Protocol of the Session on May 18, 2000

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 40. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde, Ihre Zustimmung vorausgesetzt, erteilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich einige Glückwünsche aussprechen. Am 19.04. feierten Herr Kollege Alfons Zeller und am 24.04. Herr Kollege Heinrich Rudrof jeweils einen halbrunden Geburtstag. Herr Kollege Prof. Dr. Hans-Gerhard Stockinger konnte am 22.04. sein 50. Lebensjahr vollenden. Im Namen des Hohen Hauses und persönlich gratuliere ich den Kollegen sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute und Gottes Segen für das neue Lebensjahr sowie Ausdauer und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.

Meine Damen und Herren, ich möchte bekannt geben, dass Herr Kollege Erwin Schneider am 13.04.2000 bei mir zur Niederschrift erklärt hat, mit Ablauf des 30.04. 2000 auf sein Mandat als Landtagsabgeordneter zu verzichten; er wurde bekanntlich zum Landrat gewählt. Herr Erwin Schneider ist damit gemäß Artikel 55 Absatz 2 des Landeswahlgesetzes mit Ablauf des 30.04.2000 aus dem Bayerischen Landtag ausgeschieden. Ich danke ihm im Namen des Hohen Hauses für seine Arbeit im Bayerischen Landtag. Zu seiner Wahl in das Amt des Landrates des Landkreises Altötting gratuliere ich Herrn Kollegen Schneider sehr herzlich und wünsche ihm für diese neue, verantwortungsvolle Aufgabe viel Glück und Erfolg.

Der Landeswahlleiter hat mir mitgeteilt, dass sich Frau Prof. Ursula Männle als Nachfolgerin von Herrn Erwin Schneider nach Artikel 48 des Landeswahlgesetzes am 01.05.2000 die Rechtsstellung eines Mitglieds des Bayerischen Landtags erworben hat.

(Beifall bei der CSU)

Ich begrüße Frau Kollegin Prof. Männle sehr herzlich in diesem Hohen Hause und wünsche ihr Gottes Segen, Kraft und gutes Gelingen bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Auswirkungen der Steuerpolitik der Bundesregierung auf den bayerischen Mittelstand

Für die heutige Sitzung war die Fraktion der CSU vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum vorgenannten Thema beantragt. In die Beratung beziehe ich die folgenden, zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge ein:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dr. Bernhard, Ach und anderer und Fraktion (CSU)

Angemessene steuerliche Entlastung des Mittelstandes (Drucksache 14/3567)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Renate Schmidt und Fraktion (SPD)

Steuerpolitik für Wachstum und Beschäftigung (Drucksache 14/3571)

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion kann einer ihrer Redner zehn Minuten sprechen; dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Wenn ein Mitglied der Staatsregierung kraft seines Amtes das Wort nimmt, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zeit der Dauer der Aussprache zu sprechen.

Ich bitte Sie, auf mein Signal zu achten. Wir haben heute auf dem Rednerpult eine Uhr, so dass der einzelne Redner selbst überwachen kann, wie weit seine Redezeit fortgeschritten ist. Zum Start drückt er auf den linken Knopf. Wenn die angelaufene Redezeit gelöscht werden soll, drückt man zweimal auf den rechten Knopf. – Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Bernhard.

(Kaul (CSU): Der muss die Uhr als Erster ausprobieren! – Weitere Zurufe von der CSU)

Ich drücke hier oben ebenfalls auf den Knopf. Im Zweifelsfall ist die Zeit ausschlaggebend, die hier abgelaufen ist.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Instrument hier ist schrecklich.

(Zurufe von der CSU)

Jetzt lasst ihn reden; denn das geht schon von seiner Zeit weg.

Die Uhr läuft noch nicht.

(Heiterkeit – Hofmann (CSU): Er hat nicht gedrückt!)

Die rot-grüne Koalition in Berlin will heute eine Steuerreform beschließen. Wir haben das zum Anlass genommen, hier eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema zu beantragen, weil wir der Auffassung sind, dass wesentliche Elemente dieses Steuerkonzepts falsch sind, und weil wir Ihnen deutlich machen wollen, dass dieses Steuerkonzept im Bundesrat scheitern wird, wenn Sie sich nicht bewegen. Wir wollen zwar einen steuerpolitischen Konsens, aber – das muss ganz deutlich sein – nicht um jeden Preis.

(Dr. Kaiser (SPD): Sie wollen blockieren!)

Auch Sie haben inzwischen dazugelernt, dass eine Steuerreform notwendig ist.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist erstaunlich, dass in einem Dringlichkeitsantrag der SPD folgender Satz enthalten ist: „Die Bürgerinnen und Bürger wissen selbst am besten, was sie mit ihrem Geld anfangen.“ Das gehört seit vielen Jahren zu unserem steuer- und abgabenpolitischen Credo, und es ist erfreulich, dass Sie das nun dazugelernt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

In der letzten Legislaturperiode, die sich noch in Bonn vollzogen hat, haben Sie unsere Steuerreform in bösartiger Weise als Umverteilung diffamiert und blockiert. Damit haben Sie auch den Standort Deutschland blockiert und um Jahre zurück geworfen.

(Beifall bei der CSU)

Es ist kein Zufall, dass die Bundesrepublik trotz des konjunkturellen Aufschwungs unter den europäischen Staaten das Schlusslicht ist.

Sie wissen auch ganz genau, dass die etwas bessere Entwicklung der Arbeitslosenzahl durch das Sinken der Erwerbstätigenzahl bedingt ist, die strukturelle Arbeitslosigkeit aber steigt. Ihre Steuerreform setzt falsche Signale. Sie konterkarieren die Signalwirkungen einer Ertragsteuerreform dadurch, dass Sie in anderen Bereichen die Steuern erhöhen. Ich erinnere an die Ökosteuer, die vor allem den Mittelstand trifft. Ich erinnere an Ihren Versuch, die Bewertung bei der Erbschaftssteuer zu ändern, was zur Folge hat, dass sich die Erbschaftssteuer nicht nur beim Übergang von Ein- und Zweifamilienhäusern, sondern auch beim Übergang vom Unternehmen massiv erhöht, und dies ist besonders problematisch. Sie führen bei der Grundsteuer ein Bewertungsverfahren ein, welches Ihnen die Hintertüre für die Wiedereinführung der Vermögensteuer offen lässt. Aus der SPD kommen auch nach wie vor Stimmen, die die Einführung einer Vermögensabgabe fordern.

Sie setzen bei der Ertragsteuer die falschen ökonomischen Rahmenbedingungen. Beispielsweise halten Sie an der unsinnigen Unterscheidung zwischen der Besteuerung von Unternehmen und der Besteuerung von Unternehmern fest. Dadurch blockieren Sie den sinnvollen Einsatz von Kapital. Sie haben den MitunternehmerErlass abgeschafft, was eine ähnliche Wirkung hatte. Das Gleiche gilt für die Einschränkung des § 6 b des Einkommensteuergesetzes. Sie setzen damit falsche Rahmenbedingungen für die Beweglichkeit und Flexibilität von Kapital.

Ihr Hauptfehler besteht darin, dass Sie den Entlastungseffekt bei der Ertragsteuerreform viel zu niedrig halten, um eine nachhaltige Signalwirkung für Investitionen am Standort Deutschland zu erreichen. Wir sind hierbei nicht unseriös, denn wir wissen aufgrund deutscher und auch internationaler Erfahrungen sehr genau, wie groß der Selbstfinanzierungseffekt einer solchen Reform sein

wird. Sie sind zögerlich. Sie sagen zwar, Sie würden durch die Absenkung des Eingangssteuersatzes den Mittelstand fördern. Ich weiß jedoch nicht, welches für Sie die Leistungsträger des Mittelstandes sind. Ihre Politik ist Sozialpolitik, aber keine Mittelstandspolitik.

(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind aber die Fakten!)

Meine Damen und Herren, Sie sind auch immer noch Steuerideologen und keine Steuerpolitiker. Ich denke nur daran, dass Sie die unterschiedliche Bewertung von Einkünften in das Steuersystem einführen wollen, was völlig falsch und daher abzulehnen ist.

Die Kollegen, die nach mir sprechen, werden im Laufe der Debatte im Einzelnen darlegen, warum Ihre Steuerreform in hohem Maße mittelstandsfeindlich ist. Ich verweise nur auf das Optionsmodell, auf die Regelungen über die Unternehmensnachfolge bei der Ertragsteuer und bei der Erbschaftssteuer, und ich verweise auf Ihre falsche Politik, die keine Flexibilität des Kapitals ermöglicht, sondern das Kapital einsperrt und seine Wiederanlage behindert. Deswegen ist Ihre Steuerreform mittelstandsfeindlich. Wir werden es jetzt im Einzelnen darlegen. Bei mir leuchtet das rote Licht, deswegen bin ich am Ende.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Straßer das Wort. Er nimmt zehn Minuten in Anspruch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst einen herzlichen Dank an die CSU-Fraktion dafür, dass wir in der heutigen Aktuellen Stunde, die nicht von der SPD beantragt worden ist, die Möglichkeit haben, uns umfassend über die Steuerpolitik der Bundesregierung zu unterhalten. Wir hätten das Thema nicht besser wählen können, denn die Auswirkungen der Steuerpolitik der Bundesregierung auf den bayerischen Mittelstand sind seit Übernahme der Regierung in Berlin positiv, und sie werden auch weiterhin positiv bleiben. Die Stimmen und die Argumente stützen sich auf die Fakten, die wir auf den Tisch legen, und wer die Fakten nicht auf seiner Seite hat, führt, wie wir es heute und in den letzten Wochen erleben konnten, nur rhetorische Scheingefechte; und so praktiziert es auch die CSU.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Loscher-Früh- wald (CSU): Schauen Sie sich doch einmal die Auswirkungen der Steuerreform auf die Landwirtschaft an!)

Nun zu den Fakten. Die Linien der Steuerreform sprechen für sich. Am Ende Ihrer Regierungszeit betrug der Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer 25,9%. Jetzt beträgt er 22,9%. Am Ende unserer Steuerreform wird er 15% betragen. Neben dieser spürbaren Absenkung werden wir gleichzeitig den Grundfreibetrag von 12300 DM auf 15000 DM erhöhen. Dies führt zu einer zusätzlichen Entlastung. Meine sehr geehrten Damen

und Herren von der CSU-Fraktion, dies nützt dem Mittelstand. Der Höchststeuersatz betrug am Ende Ihrer Regierungszeit 53%. Jetzt beträgt er 51%, und wir werden ihn noch auf 45% senken. Dies nützt dem Mittelstand. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen, Herr Dr. Bernhard.

(Dr. Bernhard (CSU): Ihre Steuerreform blockiert doch den Mittelstand!)

Der Körperschaftsteuersatz lag am Ende Ihrer Regierungszeit bei 45%, jetzt beträgt er 40% und er wird zum 1. Januar 2001 sage und schreibe auf einheitlich 25% abgesenkt werden. Ich möchte daran erinnern, dass viele mittelständische Betriebe als GmbH organisiert sind, so dass auch die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf einheitlich 25% dem Mittelstand nützt.

Der Rentenversicherungsbeitrag belief sich am Ende Ihrer Bonner Regierungszeit auf 20,3%. Er beträgt jetzt 19,3% und wird im Jahr 2002 nur noch 18,8% betragen. Die Senkung der Lohnnebenkosten entlastet gleichermaßen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch den Mittelstand. Das nützt unserem Mittelstand. Unsere Politik ist eine Politik des Handelns und eine Politik der Solidarität, die wir dringend brauchen.

(Beifall bei der SPD)