Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Dieser Berichtsantrag eignet sich eigentlich nicht dazu, um als Dringlichkeitsantrag im Plenum behandelt zu werden. Herr Kollege Loscher-Frühwald, so ein Antrag wird normalerweise im Ausschuss beraten, oft nicht einmal in Schriftform. Im Übrigen muss ich daran erinnern, dass Kadaver, Tiere aus der Versuchstierhaltung und Tiere, die eingeschläfert wurden, bei all den Rückständen im Körper schon längst aus der Nahrungsmittelkette hätten verbannt werden müssen. Sie hätten schon in den letzten Jahren auf unsere Vorschläge eingehen müssen. Das kommt reichlich spät. Da musste vorher erst die EU die Weichen stellen, ehe Sie das endlich begriffen haben.

Was Sie hier fordern, ist selbstverständlich richtig, auch die Forderung, dass das noch ausführlich diskutiert werden muss. Ich muss dennoch betonen, dass das sehr spät kommt. Frankreich, eines der wichtigen europäischen Agrarländer, hat diese unappetitlichen Sachen längst aus der Nahrungsmittelkette entfernt. Sie aber wachen erst auf, nachdem die EU, nicht zuletzt aufgrund von Aktivitäten der GRÜNEN, gehandelt hat. Wir werden

das im Ausschuss beraten. Notgedrungen stimmen wir dem Antrag zu.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/4037 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Meine Damen und Herren, die Zeit für die Behandlung der Dringlichkeitsanträge ist abgelaufen. Deshalb überweisen wir die nicht behandelten Dringlichkeitsanträge in die Ausschüsse. Der Dringlichkeitsantrag der SPD auf Drucksache 14/4038, betreffend die Zukunft Maxhütte Stahl- und Rohrwerk, und der Dringlichkeitsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/4039, betreffend Bestandsgefährdung der Außerfernbahn verhindern, werden in den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, der SPD-Dringlichkeitsantrag 14/4040, betreffend Vollzug des Ausländergesetzes – Beachtung humanitärer Grundsätze bei der Rückführung von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, wird in den Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen, und der Dringlichkeitsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/4041, betreffend Verhinderung der Inbetriebnahme von Temelin und tschechischer Billigstromimporte, wird in den Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen überwiesen. – Ich sehe, das hat Ihre Zustimmung gefunden.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 18

Besetzung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

Wahl des zweiten Vertreters der Präsidentin sowie Neu- und Wiederwahl jeweils zweier berufsrichterlicher Mitglieder

Mit Schreiben vom 5. Juni 2000 hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass die Amtszeit des berufsrichterlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs, des Herrn Dr. Horst Tilch, zugleich zweiter Vertreter der Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, bereits abgelaufen sei.

Da er zum 30. Juni 2000 in den Ruhestand getreten sei, komme eine Wiederwahl nicht in Betracht. Als Nachfolgerin des Herrn Dr. Tilch in seiner Eigenschaft als berufsrichterliches Mitglied schlage die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Frau Dr. Ursula Lewenton, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München, vor.

Als Nachfolger des Herrn Dr. Tilch in seiner Funktion

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

als zweiter Vertreter der Präsidentin werde Herr Prof. Dr. Reinhard Böttcher, Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg, vorgeschlagen, der bereits berufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sei.

Mit Ablauf des 30. April 2000 sei außerdem der Vorsitzende Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht Ernst Karmasin in den Ruhestand getreten und damit zugleich als berufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ausgeschieden. Als Nachfolger schlage die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Herrn Dr. Heinrich Merl, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, vor.

Außerdem, so der Ministerpräsident in seinem – –

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie bitten, etwas ruhiger zu sein. Es ist sehr schwierig, dies alles vorzutragen.

Außerdem, so der Ministerpräsident in seinem Schreiben vom 5. Juni, habe am 3. Juli 2000 die Amtszeit des berufsrichterlichen Mitglieds des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Herrn Werner Stadler, Präsident des Landgerichts Memmingen, geendet. Darüber hinaus sei die Amtszeit des berufsrichterlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Dr. Erwin Pongratz, Vorsitzender Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, bereits abgelaufen. Es werde vorgeschlagen, die beiden zuletzt genannten Richter als berufsrichterliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs wiederzuwählen.

Die Richter-Wahl-Kommission hat in ihrer Sitzung am 6. Juli 2000 den Vorschlägen der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs zugestimmt und beschlossen, der Vollversammlung zu empfehlen, diese Wahlvorschläge anzunehmen. Zur Wahl von Frau Dr. Lewenton hat die SPD-Fraktion als Gegenkandidaten Herrn Guido Kotschy, Richter am Oberlandesgericht München, vorgeschlagen. Alle Kandidaten haben erklärt, im Falle ihrer Wahl das Amt anzunehmen.

Wir kommen damit zu den Wahlen, die in drei Wahlgängen abgewickelt werden sollen. Zunächst findet die Wahl des zweiten Vertreters der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs statt. Das ist der blaue Stimmzettel. Anschließend führen wir in getrennten Wahlgängen jeweils die Neuwahlen – das sind die weißen und die roten Stimmzettel – sowie die Wiederwahl – das sind die gelben und die grünen Stimmzettel – durch. Neben den fünf Stimmzetteln, die Sie an Ihrem Platz finden und auf denen die jeweils vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt sind, enthält Ihre Stimmkartentasche drei gelbe Namenskarten, die für die einzelnen Wahlgänge zu verwenden sind.

Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals im Bereich der Eingangstüren. Ich bitte, sowohl die Namenskarte als auch die Stimmzettel nicht selbst in die Urnen einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereitstehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamtes auszuhändigen.

Wir beginnen nun mit dem ersten Wahlgang. Das ist der blaue Stimmzettel. Für die Wahl stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Stimmabgabe von 17.34 Uhr bis 17.39 Uhr)

Die Wahl ist beendet. Die Auszählung der Stimmzettel erfolgt außerhalb des Plenarsaals. Das Wahlergebnis wird später bekannt gegeben. Wir führen inzwischen den zweiten Wahlgang durch. Für die beiden Neuwahlen sind die weißen und roten Stimmzettel zu verwenden. Mit dem Wahlgang kann jetzt begonnen werden. Es stehen wieder fünf Minuten zur Verfügung.

(Stimmabgabe von 17.39 bis 17.44 Uhr)

Die Wahl ist beendet. Die Auszählung der Stimmzettel erfolgt außerhalb des Plenarsaales. Das Wahlergebnis wird später bekannt gegeben.

Wir kommen zum letzten Wahlgang. Für die beiden Wiederwahlen sind die verbleibenden gelben und grünen Stimmzettel zu verwenden. Mit dem Wahlgang kann begonnen werden.

(Stimmabgabe von 17.45 bis 17.50 Uhr)

Die Wahlgänge sind abgeschlossen. Bis zur Feststellung der Wahlergebnisse fahren wir in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 19

Antrag der Abgeordneten Unterländer, Dr. Eykmann, Kobler und anderer (CSU)

Beschäftigung Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst (Drucksache 14/3157)

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Das Wort hat Herr Kollege Unterländer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Ziel, möglichst viele schwerbehinderte Menschen, Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst zu beschäftigen, ist eine Aufgabe, die die Bayerische Staatsregierung, aber vor allen Dingen das bayerische Parlament über viele Jahre hinweg beschäftigt, weil wir die Erkenntnis haben, dass es keine rein statistische Frage ist, mit deren Lösung man die damit verbundenen Probleme in den Griff bekäme.

Es hilft uns nichts, wenn wir nur danach schielen, die Beschäftigungsquote, die das Schwerbehindertengesetz vorsieht, rein nominell zu erfüllen. Denn in Wahrheit geht es darum, behinderten Menschen, die sonst noch größere Schwierigkeiten hätten, auf den anderen Arbeitsmärkten eine Beschäftigung zu erhalten, in den öffentlichen Dienst zu integrieren.

Die Ausgangslage ist, dass die Bayerische Staatsregierung intensive Anstrengungen unternommen hat, die Situation zu verbessern. In Sonderstellenprogrammen

ist die besondere Situation der Beschäftigung Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst innerhalb des Freistaates Bayern berücksichtigt worden. Das heißt, dass trotz der allgemeinen Einsparbedürfnisse, die wir als Gesetzgeber beim Stellenplan immer wieder vor Augen hatten, Stellenbesetzungen zugunsten Schwerbehinderter vorgenommen worden sind. Nach dem System, wie das erfolgt ist, mussten Ressorts Stellen, wenn sie sie nicht besetzen konnten, an andere Ressorts abgeben, die eher die Möglichkeit der Besetzung hatten. Das hat zwar zu Unwillen geführt, aber auch gezeigt, dass das ein Weg ist, zu mehr Beschäftigung Behinderter zu kommen.

Nimmt man die Statistik insgesamt und betrachtet man die Struktur der Beschäftigungsformen in der öffentlichen Verwaltung, so muss man feststellen, dass gerade im Vollzugsdienst, ob in der Polizei, ob im Justizvollzugsdienst, aber auch im pädagogischen Bereich die Möglichkeit, Behinderte einzusetzen, nicht in ausreichendem Umfang vorhanden ist, – um es vorsichtig auszudrücken.

Deshalb hat es eine interministerielle Arbeitsgruppe gegeben, die sich sehr intensiv damit beschäftigt hat, welche Wege und Möglichkeiten es noch gibt, um das Ziel, das uns auch durch Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes und durch die Bayerische Verfassung vorgegeben ist, wodurch der öffentliche Arbeitgeber mit einer Vorbildfunktion versehen ist, besser zu erreichen, nämlich die Diskriminierung Behinderter zu vermeiden.

Ich möchte hier sehr differenziert argumentieren, weil man natürlich auf die Schiene zurückfahren und sagen kann: Wenn man Lehrer und Vollzugsbeamte herausrechnet und die vorgesehene Reform des Schwerbehindertenrechts in Betracht zieht, dann ist die Beschäftigungsquote, die der Freistaat Bayern gegenwärtig nicht erreicht, fast erfüllt. Ich halte das aber nicht für eine hilfreiche Argumentation. Dazu wird auch im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes, dessen stellvertretender Vorsitzender gleich eine Frage an mich richten wird, differenziert argumentiert. – Bitte.

Herr Kollege Unterländer, Sie haben von den ohne Zweifel vorhandenen Schwierigkeiten in Bayern gesprochen. Wie können Sie es uns denn erklären, dass andere Bundesländer die Behindertenquote im öffentlichen Dienst erfüllen?

Herr Kollege Franzke, wir haben in der öffentlichen Verwaltung tatsächlich unterschiedliche Strukturen. In anderen Bundesländern werden andere Schwerpunkte gesetzt. Es sind nur begrenzte Vergleichsmöglichkeiten vorhanden.

Wir haben in der Tat die Erkenntnis und sind uns darüber, glaube ich, einig – das ist über die Parteigrenzen hinweg unbestritten, auch in der öffentlichen Verwaltung unbestritten und vor allen Dingen bei den Interessenvertretungen der Behinderten unbestritten –, dass wir gar nicht in ausreichendem Maße behinderte Menschen haben, die einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst in den jetzigen Strukturen nachgehen können. Deshalb ist es zu der von mir bereits zitierten interministeriellen

Arbeitsgruppe gekommen. Deswegen hat auch die Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Frau Stein, dazu unter anderem einen Beirat eingerichtet, in dem Abgeordnete aller Fraktionen vertreten sind.

Ich selber habe aus den Erkenntnissen dieses Beirats heraus einen Antrag formuliert, der sowohl im federführenden Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes als auch im Sozialpolitischen Ausschuss einstimmige Zustimmung mit einer Ergänzung durch die Frau Kollegin Schopper gefunden hat. Es geht dabei tatsächlich darum, in einem intensiven Dialogprozess mit allen Beteiligten von der öffentlichen Verwaltung bis zu den Organisationen und Institutionen, wo Behinderte ausgebildet werden, Wege zu finden, um Behinderte an die Arbeit des öffentlichen Dienstes heranzuführen.

Was gehört nun zu diesen Themen, die aus dem Dialogprozess heraus zu einer verstärkten Beschäftigung neuer Mitarbeiter mit Behinderungen im öffentlichen Dienst führen sollen? Es sind neue Tätigkeitsfelder, die sich aus der Verwaltungsreform und neuen Organisationsstrukturen ergeben können, die für Behinderte besonders geeignet sind.

Ich meine damit zum Beispiel auch die Wohnraum- und Telearbeitsplätze, die aus meiner Sicht besonders behindertengeeignet sind. Ich meine damit die verstärkte Kooperation zwischen Ausbildungsinstitutionen im öffentlichen Dienst und den Rehabilitationseinrichtungen der Behindertenhilfe. Ich meine damit eine Verbesserung der Prüf-, Einstellungs- und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst, das heißt in die diesem Zusammenhang eine Durchforstung des öffentlichen Dienstrechts. Ich meine damit die Schulung von Mitarbeitern in den Personalverwaltungen der öffentlichen Verwaltung, die teilweise zugegebenermaßen noch mehr Sensibilität entwickeln müssen, wenn es um die Belange behinderter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst geht. Ich meine auch einen Spezialbereich, Frau Kollegin Steiger, der durch die Kollegin Schopper mit der Arbeitsgruppe bei der Behindertenbeauftragten als besondere Anliegen dokumentiert worden ist, nämlich dass man Arbeitsassistenten, die für die Integration in den Arbeitsmarkt sehr hilfreich sein können, verstärkt zur Beschäftigung behinderter Menschen auf dem Gebiet des Arbeitsmarkts für den öffentlichen Dienst einsetzt. Dazu sollen die Mittel der Schwerbehindertenausgleichsabgabe beitragen.

Wenn es nun um die Reform des Schwerbehindertenrechts geht, werden wir in einem nächsten Antrag auch darüber zu diskutieren haben, welche Auswirkungen sie auf die Struktur der Behindertenhilfe gerade im Freistaat Bayern habe. Aber wir werden uns sehr genau anschauen, welche Auswirkungen die Novellierung des Behindertenrechts, die von Behindertenverbänden sehr kritisch gesehen wird, auf das Ziel einer möglichst intensiven Integration behinderter Menschen in den öffentlichen Dienst hat. Wir werden uns bemühen, und hier sehe ich einen Ansatz über alle Parteigrenzen hinweg, diesen Verfassungsauftrag zu erfüllen und möglichst viele Menschen, auch mit neuen Formen und Ansätzen, trotz zurückgehender Beschäftigungsmöglichkeiten in

die öffentliche Verwaltung zu integrieren. Ich bitte, dem Antrag wie in den vorberatenden Ausschüssen zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)