn es Ihnen in den Kram passt, zum Buhmann machen.

(Maget (SPD): Hat er die Festplatte?)

Zu dieser Zeit war Staatsanwalt als Gruppenleiter Maier der verantwortliche Mann in der Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren. Sie werden das doch hoffentlich mitbekommen haben, denn Sie würden sonst von Sachen reden, von denen Sie nichts verstehen. Bei Zwischenrufen sollten doch wenigstens die reden, die ein bisschen über den Sachverhalt Bescheid wissen. Es sollte nicht jeder zu brüllen anfangen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD – Herbert Müller (SPD): Wer brüllt denn hier?)

Es geht um Vorfälle, die bis zum Jahr 1995 zurückreichen. Ich bin an der umfassenden Aufklärung interessiert.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Ihre Pflicht!)

Ich bin auch bereit, das zu machen. Ich bitte aber mir zuzugestehen, dass ich mich erst kundig machen muss. Ich habe an einen Bericht am 4. Mai 2000 gedacht. Ich muss vieles klären, weil sehr viele Vorfälle angesprochen sind, die vor meiner Zeit liegen.

Frau Kollegin Paulig, Sie haben vorhin den 4. Mai 2000 angesprochen und gesagt, Sie hätten sich eine rechtzeitigere Antwort von mir gewünscht. Seien wir ganz ehrlich: Sie haben den Antrag auf Auskunft ganz normal im Parlament eingebracht. Er wäre unter normalen Umständen zunächst einmal im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen beraten und vielleicht beschlossen worden, dann im Plenum beraten und beschlossen worden. Dann hätten wir den Auftrag bekommen zu antworten. Wir hätten dann einen Termin für den Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen ausgemacht, und Monate später wäre berichtet worden. Ich habe beim Kollegen Dr. Hahnzog und bei Ihnen anfragen lassen und angeboten, ob Sie mit einer früheren Antwort einverstanden wären. Ich wollte am nächstmöglichen Termin des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen meine Antwort geben, wenn Sie dazu bereit sind. Das wäre an allen anderen Prozeduren vorbeigelaufen. Deswegen

will ich mir von Ihnen nicht den Vorwurf machen lassen, ich hätte nicht rechtzeitig geantwortet. Wenn keine Sitzung ist, kann ich nicht antworten.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden die Vorfälle und alle Fragen, die Sie angesprochen haben, sorgfältig klären. Wenn der Vorsitzende einverstanden ist, werde ich darüber am 4. Mai 2000 berichten.

Lassen Sie mich noch einige andere Anmerkungen machen. Ich bin auf den heutigen Tag genau sieben Monate im Amt. Das ist die Zeit, über die ich hier unmittelbar Rechenschaft ablegen kann. Ich habe stets gesagt, ich sehe es als meine Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass die Justiz die Staatsanwaltschaft unbeeinflusst arbeiten lässt. Keiner, der hier im Raum ist, hat mir empfohlen, mich in die Verfahren einzumischen. Es war andersherum. Ich bin gefragt worden, ob die normale Berichtspflicht Einfluss auf ein Ermittlungsverfahren bedeuten würde. Ich habe erklärt, dass es üblich sei, dass in wichtigen Verfahren vierteljährlich berichtet werde und bei besonderen Vorkommnissen zusätzlich.

Ich bin gefragt worden, ob zum Beispiel die Anfragen von zwei mittelbar Betroffenen, die von der Staatsanwaltschaft beantwortet wurden, politische Einflussnahme gewesen wäre. Ich habe geantwortet, dass das selbstverständlich nicht der Fall sei. Die Staatsanwaltschaft habe ganz normal geantwortet, auf welche Weise einige Namen benannt wurden. Alleine das Theater, das ich um die Person des Staatsanwalts als Gruppenleiter Maier erlebt habe, spricht Bände. Staatsanwalt Maier stand zur Beförderung an, bleibt weiterhin auf seinem Posten. Jetzt heißt es, der böse Justizminister bremse ihn aus, weil er so tolle Arbeit leiste.

Befördere ich ihn, dann heißt es, er wird weggelobt, damit er nicht weiter ermitteln kann. Entweder so oder so, beides geht nicht.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe damals auf die Anfrage von Herrn Kollegen Dr. Gantzer geantwortet, solange es die dienstlichen Erfordernisse verlangen, wird Staatsanwalt Maier das Ermittlungsverfahren durchführen. Das würde ich riskieren, selbst wenn eine Beförderung anstünde. Wenn eine gewisse Zäsur vorliegt, dann werde ich ihn befördern. So ist es geschehen.

Ich war dankbar, als ich in der Pressekonferenz deutlich machen konnte, jetzt sind die Ermittlungen weitgehend abgeschlossen und es gibt vier Anklagen. Ein Verfahren wird eingestellt. Bei zwei Verfahren geht in der nächsten Zeit nichts voran, weil Rechtshilfeersuchen vorliegen. In dem anderen Fall ist der Beschuldigte flüchtig. Jetzt sehe ich eine gewisse Zäsur; jetzt kann ich Herrn Maier befördern.

Ich bin froh, dass das so anerkannt worden ist und nicht als hinterhältiger Trick angesehen wurde. Es hat praktisch jeder kapiert, vielleicht mit Ausnahme des Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion im Untersuchungs

ausschuss, der davon faselt, dem rührigen Staatsanwalt Maier habe man seine Karriere verbaut. Staatsanwalt Maier ist längst Richter am OLG. Man kann insoweit beruhigt sein. Vielleicht ist Berlin doch zu weit weg von den hiesigen Ereignissen, als dass verständlich wäre, worum es geht.

(Zurufe von der SPD: Wo ist die Festplatte?)

Ich habe vorhin deutlich gesagt, entscheidend für mich war, dass die Staatsanwaltschaft unbeeinflusst arbeiten kann. Das habe ich durchgehalten. Ich habe nie Einfluss genommen. Ich habe nie nachgefragt, weil ich mir darüber im Klaren war, wenn ich gefragt hätte, wie weit ist das Verfahren gegen Herrn X, hätten die einen gesagt, es wird ihm anscheinend nicht genügend ermittelt und es müssen zusätzliche Aktivitäten entwickelt werden. Die anderen hätten gesagt, er meint, das Verfahren dauert zu lang, vielleicht ist das eine indirekte Aufforderung, das Verfahren einzustellen. Ich habe mich herausgehalten, wie es sich gehört, und habe die Staatsanwälte ordnungsgemäß ermitteln lassen.

Ich sage deutlich: Wenn ich nachgefragt hätte, hätte ich nach vielem gefragt, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, nachzufragen, wo irgendein Asservat liegt. Herr Dr. Jung, Sie haben vorhin gesagt, als Sie Staatsanwalt gewesen seien – Sie waren nicht lang Staatsanwalt – sei Ihre Hauptsorge die Sorge um Asservate gewesen. Hören Sie, waren Sie Asservatenverwalter?

(Heiterkeit bei der CSU)

Ich möchte hier einen sehen, der als Staatsanwalt tätig war und sich hier hinstellt und erklärt, das Wichtigste im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sind die Asservate. Die Hauptsache ist, dass der Straftäter überführt wird, und nicht, dass die Asservate verwahrt werden.

(Beifall bei der CSU – Dr. Jung (SPD) hält ein Buch hoch)

Dieses Buch habe ich schon in der Hand gehabt, als Sie noch nicht wussten, wie man „Jura“ schreibt.

(Heiterkeit bei der CSU – Maget (SPD): Ob Ihnen das in Ihrer Lage zusteht?)

Ich habe in dem Verfahren ganz bewusst nicht nachgefragt, weil jeder von mir erwartet hat, dass ich die Staatsanwaltschaft unbeeinflusst ermitteln lasse.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wenn ich nach den Asservaten gefragt hätte, hätte mir Herr Maier die Antwort gegeben, die ich jetzt bekommen habe, nämlich dass er keine Bedenken hatte, die Festplatte beim Sachverständigen zu belassen. Warum?