Protokoll der Sitzung vom 28.09.2000

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Faltlhauser, Ihre Rede war sehr interessant.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Bernhard (CSU))

Ihre Rede war vor allem deshalb interessant, weil sie sehr ambivalent war. Sie, Herr Minister, haben sich dabei als gespaltene Persönlichkeit präsentiert.

(Lachen bei der CSU)

Einmal, das ist die eine Seite, durchaus fachkundig, im Vortrag professoral. Als Beispiel nenne ich die Gründe, weshalb eine geringere Verschuldung notwendig ist. Und dann die andere Seite Polemik mit Verkürzungen und Verdrehungen, und Ihr Vortrag ist dann zum Teil auch fachlich und inhaltlich falsch.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist eines Professors unwürdig!)

Nehmen wir als Beispiel den Steuerausfall in Folge der Versteigerung der UMTS-Erlöse. Sie haben allen Ernstes behauptet, die Länder und Gemeinden hätten über die Laufzeit Steuerausfälle in Höhe von 27 Milliarden DM. Damit behaupten Sie, Herr Minister, den etwa 100 Milliarden DM an Investitionen stehe keine einzige Mark an Erträgen gegenüber. Herr Prof. Dr. Faltlhauser, das ist doch völliger Quatsch. Damit erklären Sie doch die deutschen Wirtschaftsbosse für vollkommen verblödet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die UMTS-Erlöse anbelangt, so jammern Sie, hier werde ein Stück Bayern verkauft und gleichzeitig gehe der Freistaat leer aus.

(Dr. Bernhard (CSU): Peanuts!)

Frau Kellner hat die Fusionen angesprochen. Sie hat dies aber nicht in der gebotenen Schärfe getan. Wir können uns noch an Ihre Verrenkungen erinnern, an die Konstruktionen, mit denen Sie versuchten, diese Fusionen steuerfrei zu gestalten.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was die Auflösung von versteckten Gewinnen und von stillen Reserven anbelangt, so kann ich mich noch gut an die wunderschönen Tauschwertgutachten erinnern. Herr Dr. Bernhard hat in diesem Zusammenhang gefragt: Hätten Sie es denn anders gemacht? Wir hätten das anders gemacht, denn Ihr Vorgehen hat auch dem Fiskus in Bayern geschadet. Das hätten wir nicht so gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zu einem anderen Beispiel, der Ausführung zur Ökosteuer. „Auch beim Heizöl wird kräftig abkassiert“, das war Ihr wörtlicher Beitrag. Wollen Sie den Bürgerinnen und Bürger wirklich weismachen, dass die vier oder fünf Pfennig Mehrkosten auf einen Liter Heizöl für den immensen Anstieg der Heizölpreise verantwortlich sind?

Ihre Agitation ist, wenn es um die Ökosteuer geht, scheinheilig. Sie ist scheinheilig vor dem Hintergrund der Steuererhöhungen während Ihrer Regierungszeit und vor dem Hintergrund der Aussagen und Forderungen führender Unionspolitiker. Sie ist aber auch scheinheilig im Hinblick auf die Reden, die Sie vor Ort immer wieder führen. Sie jammern dort, dass die Leute zu wenig Urlaub in Bayern machen, weil unter anderem die Flüge zu billig wären. Ich erinnere mich an die Diskussionen über die Bäder, die wir hier vor etwa zwei Jahren geführt haben. Damals war genau das ein Argument der CSUPolitiker. Sie jammern über Verdrängungen im Einzelhandel, über das Vordrängen von Discountern und anderen Großbetriebsformen im Einzelhandel, über die Verödung der Zentren und über die schlechten Chancen der Regionalvermarktung. Wesentliche Ursache all dieser Dinge waren und sind die niedrigen Energiepreise und auch die zu geringen einzelwirtschaftlichen Kosten im Verkehr. Auch dies zeigt Ihre Scheinheiligkeit.

Hier wäre doch die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen im Transportgewerbe in Europa angesagt. Wir brauchen vergleichbare Mindeststandards und das Vorgehen gegen graue oder illegale Kabotage. Ein wichtiger Schritt wird die Einführung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe im Jahr 2003 sein. Das zeigt, Rot-Grün in Berlin tut etwas, was Sie über alle die Jahre versäumt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun noch einmal zu den Fakten: 1960 und auch 1970 musste ein deutscher Arbeitnehmer für einen Liter Benzin erheblich länger arbeiten als heute. Sie tragen immer vor, in anderen Ländern würden von den Regierungen Steuersenkungen eingeleitet oder bestimmte Steuern ausgesetzt. Dabei verweisen Sie immer auf das Beispiel Frankreich. In Frankreich ist zurzeit der Benzinpreis aber höher als bei uns.

Ihre Kampagne ist nicht nur scheinheilig, sie ist auch im hohen Grad verantwortungslos. Wir haben immer gesagt, die Energie ist zu billig. Wir hätten uns auch höhere Sätze bei der Öko-Steuer gewünscht, und zwar deswegen, damit die Preise endlich auch die Knappheit von Energie anzeigen und endlich umgestiegen wird auf energiesparende Techniken und Verfahren. Davon würden vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, Handwerksbetriebe wie beispielsweise Schreinereien, Zimmerer, Heizungsbauer usw. profitieren.

Jetzt gibt es schlagartig die Energiepreissteigerung mit entsprechenden Verwerfungen und Friktionen. Das ist im Wesentlichen Ihrer Schlafmützigkeit zuzuschreiben. Sie haben die notwendigen Schritte jahrelang versäumt, und wir stehen jetzt vor dem Malheur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser, ein Eckpunkt Ihrer Rede ist folgendermaßen betitelt: „Der Freistaat als Silicon Valley Europas“. Frau Kellner hat schon ausgeführt, wie Sie überziehen in Ihrer Hightech-Manie, in Ihrer Sucht, überall in der Champions-League zu spielen. Zu Recht hat Frau Kellner Sie aufgefordert, auf den Boden der Tatsachen, zu den eigentlichen Problemen unseres Landes zurückzukehren.

Im Zusammenhang mit dem Stichwort „Bayern als Silicon-Valley“ komme ich kurz auf das Internet-Projekt der Bayerischen Staatsregierung, den Virtuellen Marktplatz Bayern, zu sprechen. Im neuen Doppelhaushalt werden Vergleichsbeträge in Euro angegeben. Herr Minister Prof. Dr. Faltlhauser, das macht durchaus Sinn. Bei den Unterlagen zum VMB ist sich die Staatskanzlei allerdings nicht zu blöd für folgenden Taschenspielertrick: Die Kosten werden alle in Euro angegeben; bei den Erlösbeispielen wird dagegen in D-Mark gerechnet. Das nenne ich einen Taschenspielertrick. Es handelt sich hierbei aber nur um eine Fußnote.

Während die Staatsregierung landauf, landab die Deregulierung predigt, will sie mit dem VMB Staatswirtschaft pur, Regulierung pur betreiben. Kleine Internetfirmen sollen an die Wand gedrückt werden. Sparkassen und Zeitungsverlage sollen Marktplätze betreiben und werden von der Staatskanzlei sogar aufgefordert, nebenher die Gestaltung von Webseiten anzubieten. Das Ganze findet seine Zuspitzung darin, dass über die Telecenter sogar Gemeinden aufgefordert werden, entsprechend tätig zu werden. Ich kann mich an die Diskussion über das neue kommunale Unternehmensrecht erinnern, die wir hier vor zwei Jahren geführt haben. Das, was hier beschlossen worden ist, die Subsidiaritätsklausel, müssten Sie eigentlich längst in den Papierkorb geworfen

haben angesichts der Vorgänge, die jetzt in der Bayerischen Staatskanzlei zu beobachten sind.

Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser, veranlasst durch Ihre Haushaltsrede haben wir uns praktisch nur mit der Bundespolitik auseinandergesetzt. Bei den Beratungen der Einzelpläne im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen, aber auch im Plenum wird dies hoffentlich anders sein. Wir werden Sie mit einer Menge von Änderungsanträgen konfrontieren. Ich fordere Sie jetzt an dieser Stelle nicht auf, all diesen Anträgen zuzustimmen. Wir bitten Sie aber herzlich, sich vor allem in den Beratungen ernsthaft mit unseren Vorschlägen auseinander zu setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Dinglreiter das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Konfusion in der Diskussion der Bundesregierung zum Thema „Ökosteuer“ macht deutlich – –

(Herbert Müller (SPD): Meinen Sie bei Frau Merkel?)

Ich rede von der Bundesregierung, und Frau Merkel ist noch nicht, aber bald ein Mitglied der Bundesregierung, wenn Sie so weitermachen.

Das interessanteste Argument ist gerade heute, eine Ökosteuerreduzierung würde die OPEC ermuntern, die Preise weiter anzuheben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, meine Damen und Herren. Wenn Sie heute die Verlautbarungen der OPEC-Konferenz lesen und hören, wird ganz deutlich, dass man zunächst abgewartet hat, wie sich die Steuererhöhungen von 1999/2000 in Europa auswirken. Erst dann hat man versucht nachzulegen. Das ist der Punkt, um den es geht.

(Herbert Müller (SPD): Sie sollten doch mit Frau Merkel reden!)

Wir sind von der CSU; wir sagen das, was wir für richtig halten. Wenn Sie ständig in Berlin nachfragen müssen, ist das Ihre Sache. Ihre Diskussion ist konfus und wird durch die Praxis widerlegt.

Die Bundesregierung nimmt es hin, dass die OPEC nach den Steuererhöhungen, die sie vorgemacht hat, nachzieht, und zwar ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland. Das müssen Sie sich sagen lassen. Bereits seit Anfang des Jahres zeichnet sich eine zunehmende und in letzter Zeit dramatische Preiserhöhung ab. Es gibt aber keine Verhandlungen der Bundesregierung, keine Initiative, keinen Protest auf europäischer Ebene. Wo war denn der Weltstaatsmann Schröder, der sich sonst geriert, als ob er alles im Griff hätte? Hätte es nicht vernünftigerweise Verhandlungen mit der OPEC geben müssen? Auch diese Länder brauchen Europa. Ich bin sicher, wenn man rechtzeitig mit ihnen gesprochen hätte, wäre manches zu vermeiden gewe

sen. Hat nicht Herr Schröder einen Eid darauf geschworen, dass er Schaden von unserem Land abwenden will? Gerade weil er nicht verhandelt hat, weil er nicht eingegriffen hat, hat er unserem Land Schaden zugefügt. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CSU)

Wirtschaft und Bürger werden von der Ökosteuer bis zum Jahr 2000 insgesamt mit fast 130 Milliarden DM zusätzlich belastet. Für viele ist das mehr, als ihnen die Steuerreform zurückgibt. Nachdem sich diese Steuerreform, wie schon erwähnt, insbesondere der großen Kapitalgesellschaften angenommen hat und diese überproportional entlastet, werden die Mittelständler und Verbraucher in stärkerem Masse geschröpft. Ist das die Politik der neuen Mitte? Der „Kanzler des Aufbruchs“ ist unter dem Druck von linker und grüner Seite zur verstaubten Politik der siebziger Jahre zurückgekehrt. Damals wollte die SPD die Belastungsgrenze der Wirtschaft ausloten. Das Ergebnis kennen wir. Wir wissen, was Anfang der achtziger Jahre geschehen ist. Heute, im Jahr 2000, gehen Sie noch einen Schritt weiter. Sie testen die Belastbarkeit aller, der Wirtschaft, der Familien, der Rentner und der sozial Schwachen. Das ist das, was Ihnen vorgehalten wird; und das ist das, was Sie auf die Dauer nicht aushalten werden.

(Beifall bei der CSU)

In ihrer Not greift die Bundesregierung jetzt zu dem ungeeigneten Mittel der Umverteilung. Ungeeignet deshalb, weil Umverteilung immer kostenintensiv ist. Ungeeignet deshalb, weil unzureichend, und ungeeignet auch, weil ungerecht. Das ist das, was man sagen muss. Lassen Sie den Bürgern mehr Geld in der Tasche, dann brauchen Sie nicht umzuverteilen. Verzichten Sie auf die Ökosteuer. Das wäre der richtige Weg, den Sie einschlagen sollten. Nicht nur, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern mit der Ökosteuer Geld aus der Tasche ziehen, das diese eigentlich für die von Ihnen erwartete Ankurbelung des Konsums dringend bräuchten, nein, Sie gefährden auch Betriebe und Arbeitsplätze. Lassen Sie mich das am Beispiel der Transportwirtschaft darstellen. Die Subventionen für das Transportgewerbe in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen zu einer existenziellen Bedrohung des deutschen Güterkraftverkehrs. International sind wir heute schon in einer schwierigen Situation.

(Mehrlich (SPD): Das war vor Jahren schon so!)

Ich darf Ihnen sagen, wir haben im Laufe der neunziger Jahre eine Menge von Angleichungen erreicht. Das, was Sie jetzt machen, ist eine Politik, die die Schere weiter auseinandergehen lässt. Das ist nicht hinnehmbar. Gleichzeitig mit der vor einigen Wochen in Frankreich ausgehandelten Treibstoffrückerstattung von 12 Pfennigen wurde zugesagt, dass die Erhöhung, die für den 01.01.2001 mit 7 Pfennigen vorgesehen war, ausgesetzt wird. Das bedeutet eine Entlastung der französischen Transportunternehmer, die ohnehin schon günstiger gestellt waren durch die Mehrwertsteuer, was ich aber nicht vertiefen will. Sie erhalten noch einmal einen Preisvorteil von 19 Pfennigen.

Auch in Holland hat man seit 1997 die Erhöhung der Mineralölsteuer zurückerstattet. Jeder Transportunternehmer hat bis zu 2000 DM pro Lkw und Jahr an Steuerrückerstattung bekommen. Wenn immer behauptet wird, die Preise für Diesel sind bei uns am günstigsten, dann frage ich Sie: Warum fahren die Holländer mit 850-LiterTanks nach Italien, ohne bei uns zu tanken? Wenn der Preis bei uns günstiger wäre, würden sie mit leerem Tank in die Bundesrepublik einfahren, hier tanken und weiterfahren. Nein, sie machen es umgekehrt: Sie tanken zu Hause, weil es dort wesentlich billiger ist und noch billiger wird, weil eine weitere Absenkung der Mineralölsteuer auf 15 Pfennige vorgesehen ist, und zwar für 50000 Liter pro Lkw. In Italien gibt es Stützungsprogramme – ich will das nicht im Detail ausführen –, die so weit gehen, dass Versicherung, Steuer und Autobahngebühren zurückerstattet werden.

In Belgien ist beschlossen worden, dass die Mineralölsteuer rückwirkend ab 1. Januar 2000 mit 10 Pfennig je Liter zurückerstattet wird. Was macht hingegen die Bundesregierung? Sie kassiert ohne Rücksicht auf Verluste weiter ab. Das kann nicht hingenommen werden, denn die Entwicklung in den Nachbarländern bedeutet, dass bereits die bisher im Wettbewerb benachteiligten deutschen Transportunternehmer weiter unter Druck geraten. Für viele mittelständische Betriebe, die bereits jetzt rote Zahlen schreiben, die aus der Substanz leben, wird die Verschärfung des Wettbewerbs das Aus bedeuten. Die im Raum stehende Prognose ist unbestritten, dass nämlich 10000 Betriebe mit über 100000 Arbeitskräften direkt und weitere zigtausend Arbeitskräfte indirekt betroffen und damit in Gefahr sind, wenn sich nichts ändert. Ist das eine Politik für mehr Arbeitsplätze?

Der „Süddeutschen Zeitung“ habe ich eine Äußerung des Bundeskanzlers entnommen. Diesen Presseartikel möchte ich auszugsweise zitieren: „Der Vorwurf, die hohen Benzin- und Dieselpreise seien auch staatlich veranlasst, nannte der Kanzler ,nicht nachvollziehbar; da müssen andere am Werk gewesen sein, wir waren es jedenfalls nicht‚“.

Was ist die Realität? Diese Bundesregierung hat eine fünfmalige Erhöhung um jeweils 6 Pfennig beschlossen. Das sind 30 Pfennig.

(Herber Müller (SPD): Harmlos gegenüber euren Erhöhungen!)

Ich verstehe nicht, dass Sie sich das nicht merken können. Ich habe es Ihnen schon ein paar Mal gesagt: Eine Erhöhung diente dem Zweck, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ zu finanzieren. Wollten Sie das etwa nicht? Die zweite Erhöhung diente der Ablösung der Bahnschulden, um die Bahn privatisieren zu können. Wollten Sie die Privatisierung der Bahn etwa nicht? Das ist die Realität.

(Herbert Müller (SPD): Erst seitdem wir regieren, gibt es Pendler!)

Fünf mal sechs ergibt 30 Pfennig. Mit Mehrwertsteuer sind es 35.