Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung. Von Seiten der CSUFraktion wurde beantragt, die Abstimmung in namentlicher Form durchzuführen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne befindet sich auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion. Die Enthaltung-Urne befindet sich auf dem Stenographentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.52 Uhr bis 16.57 Uhr)

Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist beendet. Das Ergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich werde es später bekannt geben. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit ist es unsinnig, noch einen Dringlichkeitsantrag aufzurufen. Wir überweisen deshalb die nicht behandelten Anträge an die zuständigen Ausschüsse.

Der Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN betreffend Bilanz zur Umsetzung der FFH-Richtlinie, Drucksache 14/3576 wird an den Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen überwiesen.

Der Antrag der CSU betreffend Herstellung von Transparenz bei den Beitrittsverhandlungen im Rahmen der so genannten EU-Osterweiterung auf Drucksache 14/3577 wird an den Ausschuss für Bundes– und Europaangelegenheiten überwiesen.

Der Antrag der GRÜNEN betreffend Konsequenzen aus der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“, Drucksache 14/3578, wird an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport überwiesen.

Ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind. Es ist so beschlossen.

Außerhalb der Tagesordnung möchte ich kurz darauf hinweisen, dass gemäß § 24 Absatz 2 der Geschäftsordnung Ausschussumbesetzungen von Seiten der CSUFraktion vorgenommen wurden. Im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen übernimmt Frau Kollegin Prof. Männle den noch unbesetzten Ausschusssitz der CSU. Im Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur wird künftig Frau Kollegin Prof. Männle für Herrn Kollegen Breitschwert sitzen. Im Ausschuss für kommunale Fragen und innere Sicherheit übernimmt Herr Kollege Siegfried Schneider den Sitz des Kollegen Erwin Schneider. – Sie haben hiermit davon Kenntnis genommen.

Ich gebe jetzt das Ergebnis der Namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/3572 – das ist der SPD-Dringlichkeitsantrag betreffend Ballungsraumzulage – bekannt: Mit Ja haben 145 Kollegen gestimmt, mit Nein niemand. Sechs Kolleginnen und Kollegen haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 7

Antrag des Abgeordneten Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden (Drucksache 14/1374)

Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Schammann hat sich zu Wort gemeldet.

Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (vom Red- ner nicht autorisiert): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bedeutung des Antrags auf Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wird seit gestern manchem von Ihnen etwas klarer geworden sein. Nach den gestrigen heftigen Unwettern ist die Fangemeinde für eine solche Pflichtversicherung wieder um einige Tausend Mitglieder in Bayern gewachsen. Die Diskussion über die Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wird in diesem Landtag schon seit über zehn Jahren geführt. Eine solche Versicherung wurde von verschiedenen Seiten, sogar von der Seite der CSU, befürwortet.

Die Schadenereignisse nehmen gewaltig zu. Ich werde darauf später noch zurückkommen, wenn ich die Versicherungswirtschaft zitiere. Ich möchte jetzt im Besonderen auf die Diskussion in den Ausschüssen und dabei vor allem auf die Argumente des Herrn Kollegen Brosch eingehen. Herr Kollege Brosch bringt immer wieder die alte Leier und trägt falsche Argumente vor. Er behauptet, der Bund sei für eine solche Versicherung zuständig. Das stimmt ganz einfach nicht. Die Länder sind für das zuständig, was der Bund nicht regelt. Das Land kann also regeln. Die Tatsache, dass die EU Monopolversicherungen verboten hat, bedeutet noch lange nicht, dass solche Versicherungen nicht möglich sind.

Sie darf nur nicht als Monopolversicherung einer Versicherungsgesellschaft ausgeschrieben, sondern muss für den Markt freigegeben werden. Bayern könnte das also regeln, wenn es denn nur wollte.

Herr Brosch, Ihr Argument war geradezu traurig, dass die Bürger selbst schuld sind, wenn sie ihre Häuser in Überschwemmungsgebieten gebaut haben. In Ingolstadt wurde eine ganze Siedlung – das Fischereiheim – im Überschwemmungsgebiet gebaut, zuerst als Feriensiedlung, dann mit festem Anschluss an die Stadt. Bis heute liegen keine Genehmigungen vor. Dafür trägt der Staat die Verantwortung; hier ist die Aufsichtspflicht des Staates gefragt. Ihre Aussage, die Bürger seien selbst schuld, wenn sie ihre Häuser in Überschwemmungsgebieten bauen, ist da völlig unangebracht.

Spätestens seit dem großen Pfingsthochwasser im letzten Jahr, von dem weite Teile des Landes betroffen waren, ist die Bevölkerung bei diesem Thema sensibilisiert. Angesichts der großen Versprechungen des Ministerpräsidenten – darüber haben wir auch in Plenum lange diskutiert –

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist genau ein Jahr her!)

ist traurig, wie wenig seitdem umgesetzt worden ist. Unsere Voraussage hat sich bewahrheitet, dass die angebotenen Förderungen, die zugegebenermaßen eine Kraftanstrengung waren, nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein werden. Tausende von Familien wurden bis heute noch nicht ausreichend gefördert; ihre Existenz ist zum Teil bedroht, wenn nicht sogar ruiniert. Bis heute ist bei der Wasserführung der Donau vom Forggensee bis nach Passau noch nicht viel geschehen. Die Problematik durch die Staustufen und Stromerzeuger ist noch nicht ausgeräumt. Darüber wird man anhand einer Reihe von SPD-Anträgen ganz ausführlich diskutieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besonders auf der rechten Seite, die Versicherungswirtschaft ist in der Diskussion längst weiter als Sie, wie Aussagen der Münchner Rückversicherung bezeugen. Da heißt es, dass sich die schweren Schadereignisse seit 1950 vervierfacht hätten und die Schadsummen von 1990 bis 1999 von 40 Milliarden DM weltweit auf mittlerweile 600 Milliarden angestiegen seien. Das müsste doch zu denken geben. Der Verband der Versicherungsmakler stimmt einer solchen Versicherung zu; auch der Bund der Versicherten möchte eine derartige Versicherung. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, tun Sie Ihre Pflicht und führen eine solche Versicherung ein! Stimmen Sie diesem Antrag zu; sonst kommt er beim nächsten großen Schadereignis wieder!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Kaiser, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt diesem Antrag des Kollegen Schammann gerne zu, da er ein Anliegen enthält, das wir von der SPD-Fraktion seit nunmehr 22 Jahren verfolgen. Anfang Mai 1978 gab es im Erfttal im Landkreis Miltenberg eine Hochwasserkatastrophe. Die Erft ist ein Nebenfluss des Mains, dessen Einzugsgebiet bis in den badischen Landesteil hinüberreicht. Mir ist schon damals aufgefallen, dass die Leute in Eichenbühl maximal 22 bis 25% ihrer Schäden über die Hilfsmaßnahmen des Freistaates Bayern erstattet bekamen, während wenige hundert Meter weiter, jenseits der Landesgrenze, die Menschen, die von der gleichen Katastrophe betroffen waren, nahezu 100% ihrer Schäden über die Elementarschadenversicherung ersetzt bekamen, die es in Baden-Württemberg gibt. Das hat sich fortgesetzt. Wenn durch den Main Hochwasserschäden entstanden, gab es in der Stadt Miltenberg keine Möglichkeit der Entschädigung, während in Wertheim in Baden-Württemberg eine Entschädigung aus der Versicherung bezahlt wurde.

Ministerpräsident Dr. Stoiber und Wirtschaftsminister Dr. Wiesheu haben schon versprochen, sich dafür einzusetzen, aber das Bestreben, eine solche Lösung einzuführen, scheitert immer wieder im Kreise der Ministerpräsidenten oder der Wirtschaftsminister. Vielleicht lebt man auch ganz gut mit dem Ritual, das sich eingebürgert hat: Nach jeder Hochwasser- oder sonstigen Naturkatastrophe kommt eine Pressemitteilung aus dem Finanzministerium, die anhand von Textbausteinen schon vorbereitet wurde; die Finanzämter werden angewiesen, unbürokratisch Hilfestellung zu leisten; Steuerstundungen sind möglich und dergleichen mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Menschen, die von Naturkatastrophen und Hochwasserschäden betroffen sind, brauchen keine Almosen, sondern einen Rechtsanspruch an eine Versicherung. Den zu schaffen, ist Sinn und Zweck des Antrags. Es wäre schön, wenn ich nach 22 Jahren mit Hilfe des Kollegen Schammann ein Erfolgserlebnis hätte und die CSU diesem Antrag zustimmen würde.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Namentliche Abstimmung!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Brosch, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schammann, jetzt sind Sie derjenige, der gegen eine Gummiwand läuft; früher waren es Herr Dr. Kaiser und Herr Dr. Ritzer. Sie müssen sich also in dieser Gesellschaft nicht genieren. Nicht wir sind uneinsichtig, sondern Sie.

(Zuruf des Abgeordneten Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Schammann, Sie haben am 13.03.1996 denselben Antrag mit genau dem gleichen Wortlaut gestellt.

(Dr. Kaiser (SPD): Mit Recht!)

Sie haben ihn auch schon einmal gestellt. Ihr Antrag hat die Nummer 11/6482 und stammt aus dem Jahr 1989.

(Güller (SPD): Qualität kommt immer wieder!)

Herr Dr. Kaiser, Ihre Anträge, die vor 22 Jahren gestellt wurden, habe ich nicht herausgesucht.

Wir wollen Ihnen nun sagen, warum das nicht möglich ist. Nach Artikel 74 Absatz 1 Nr. 11 des Grundgesetzes hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für derartige Pflichtversicherungen. Herr Kollege Hahnzog, Sie sollten das Gesetzbuch, das Sie normalerweise immer in der Hosentasche haben, jetzt herausziehen. Nach diesem Artikel des Grundgesetzes sind derartige Pflichtversicherungen Bundesgesetzgebungskompetenz.

Das hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem einschlägigen Urteil festgestellt, nachzulesen in Band 41 seiner Entscheidungen ab Seite 505. Die Einführung einer derartigen Pflichtversicherung hätte gravierende Auswirkungen. Man würde die Anbieterseite, die Versicherungswirtschaft, dazu verpflichten, einen Schadensausgleich unter nicht gleichartig Betroffenen durchzuführen. Das heißt: Das Versicherungsrisiko würde einfach wie eine Art Umlage verteilt, und zwar zu Lasten derer, die fast nie mit einem Schaden rechnen müssen. Bei uns gibt es ja eine Pflichtversicherung für den Krankheitsfall, die normale Krankenversicherung. Von Krankheit ist, rein statistisch gesehen, jeder einmal betroffen. Beim Feuer ist es ähnlich. Bei der Feuerversicherung gibt es so genannte Risikozuschläge. Eine Pflichtversicherung gegen Hochwasser würde so nicht funktionieren. Sie würde eine Umlage bedeuten.

Zudem ist es schwierig, eine Klassifizierung des Hochwasserrisikos einzuführen. Ich denke jetzt etwa an Herrn Dr. Kaiser, der an einem Nebenfluss des Mains lebt, oder an die Situation in Schwaben. Es ist auch nicht richtig, so einfach zu fordern, ein ausreichendes Prämienaufkommen sei von der Gesamtbevölkerung zu tragen. Wir meinen, im Zuge der hier in Rede stehenden Pflichtversicherung würden die Nachfrager, also die Menschen, die ein Haus besitzen, mehr oder weniger zum Beitritt zu einer öffentlichen Sozialversicherung verpflichtet. Schon bei ihnen ist das finanzielle Ausfallrisiko sehr unterschiedlich, ebenso das Schadensrisiko, wie vorhin schon gesagt. Ein derartiger Eingriff wäre unverhältnismäßig; das wissen Sie auch, meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen. Wenn jeder, der ein Haus besitzt, einer solchen Versicherung beitreten müsste, bedeutete dies einen Eingriff zu Lasten Ungefährdeter. So etwas ist nach unserem Rechtssystem nicht zulässig.

Insgesamt kann ich nur wiederholen – auch wenn Herr Schammann es nicht hören will –: Eine Absicherung gegen Elementarschäden ist über eine Umlage nicht zu erreichen. Jeder Einzelne kann sich versichern. Außerdem muss im Falle von Neubauten das jeweilige Bauamt den Bauherrn vorab darauf hinweisen, dass es um ein Überschwemmungs- oder ein Überflutungsgebiet geht. Dies wird den Betroffenen immer wieder gesagt. Wir

müssen auch klar sehen, dass die Wasserwirtschaft handeln muss. Das stelle ich nicht in Abrede. Die Wasserwirtschaft muss bei Bauvorhaben oder bei Umbauten von Vorflutern mehr darauf Rücksicht nehmen, dass der Wasserzufluss vor Ort verlangsamt wird. Da können wir viel machen. Doch über eine Elementarversicherung können wir das Problem nicht lösen.

Warum habe ich das alles gesagt, meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen? Wir wollen nicht, dass Sie bei der nächsten Katastrophe behaupten, die CSU habe hier im Landtag Ihre Wünsche unsensibel und unqualifiziert abgelehnt. Wir sind schon der Meinung, dass der Staat und die Allgemeinheit in dem Punkt mitarbeiten müssen. Doch können wir das Problem nicht dadurch lösen, dass wir sagen: Meldet eure Schäden an; die Versicherung muss sie abdecken. – Derlei ist nach der derzeitigen Rechtslage eben nicht möglich.

Entsprechende Leistungen und Vorarbeiten der Bauämter und der Wasserwirtschaft sind notwendig. Wir empfehlen den Menschen, selbst durch eine Versicherung vorzusorgen. Wir sagen dem Finanzminister, dass er bei Unglücksfällen weiterhin handeln muss. Die Staatsregierung muss den Betroffenen durch eine erste Hilfe finanziell beispringen. All das ist klar. Aber ansonsten kommen wir nicht zusammen. Herr Schammann, wir werden stets in gleicher Weise auf Initiativen wie die vorliegende antworten müssen: Es geht nicht. Sie müssen einsichtig werden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Dr. Kaiser hat um das Wort gebeten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Brosch, wir sind ja dazu bereit, Argumente aufzugreifen. Sie haben gerade erklärt, dass Sie dem vorliegenden Antrag näher treten könnten, wenn er nicht darauf abzielte, dass der Freistaat Bayern die Pflichtversicherung einführen soll, sondern dies von der Bundesebene gefordert würde. Wir greifen diese Anregung gern auf. So schlage ich in Absprache mit Herrn Kollegen Schammann folgende Neufassung des Antrags vor:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, aufgrund der ansteigenden Häufigkeit von Elementarschäden durch Hochwasser, Sturm und Hagel in Bayern eine Bundesratsinitiative zur Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden zu ergreifen.

Herr Kollege Brosch, dieser Änderungsantrag ist im Sinne Ihrer Ausführungen. Ich bitte darum, ihm zuzustimmen. Um Ihre Neigung dazu zu erhöhen, füge ich hinzu: Wir sind auch dazu bereit, Ihre Anregung mit Nachdruck zu verfolgen, die Wasserwirtschaft und der Finanzminister sollten dafür sorgen, dass in Hochwassergebieten nicht gebaut werden dürfe usw. Selbstverständlich können die bestehenden Probleme nicht durch die Einführung einer Versicherung gelöst werden. Herr Kollege Brosch, wenn Sie Ihre eigenen Aussagen hier

ernst nähmen, müssten Sie unserem Änderungsantrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)