Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Nächster Redner ist Herr Kollege Sprinkart. Bitteschön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Ballungsraumzulage hat eine lange Geschichte. In der jüngsten Zeit steht diese Geschichte unter der Überschrift: „Wie missachtet der Finanzminister das Parlament.“

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maget (SPD): Das ist der Punkt!)

Zunächst kündigte Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser im Mai dieses Jahres das Ende der Ballungsraumzulage an. In Dringlichkeitsanträgen haben dann alle drei Fraktionen das Ansinnen abgelehnt, wobei ich hier eine kritische Anmerkung an uns selbst richten darf. Wir hätten beschließen können, dass die Ballungsraumzulage einfach um fünf Jahre verlängert wird. Das haben wir nicht getan. Vielmehr haben wir die Staatsregierung gebeten, dafür zu sorgen, dass die Ballungsraumzulage fortgeführt wird. Daraufhin geschah ein halbes Jahr nichts. Dann ließ der Finanzminister den Kollegen Haedke bei einer Podiumsdiskussion der ÖTV erklären, die Ballungsraumzulage würde fortgeführt. Er sagte nicht, auf welche Weise und wie lange.

Kurz darauf erfuhren wir durch die Medien, dass die Staatsregierung eine Fortführung der Ballungsraumzulage beschließt, aber in einer erheblich von der alten Regelung abweichenden Form. In der „Welt“ vom 26. Oktober konnte man von einem Murren in den Reihen der Landtagsfraktion der CSU lesen. Allen voran bemän

gelte Herr Kollege Ach, man sei vorher nicht in die Diskussion einbezogen worden. Als ich das gelesen habe, dachte ich, für uns von der Opposition ist das nichts Ungewöhnliches. Wenn man aber den Dringlichkeitsantrag der CSU vom Mai liest, den wir einstimmig beschlossen haben, kann man nur sagen, sofern Herr Kollege Ach nicht nur für seine Fraktion spricht, Recht hat er, haben wir doch einstimmig beschlossen: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, über die Situation zu berichten und ein Konzept für die Gestaltung der Ballungsraumzulage vorzulegen.“

Herr Kollege Dr. Bernhard, ein Konzept vorzulegen ist etwas anderes, als einen Gesetzentwurf vorzulegen. Haben wir nun einen Bericht gehört? Haben wir ein Konzept vorgestellt bekommen? Ich hätte mir gewünscht, es käme von der CSU ein klares Nein. Wir haben nämlich beides nicht. Stattdessen gibt es einen Gesetzentwurf, der sich bereits im förmlichen Beteiligungsverfahren befindet. Das nenne ich eine Missachtung dieses Hauses und seiner Beschlüsse. Dass der Antrag von der Regierungsfraktion kommt, macht die Sache erst richtig brisant.

(Dr. Bernhard (CSU): Ich weiß nicht, was Sie wollen, es gibt eine Geschäftsordnung der Staatsregierung; das ist ein normaler Vorgang!)

Herr Dr. Bernhard, wenn das so wäre, warum haben Sie nicht in Ihrem Antrag geschrieben, die Staatsregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Sie haben geschrieben, sie soll ein Konzept vorlegen.

(Dr. Bernhard (CSU): Wie soll man es denn sonst machen?)

Man diskutiert auf der Ebene eines Konzepts anders als auf der Ebene eines Gesetzentwurfs, der schon im Beteiligungsverfahren ist. Das wissen Sie so gut wie ich.

Zum Inhalt des Gesetzentwurfs. Man kann über die Systematik, ob man die Mietstufen oder das Landesentwicklungsprogramm heranzieht, streiten. Darüber kann man vortrefflich diskutieren, aber die Diskussion hätte im Vorfeld auf Konzeptebene stattfinden sollen. Dann wäre sie sinnvoll gewesen. Dass man uns jetzt in gewisser Weise vor vollendete Tatsachen stellt, ist nicht okay. Was die Frage der Eingrenzung der Gebietskulisse anbelangt, habe ich mit 13% meine Schwierigkeiten.

(Dr. Bernhard (CSU): 16%!)

16%. Das macht den Kohl nicht fett.

In der Begründung des Gesetzentwurfs steht, dass die Ausgaben für Beamte und Richter von 40 Millionen DM jährlich auf 13 Millionen DM zurückgehen. Das ist ein Rückgang auf ein Drittel. Weiter führen Sie aus, dass die Ausgaben für Tarifbeschäftigte von 63 Millionen DM auf 20 Millionen DM zurückgehen. Das ist ebenfalls ein Rückgang auf ein Drittel. Dazu sagen Sie, das sind 16%. Wenn Sie es nicht mit der Gebietskulisse schaffen, dann müssen Sie es mit einer Regelung zur Antragsberechtigung bei bestimmten Gehaltsstufen machen. Irgendwo muss die Einsparung um zwei Drittel herkommen. Wenn

es nicht die Gebietskulisse ist, muss es etwas anderes sein. Den Gesetzestext und die Ausführungen dazu können Sie selbst nachlesen.

Über die Angelegenheit hätte man im Vorfeld auf Konzeptebene im Rahmen eines Berichts gut in den Ausschüssen diskutieren können. So werden Vorgaben gemacht, die vermutlich nicht mehr umzustoßen sind. Auch über Ihren Einwand, dass die Mietstufenreform kommt, hätte man diskutieren können, aber nicht im Nachhinein, sondern im Vorfeld. Das wäre mein Anliegen gewesen.

Wenn Sie sagen, die Mittel, die Sie einsparen, indem Sie eine Umstellung vornehmen, würden für den Bau von Staatsbedienstetenwohnungen verwendet, könnten wir gern reden. Das wäre ein durchaus interessanter Ansatzpunkt, aber davon ist nichts zu hören. Die Umstellung des Systems, die Abgrenzung nicht mehr nach der Besoldungsgruppe, sondern nach dem tatsächlichen Gehalt zu treffen, hat etwas für sich. Ich bin hier ganz ehrlich. Ob die Höhe des Gehalts richtig ist, ist allerdings eine andere Frage. Der Ansatz wäre wohl etwas aufwändiger, aber nach meiner Einschätzung gerechter. Das Gleiche gilt für die Berücksichtigung der Tatsache, dass Beamte, die in einer Staatsbedienstetenwohnung wohnen, einen geringeren Zuschuss erhalten. Ich denke, das ist okay.

Herr Kollege Franzke, diesbezüglich habe ich Probleme mit dem Antrag der SPD. Dort steht, es darf keine Schlechterstellung geben. Ich denke, wir könnten uns durchaus darauf einigen, dass die Berücksichtigung der Staatsbedienstetenwohnung in Ordnung ist. Aber sie wäre für den Beamten oder die Beamtin eine Schlechterstellung. Wenn ich dem zustimme, kann ich aber Ihrem Entwurf nicht mehr zustimmen.

Darum denke ich, wenn es hinsichtlich dieses Punktes keine Änderung gibt, werden wir uns der Stimme enthalten. Wir legen uns sonst fest, und ich halte mich dann an diesen Beschluss gebunden. Wenn es heißt: keine Schlechterstellung, dann ist das eine klare Aussage.

Eines ist diese Verordnung ganz sicher nicht, das lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen zum Abschluss feststellen: ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung. Aus dem alten § 86 b mit 22 Zeilen wurde ein Gesetzestext mit 3 Seiten. Der Verwaltungsaufwand wird größer, die Gebietskulisse wird kleiner. Ich bin sicher, den Betroffenen wäre es umgekehrt lieber gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Huber.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ballungsraumzulage fällt in die Zuständigkeit des Staatsministers der Finanzen. Ich darf ihn entschuldigen, er ist bei einer Besprechung bei Bundesfinanzminister Eichel, wegen der Bundesbankstruktur.

Zunächst möchte ich ein paar Bemerkungen richtig stellen, die irreführend sind. Erstens. Die Staatsregierung hat keine Fakten geschaffen und keine Verordnung erlassen. Die Ballungsraumzulage wird durch Gesetz geregelt, und das bedeutet: Der Bayerische Landtag hat das letzte Wort. Sie brauchen deshalb keine Verunsicherung betreiben. Der Bayerische Landtag wird die Entscheidung per Gesetz treffen, wie es mit der Ballungsraumzulage zum 01.01.2000 weitergeht.

Herr Staatsminister, Sie gestatten die Zwischenfrage des Kollegen Franzke? Aber wirklich eine Zwischenfrage, Herr Kollege.

Eine Frage, Herr Staatsminister: Können Sie mir einen Kabinettsbeschluss nennen, der in der letzten Zeit von der Mehrheitsfraktion des Parlaments nicht entsprechend beschlossen worden wäre?

(Knauer (CSU): EUG!)

Herr Staatsminister, bitte.

Wenn die Mehrheit des Bayerischen Landtags in ihrer unbegrenzten Klugheit den Vorschlägen der Staatsregierung zustimmt, dann kann ich das nur begrüßen.

(Lachen bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun aber ernsthaft: Herr Kollege Franzke, es ist doch im Grunde so, dass bei den meisten Gesetzentwürfen irgendwelche Veränderungen eintreten. Kollege Knauer hat mir gerade zugerufen – ich bedanke mich für diese Hilfe –, dass das beispielsweise beim EUG der Fall war. Dieses Gesetz ist sehr umfangreich verändert worden, und das gilt auch für viele andere. Wenn Ihr Respekt vor der Staatsregierung aber so weit geht, dass Sie meinen, hier würden Beschlüsse für die Ewigkeit gefasst, dann freut mich das selbstverständlich. So anmaßend sind wir aber gar nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Franzke (SPD))

Zunächst ist es wichtig, festzustellen, dass keine Fakten geschaffen worden sind. Das Kabinett hat stattdessen den Entwurf eines Gesetzes ausgearbeitet und dieser Entwurf geht nach Artikel 104 des Beamtengesetzes in die Verbandsanhörung. Die Verbandsanhörung ist der Gesetzesberatung vorgeschaltet. Das ist der ganz normale Lauf der Dinge, den das Parlament beschlossen hat. Anschließend geht der Gesetzentwurf zurück zur Staatsregierung, das Ergebnis der Verbandsanhörung wird ausgewertet, und anschließend erfolgt die endgültige Beschlussfassung durch das Kabinett. Wir haben vor, den Gesetzentwurf noch in diesem Jahr dem Parlament zur Ersten Lesung vorzulegen, denn wir wollen sicherstellen, dass die Ballungsraumzulage zum 01.01.2000 weiterbezahlt werden kann. Damit besteht keine Gefahr, dass die Ballungsraumzulage bei den Januarbezügen wegfällt.

Zweitens. Herr Kollege Franzke, dies ist der normale, gesetzlich vorgeschriebene Ablauf der Dinge. In diesem Zusammenhang von einem Stilbruch zu reden, ist mir völlig unverständlich.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Drittens. Niemand will die Ballungsraumzulage als solche abschaffen. Sie werden sehen – Kollege Dr. Bernhard hat darauf hingewiesen –, dass es notwendigerweise Veränderungen geben muss, um Schlechterstellungen zu vermeiden. Es wird also Veränderungen geben. Nur das Datum zu ändern, wäre nicht gut, deshalb muss es in Sachen Gebietskulisse und möglicherweise auch in der Frage, welcher Personenkreis betroffen ist , zu Veränderungen kommen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich verstehe deshalb nicht, weshalb Sie in Ihrem Übereifer meinen, das Thema mit einem Dringlichkeitsantrag im Parlament zur Sprache bringen zu müssen. Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass Sie merken, wie miserabel die Stimmung bei den Beamten ist, die sehen, dass sie gegenüber den Tariflöhnen in diesem Jahr mit einer Nullrunde belastet werden.

(Beifall bei der CSU)

Ursprünglich hatte man den Beamten zumindest so etwas wie einen Inflationsausgleich in Aussicht gestellt. Inzwischen steht aber fest, dass es im Jahr 2000 um eine Nullrunde gehen wird. Deshalb glauben Sie, hier Punkte sammeln zu können. Ich denke aber, die Beamten werden dieses Manöver sehr gut durchschauen.

Meine Damen und Herren, ich möchte in aller Kürze den Inhalt des Entwurfs der Staatsregierung und die Begründung dafür nennen. Wir haben bisher eine Gebietskulisse, die sich an der Mietstufenhöhe 5 und 6 orientiert. Diese Kulisse birgt Probleme, die Kollege Faltlhauser im Mai umfassend dargestellt hat, beispielsweise anhand des „Ballungsgebiets Jachenau“. Deshalb ist es sinnvoll, Veränderungen vorzunehmen. Außerdem ändert sich zum 01.01.2001 die Mietstufenregelung. Damit würden neue Gebiete zugrundegelegt, die aus unserer Sicht nicht darunter fallen sollten. Würde man sich weiterhin an diese Mietstufen halten, wäre beispielsweise der Landkreis Garmisch-Partenkirchen künftig dabei, die der Landeshauptstadt München nahegelegene Stadt Garching hingegen nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das kann man niemandem erklären. Wenn man alles bei der jetzigen Regelung beließe, würden die Übergangsregelungen herausfallen, auch das wäre unbillig. Deshalb ist es notwendig, zum 01.01.2001 zu einer Neuregelung der Gebietskulisse zu kommen. Der Vorschlag, den die Staatsregierung in diesem Anhörungsverfahren gemacht hat – den Ballungsraum München nach dem Landesentwicklungsprogramm zu benennen – ist sinnvoll und praktikabel. Dieser Vorschlag wird den Belangen gerecht, denn die Ballungsraumzulage ist eine Fürsorgeleistung zur Personalgewinnung, und zwar in ers

ter Linie für den Ballungsraum München. In dieser Zielsetzung dürften wir wohl übereinstimmen.

Es hat mich sehr gewundert, Herr Kollege Franzke, Sie haben die Umstellung auf einen Festbetrag bei der Zahl der Berechtigten kritisiert. Das kommt auch aus der Erfahrung, dass die bisherige Regelung ungerecht war. Bisher hat man den Betrag an die Besoldungsgruppe A 10 angeknüpft. Sie kennen doch die Beamtenbesoldung und die aufsteigenden Dienstaltersstufen. Der Normalfall ist doch, dass beispielsweise ein älterer Beamter in A 10 ein höheres Gehalt bekommt als ein junger Beamter in A 11. Der junge Beamte, der vielleicht eine Familie gründet und hierher nach München versetzt wird, hat aber größere Probleme als der ältere Kollege, der seit langen Jahren in München lebt. Die Erfahrung zeigt deshalb, dass die Anknüpfung an Besoldungsgruppen nicht sachgerecht ist. Deshalb stellen wir auf eine feste Grenze um, die dynamisch ist. Keine Frage, diese Grenze wird dynamisiert, damit kein automatisches Herausfallen möglich ist. Damit, meine Damen und Herren, wird der betroffene Personenkreis doch wesentlich präziser abgegrenzt. Ich verstehe deshalb überhaupt nicht, was man gegen diese Regelung haben kann. Das ist eine sinnvolle Weiterentwicklung, der Sie doch nähertreten könnten, wenn Sie sie nicht ignorieren würden.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Künftig wird eine Familienkomponente eingebaut, so dass ein verheirateter Beamter oder eine Beamtin mit Kindern im Grunde etwas besser gestellt ist als ein Bediensteter, der keine Kinder hat. Ich meine, das ist eine sinnvolle Weiterentwicklung. Lassen Sie uns doch die Chance wahrnehmen, gesetzlich Festgelegtes zum Ende dieses Jahres auslaufen zu lassen und diese Chance zu nutzen, anstatt einfach zu prolongieren. Stattdessen wollen wir die Gebietskulisse vernünftig abgrenzen. Außerdem können wir den betroffenen Personenkreis dadurch schärfer abgrenzen. Ich räume allerdings ein, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung eine Einsparung im Umfang von 16% vorsieht.

Ich will das nicht leugnen, denn es ist auch unser Ziel, die Belastungen im Staatshaushalt in verantwortbaren Grenzen zu halten. Außerdem wollen wir das Ziel des ausgeglichenen Haushalts bis zum Jahr 2006 erreichen. Das haben wir dem Landtag in der Ergänzung zur Haushaltsverordnung vorgeschlagen. Ich meine aber, dass wir mit dieser Weiterentwicklung der Ballungsraumzulage eine sehr präzise, auf die Bedürfnisse der Zukunft zugeschnittene Lösung gefunden haben, die für die Bediensteten sozial verträglich ist.

Ich möchte an dieser Stelle ankündigen, dass wir nach Abschluss des Anhörungsverfahrens noch in diesem Jahr den Gesetzentwurf zur Ersten Lesung vorlegen werden. Dieser Gesetzentwurf wird im Übrigen für die, die herausfallen werden, eine mehrjährige Übergangszeit vorsehen. Es wird also kein abruptes Abstürzen geben. Die Ballungsraumzulage wird bis zum 1. Juli des nächsten Jahres in vollem Umfang weiterbezahlt.

Anschließend wird in zeitlichen Stufen von 15 Monaten und jeweils 50 Mark eine Reduzierung vorgenommen.

Auch das ist sehr sozialverträglich. Das heißt, ich kann ankündigen, dass die Staatsregierung diesem Hohen Hause in Kürze eine vernünftige Fortführung der Ballungsraumzulage vorschlagen wird.