Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

(Franzke (SPD): Wer kann das schon!)

Sie greifen eine Thematik auf, die Kollege Hoderlein in einer Erklärung vom 5. Mai 2000 bereits ausgeschlachtet hat. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat ihm daraufhin am 13. Mai 2000 bescheinigt, dass er damit „völlig daneben“ liegt und hat ihm dafür das Prädikat „Spezialist für Eigentore“ verliehen. Sie werden verstehen, wenn ich mich dieser Beurteilung anschließe.

(Franzke (SPD): Die Gründe, weshalb Sie sich dem anschließen können, würden mich schon interessieren!)

Ich bin schon dabei. Auch Sie, Herr Kollege, gehen in Ihrer Fragestellung von falschen Voraussetzungen aus. Sie unterstellen und beklagen nämlich, dass die Spiele der Fußball-Bundesliga künftig nur noch im Bezahl-Fernsehen live zu sehen sein werden. Sie unterstellen damit, dass die Bundesliga-Spiele bislang im Free-TV zumindest in größerem Umfang live ausgestrahlt worden seien. Das ist aber gerade nicht so.

Pro Jahr wurden bisher fünf Bundesliga-Spiele live in Sat 1 – und damit im Free-TV – gezeigt. Insgesamt gibt es etwa 150 Spiele pro Jahr, die im freien, also nicht bezahlten Fernsehen gezeigt werden. Davon sind fünf Bundesliga-Spiele. Bei den anderen 145 Fußballspielen tritt also keine Veränderung ein. Ich meine deshalb, bei diesem kleinen Prozentsatz ist so viel Aufregung eigentlich nicht angebracht.

Im Übrigen soll es auch viele Zuschauer geben, die gar nicht so traurig darüber sind, wenn andere interessante Sendungen wegen einer aktuellen Fußballübertragung nicht ausfallen.

Im Gegensatz zu Ihrer Annahme, Herr Kollege, wird das Gesamtangebot für Fußballfans im Fernsehen deutlich besser. Der Vertrag zwischen dem DFB und der KirchGruppe wird erstmals etwas ermöglichen, was in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt möglich war. Die Fußball-Fans werden erstmals jedes beliebige FußballBundesliga-Spiel live im Fernsehen verfolgen können. Jedes Spiel. Das konnte das Free-TV nie bieten, weil es die Kapazitäten dafür nicht hat und weil Fußball durch Werbeeinnahmen allein schon lange nicht mehr refinanzierbar ist. Nur das Bezahl-Fernsehen kann diesen Service für die Fußball-Fans ermöglichen, den es bisher nicht gab – das möchte ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen.

Sie fragen auch danach, wie es außerhalb des BezahlFernsehens aussieht. Wichtig ist selbstverständlich, dass sich jeder Zuschauer über die Bundesliga im frei empfangbaren Fernsehen informieren kann. Dies wird durch das auf Initiative von Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber im Rundfunkstaatsvertrag verankerte Recht auf aktuelle Kurzberichterstattung gesichert. Ich bin aber sicher, dass sich die Berichterstattung im Free-TV darauf nicht beschränken wird. Fußball-Rechte sind heute so teuer – man liest von 750 Millionen DM pro Bundesliga-Saison –, dass sie der Rechte-Erwerber nur noch durch eine Mehrfachverwertung refinanzieren kann. Das schließt ausführliche Berichterstattungen im Free-TV selbstverständlich ein.

Im Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der zum 1. April dieses Jahres in Kraft getreten ist, wird darüber hinaus die Übertragung von sportlichen Großereignissen dem freien Fernsehen vorbehalten. Das ist sehr wichtig. Beim Fußball gilt dies für alle Spiele der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, für die wichtigsten Spiele bei der Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaft, für die Halbfinalspiele und das Endspiel um den DFB-Vereinspokal sowie für die Endspiele der Europäischen Vereinsmeisterschaften im Fußball bei deutscher Beteiligung, nämlich bei Champions-League und beim UEFA-Cup. Bei all diesen Spielen wünschen wir uns selbstverständlich eine deutsche Beteiligung.

Dies alles zusammengenommen sichert auch für die Zukunft, dass im frei empfangbaren Fernsehen viel Fußball live zu sehen sein wird. Die Sorge, der Sport werde im Fernsehen ins Abseits gedrängt, wird Woche für Woche widerlegt.

Im Übrigen möchte ich zu den Gehalts- und Transfersummen im Profi-Fußball sagen, dass die Mitglieder der Staatsregierung hierzu selbstverständlich eine persönliche Meinung haben, die wir zuständigkeitshalber am Fußball-Stammtisch erörtern können.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Erste Zusatzfrage: Herr Kollege Franzke.

Vielen Dank für Ihren Hinweis. Vielleicht sehen wir uns einmal bei einem Stammtisch. Dann können wir die Summen erörtern. Sind Sie nicht der Auffassung, dass Sie diese Problematik etwas herunterspielen? Ich möchte aus der Presse der letzten Wochen zitieren. In der „Abendzeitung“ stand: „Länderspiele gratis bei ARD und ZDF, Champions-League gratis bei RTL. Nur wer die Bundesliga live sehen will, muss in Zukunft 60 DM mehr im Monat bezahlen.“ Sind Sie als Vertreter der Staatsregierung der Auffassung, dass dies eine positive Entwicklung ist?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Herr Staatsminister.

Unter dem Strich halte ich dies in der Tat für eine positive Entwicklung; denn jeder Fußballfan in Deutschland hat in der Zukunft die Möglichkeit, jedes Bundesligaspiel zu sehen.

(Franzke (SPD): Wenn er finanziell dazu in der Lage ist!)

Richtig. In der Vergangenheit hatte er diese Möglichkeit nicht. Ich verweise darauf: Während einer Saison gab es nur die genannten fünf Spiele. Man kann also nicht sagen, dass es jetzt sehr viel weniger wären. Unter dem Strich haben sich die Möglichkeiten für die Fußballfans durch diese Neuregelung deutlich verbessert. Ich muss jedoch noch darauf hinweisen, hier handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen dem DFB und dem Rechtekäufer, die ohne Einfluss der Politik zustande kam. Hier wurde ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen. Sie kennen die Beträge, um die es geht. Diese Vereinbarung entzieht sich dem Einfluss der Staatsregierung. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, wir hätten diese Regelung getroffen oder herbeigeführt. Ich bin der Auffassung, durch diese Regelung wird das Fußballangebot in der nächsten Saison so breit, tief und großartig wie nie zuvor sein, vorausgesetzt, dass die Spiele großartig sind.

(Franzke (SPD): Vorausgesetzt, man kann es sich leisten!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Zusatzfrage: Herr Kollege Franzke.

Ich möchte zwei Zitate anführen. „Das ist ein Riesenfortschritt, eine der demokratischsten Entscheidungen überhaupt.“ Dieses Zitat stammt von Uli Hoeneß. Das zweite Zitat lautet: „Diese herrliche Sportart verkommt zu einer Handelsware, zu einer reinen Gelddruckmaschine. Früher stand das Spiel im Mittelpunkt. Heute geht es nur noch ums Gelddrucken.“ Dieses Zitat stammt von Willi Lemke, dem ehemaligen Manager von Werder Bremen. Zu welcher dieser beiden Aussagen würden Sie sich bekennen? Ich weise darauf hin, Herr Lemke bekleidet in Bremen das Amt eines Ministers.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Herr Staatsminister.

Ich kann nur meine persönliche Meinung sagen; denn es handelt sich hier um einen privatrechtlichen Vorgang den wir üblicherweise nicht qualifizieren und beurteilen. Ich möchte der guten Ordnung halber sagen, dass mir Herr Hoeneß näher als Herr Lemke steht. Ich bin der Meinung, diese Vereinbarung zwischen dem DFB und dem Rechtekäufer stellt ein sehr breites und gutes Angebot dar. Jeder Fußballfan in Deutschland wird auch im Free-TV über jeden Spieltag gut informiert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Spiele live und in ganzer Länge im Bezahlfernsehen zu sehen. Ich glaube, ein solches Angebot wäre anders nicht zu finanzieren.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Franzke.

Offenbar sieht die Staatsregierung diese Entwicklung voll positiv. Ich möchte aus der Fragestunde vom 24. November 1999 zitieren, in der ich nachfragte, ob die Staatsregierung nicht endlich bereit wäre, zumindest im Zusammenhang mit dem Profifußball und den 36 Vereinen die öffentlichen Gelder, die durch Polizeieinsätze und Ähnliches in diese Klubs fließen, künftig mit Gebühren zu belegen.

Ich bin nicht der Meinung, dass wir die Vereine mit irgendwelchen Gebühren belegen sollten.

(Franzke (SPD): Aber sonst immer auf den schlanken Staat setzen!)

Ich bin darüber erfreut, dass es gelungen ist, soweit der Staat dies beeinflussen kann, Fußballspiele, die Spiele der Nationalmannschaft und Spitzenspiele um den DFBVereinspokal über Rundfunkstaatsverträge abzusichern, sodass ein gutes Angebot entstanden ist. Soweit man dies von staatlicher Seite überhaupt beurteilen soll, sehe ich dies sehr positiv. Wir sollten diese Entscheidung mit Mut angehen und uns in einem Jahr nochmal darüber unterhalten.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich bitte nun den Staatssekretär aus dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus um die Beantwortung der nächsten Fragen. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Hausmann.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Freller, wie wird in Bayern die Berufsschulpflicht überwacht und sind die heutigen rechtlichen Vorgaben noch zeitgemäß und wirkungsvoll, auch schwierige Schülerinnen und Schüler zum Berufsschulbesuch zu bewegen?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter Hausmann, Erziehungsberechtigte, Ausbildende und Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige ihrer Berufsschulpflicht nachkommen. Die Schulleiter und Lehrkäfte haben die Erfüllung der Schulpflicht zu überwachen. Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht sind die Verfolgung ihrer Verletzung als Ordnungswidrigkeit, zum Beispiel mit Geldbuße, und der Schulzwang, das heißt die zwangsweise Zuführung des Schulpflichtigen zur Schule. Dies sind die formalen Maßnahmen.

Für diesen Schulzwang ist die Kreisverwaltungsbehörde zuständig, in deren Bezirk die Berufsschule liegt. Für die Einhaltung der gesetzlich verankerten Schulpflicht auch bei schwierigen Schülerinnen und Schülern muss insbesondere dann gesorgt werden, wenn kein Ausbildungsverhältnis vorliegt, um den Minderjährigen wenigstens ein Minimum an Ausbildung zu vermitteln und um sie nicht sich selbst zu überlassen. Treten massive Störungen des Unterrichts auf, können schwierige Schülerinnen oder Schüler ohne Ausbildungsverhältnis durch Beschluss der Lehrerkonferenz entlassen werden. Dies geht auf einen Antrag aus der Mitte dieses Hauses zurück, wie Ihnen sicherlich bekannt ist. In bestimmten Fällen besteht die Möglichkeit der Befreiung von der Schulpflicht, zum Beispiel beim Besuch von Vollzeitlehrgängen der Arbeitsverwaltung oder beim Besuch eines Berufsvorbereitungsjahres.

Neben den genannten schulrechtlichen Möglichkeiten zur Sicherstellung der Berufsschulpflicht wird vor allem auch versucht, das Problem, schwierige Schülerinnen und Schüler zum Berufsschulbesuch zu bewegen, durch pädagogische Maßnahmen zu verbessern. Seit dem Schuljahr 1999/2000 wird an sieben Standorten erstmals ein Modelversuch zwischen dem Kultusministerium und der Arbeitsverwaltung durchgeführt, um sozial benachteiligten Schulabgängern im Rahmen der Berufsvorbereitung den Einstieg in eine Berufsausbildung zu erleichtern. Sowohl während der beruflichen Praxis als auch während des Berufsschulbesuchs werden diese Jugendlichen sozialpädagogisch betreut.

Jugendliche, die durch Fernbleiben vom Unterricht versuchten, sich der Berufsschulpflicht zu entziehen, konnten dafür gewonnen werden, sich in die Berufs– und Arbeitswelt zu integrieren. Ein großer Teil nimmt im Herbst 2000 entweder eine betriebliche Berufsausbildung auf oder erhält die Zusage für einen Arbeitsplatz. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Modellversuch bewährt. Im Falle der Bewährung wird er im Schuljahr 2000/2001 augeweitet. Dies wäre die optimale Lösung. Zwangsmaßnahmen sollen nur angewandt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Erste Zusatzfrage, Herr Kollege Hausmann.

Herr Staatssekretär, ich bin Mitglied eines Berufsschulbeirates in Kronach für die Deutsche Angestelltengewerkschaft. Ich habe dort diese Frage aufgeworfen und gemerkt, welche Unsicherheit bei diesem Thema besteht. Schwierige Schülerinnen und

Schüler haben häufig keine Ausbildung oder erhalten keinen Ausbildungsvertrag. Trotzdem sind sie, wenn sie neun Jahre in der Volks- und der Hauptschule waren, berufsschulpflichtig.

Ich möchte Sie nach Ihrem Eindruck fragen, ob die Kreisverwaltungsbehörden energisch durchgreifen oder ob sie die Dinge einfach laufen lassen.

(Franzke (SPD): Ob energisch genug?)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bitte, Herr Staatssekretär.

Aus den jeweiligen Kreisverwaltungsbehörden sind mir keine Einzelaufzeichnungen bekannt, so dass ich hier keine detaillierte Antwort geben kann. Wir stellen fest, dass die Handhabung regional unterschiedlich ist. Wenn Einzelfälle bekannt werden, in denen die Kreisverwaltungsbehörden das Fernbleiben vom Unterricht nicht konsequent verfolgen, bitte ich darum, das dem Kultusministerium mitzuteilen, damit wir aufsichtlich eingreifen können.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage: Herr Kollege Franzke, bitte.

Herr Staatssekretär, ich kann aus niederbayerischer Sicht nur das bestätigen, was Kollege Hausmann aus oberfränkischer Sicht zu dieser Problematik gesagt hat. Ich habe angenommen, dass das dem Kultusministerium bekannt ist, weil schon früher ähnliche Anfragen an Ihr Haus gerichtet worden sind. Welche Aufsicht über die Kreisverwaltungsbehörden haben Sie überhaupt?

Nach Artikel 35 des Bayerischen EUG muss zunächst die Kreisverwaltungsbehörde, in deren Bezirk die Berufsschule liegt, den Schulzwang durchsetzen. Das Ministerium hat die generelle Aufsicht und kann eingreifen, wenn die Kreisverwaltungsbehörden ihrer gesetzlich zugewiesenen Pflicht nicht nachkommen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Franzke, bitte.

Welche Möglichkeiten hat die Staatsregierung, um hier gezielt einzugreifen bzw. der Schulbehörde Hilfestellung zu leisten?

Die Staatsregierung kann selbstverständlich mit Maßnahmen der Rechtsaufsicht, wie sie auch in anderen öffentlichen Verwaltungen bestehen, eingreifen. Wir können also Druck ausüben, damit der Vollzug angeordnet wird.

(Franzke (SPD): Auf die Schulen selbst?)

Über die Schule selbst können wir das nicht regeln. Die Schule meldet die Abwesenheit, und dann muss die Kreisverwaltungsbehörde entscheiden. Wenn sie nicht tätig wird, obwohl dies nötig wäre, müssen wir über die Regierungen die Kreisverwaltungsbehörden rechtsaufsichtlich dazu verpflichten. So wird in allen Bereichen des öffentlichen Lebens verfahren, wenn eine Kreisverwaltungsbehörde eine ihr auferlegte Verpflichtung nicht einhält.

(Franzke (SPD): Die kommen dem ja teilweise nach, aber die Schüler halten sich nicht daran! An der Schule müssten Sie das leisten!)

Ich wäre außerordentlich dankbar, wenn uns derartige Einzelfälle zur Kenntnis gebracht würden. Ich betone aber, dass Zwangsmaßnahmen aus pädagogischer Sicht mitunter nicht die richtige Lösung sind. Als vor Jahren im bildungspolitischen Ausschuss die intensive Diskussion über die Möglichkeit geführt wurde, Schüler vom Unterricht auszuschließen, kam von Ihrer Seite der deutliche Hinweis, dass man dieses Problem mit pädagogischen Maßnahmen lösen müsse. Dem stimme ich als Pädagoge grundsätzlich zu.