Protokoll der Sitzung vom 29.11.2000

(Frau Biedefeld (SPD): Das höchste Gefälle innerhalb eines Bundeslands!)

Frau Biedefeld, auf diesen doch „sehr intelligenten“ Einwurf will ich nicht eingehen.

(Schläger (SPD): Er war aber sehr intelligent! – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Kollege, das ist eine Frage der Bewertung. Ich bewerte so etwas wahrscheinlich anders als Sie.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie versuchen ständig, die Verbände gegeneinander auszuspielen, und zwar zulasten der Staatsregierung. Sie haben erzählt, der Sport werde wiederum vergessen werden. Nun haben wir ein kleines Notprogramm aufgelegt. In dessen Rahmen wurde die Abfinanzierungszeit für Investitionen auf diesem Gebiet von zehn auf sieben Jahre verkürzt werden. Angesichts dessen bitte ich Sie darum, die Äußerung von Herrn Prof. Dr. Kapustin zu überdenken. Er erklärte, er bedanke sich sehr für besagtes Programm, weil dadurch die Abfinanzierungszeit auf drei bis vier Jahre zurückgefahren werden könne. Die von Ihnen genannten zehn Jahre sind also schlichtweg aus der Luft gegriffen.

Ähnlich ist es wohl bei der Abfinanzierung von Investitionen zugunsten der Wasser -bzw. Abwasserentsorgung. Ich habe mich selbst davon überzeugt: Derzeit ist auf diesem Sektor ein Betrag von rund 4,2 Milliarden DM abzufinanzieren. Das räume ich ein. Meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen, Sie müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir jährlich 750 Millionen DM für die Abfinanzierung entsprechender Objekte bereitstellen werden, mehr als in den vergangenen Jahren. Sie können auch davon ausgehen – dazu liegen Ihnen vielleicht auch Informationen vor –, dass der Abfinanzierungsstau in zwei bis drei Jahren beseitigt sein wird. Wenn Sie gnädigerweise zur Kenntnis nehmen, dass die Abfinanzierung von Investitionen zugunsten von Kindergärten fast zeitgleich läuft und wir Ende nächsten Jahres keinerlei Finanzierungsprobleme bei Kindergärten mehr haben werden, müssen sie zu dem Schluss kommen: Es ist richtig, die Prioritäten so zu setzen, dass die Kommunen und auch die Kindergartenträger die ihnen zustehenden staatlichen Gelder möglichst zeitnah erhalten.

(Zurufe von der SPD)

Nun zu den Schutzwesten. Ich muss mich schon sehr darüber wundern, was meine Vorredner zu diesem Thema gesagt haben. Im Haushaltsausschuss – das können alle nachlesen – hat Herr Kollege Grabner für die CSU-Fraktion erklärt: Wir werden über die erforderlichen finanziellen Mittel sprechen, wenn das für März 2001 angekündigte einschlägige Gutachten vorliegt. Niemand

hat gesagt, wir könnten oder wollten keine Schutzwesten finanzieren. Vielmehr wurde erklärt: Wenn uns die Ergebnisse des so genannten Testverfahrens vorliegen, werden wir über die Finanzierung sprechen. – insofern ist nicht korrekt, was meine Vorredner zu dem Thema ausgeführt haben.

Nun zum vorliegenden Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der SPD, dieser Dringlichkeitsantrag – das sage ich jetzt als einer, der vielleicht vom Haushaltsrecht etwas versteht – zeugt einmal mehr von Ihrer juristischen Unkenntnis und völligen Praxisferne. Da muss ich gleich feststellen: Gott sei Dank tragen Sie in Bayern nicht Regierungsverantwortung. Ansonsten sähe es hier nämlich sehr trübe aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich will auch begründen, warum dieser Antrag von der völligen Praxisferne seiner Autoren zeugt. In der Bayerischen Haushaltsordnung ist festgelegt, dass ein Nachtrag zum Haushaltsgesetz und zum Haushaltsplan im Landtag eingebracht werden muss, wenn im Haushaltsplan bewilligte Ausgaben nicht ausreichen oder wenn Ausgaben für Zwecke erforderlich werden, die im Haushaltsplan gar nicht vorgesehen sind. Ein Haushaltsplan ist aber nicht erforderlich, wenn die Mehrausgabe im Einzelfall höchstens zehn Millionen DM beträgt oder wenn rechtliche Verpflichtungen erfüllt werden müssen. Die Rechtslage ist also eindeutig.

Die Erzielung von Mehreinnahmen macht unabhängig von deren Höhe einen Nachtragshaushalt erforderlich. Nachzulesen ist dies in Artikel 37 der Bayerischen Haushaltsordnung. Des Weiteren muss ich die Antragstellerinnen und Antragsteller schon fragen: Wollen Sie allen Ernstes heute, am 29. November, die Aufstellung eines Nachtragshaushalts fordern, der dann bereits in einer Woche im Landtag eingebracht werden soll?

(Zurufe von der SPD: Zur Vorbereitung)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Sie sollten eigentlich aus Erfahrung wissen, dass die Aufstellung eines Nachtragshaushalts einige Monate dauert und die parlamentarische Beratung nochmals eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Selbst wenn ich jetzt die Beratungsfristen extrem stauchte, würden wir es in diesem Jahr nicht mehr schaffen, einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2000 in Kraft zu setzen. Ich meine, dass ein Nachtragshaushalt nur sinnvoll ist, wenn er in dem betreffenden Haushaltsjahr Geltung erlangen kann. Wenn Sie anderer Meinung sind, dann müssen Sie eben bei Ihrer Forderung bleiben. Ich kann nur sagen: Der vorliegende Dringlichkeitsantrag ist aus meiner Sicht absurd und kommt zum falschen Zeitpunkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen, im Juli dieses Jahres haben Sie gefordert, bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2001/2002 beteiligt zu werden. Sie wollten damals wie heute Gelder verbraten, ohne zu wissen, wie sich die Ausgabenentwicklung darstellt und wie der Bedarf in den verschiedenen Ressorts

aussieht. Ich stelle fest: Seit der Debatte im Juli haben Sie offensichtlich nichts dazugelernt. Der Bundesfinanzminister, den Sie ja so gerne zitieren, kürt sich zum Sparkommissar Deutschlands. Doch die bayerische SPD will den Weihnachtsmann spielen und auf Kosten der Steuerzahler Geschenke verteilen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie sollten öfter bei Herrn Eichel vorbeischauen. Wenn Sie das bisher schon getan hätten, hätten Sie vielleicht auch mitbekommen, dass das Bundesfinanzministerium in einer Pressemitteilung vom 22. August dieses Jahres erklärt hat, dass es trotz der Mehreinnahmen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen – die hierbei erzielten 100 Milliarden DM entsprechen immerhin 20% des Bundesetats – keinen Bedarf für einen Nachtragshaushalt sehe.

Herr Kollege Strasser, im Zusammenhang mit den vorgesehenen Fördermaßnahmen haben Sie von einer Beruhigungspille gesprochen. Was macht denn der Bundesfinanzminister mit den Zinserträgen aus den UMTSErlösen? Auch er verteilt „Beruhigungspillen“. Nachdem der Bund die Straßenbaumittel für Bayern um mehrere hundert Millionen DM gekürzt hat, gibt er Bayern nun 126 Millionen DM, als große Leistung verkündet. Wenn Sie uns Vorwürfe machen, muss ich feststellen: In Berlin wird nichts anderes getan als das, was Sie uns hier in Bayern vorwerfen. Insofern ist Ihr Verhalten nicht redlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Nicht nur im Freistaat Bayern sind erhebliche Steuermehreinnahmen zu verzeichnen. So frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Was macht denn Herr Eichel mit den wesentlich höheren Steuermehreinnahmen des Bundes?

Hat er einen Nachtragshaushalt aufgestellt? – Nicht bekannt.

(Frau Radermacher (SPD): Der muss ja eure Schulden tilgen!)

Es ist nur gut, dass Sie nicht im Haushaltsausschuss sind; sonst hätte ich das als sachlich völlig falsch interpretiert.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer war denn 16 Jahre an der Regierung?)

Dann kommt das finanzpolitische Feigenblatt. Sie wollen ja auch ein wenig für die Rückführung tun und schlagen vor, die Nettokreditermächtigung um 445 Millionen DM zurückzuführen. Dies kann von Ihren eigentlichen Absichten ebenfalls nicht ablenken. Ich sage Ihnen auch hier und heute: Wir werden viel weiter gehen, als Sie es sich überhaupt vorstellen können. So wie es nämlich aussieht, werden wir die Nettokreditermächtigung für das Jahr 2000 überhaupt nicht in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren, die Steuermehreinnahmen des Jahres 2000 rechtfertigen allenfalls nach unserem

Verständnis einer seriösen Finanzpolitik maßvolle Lockerungen im Vollzug. Diese sind wohl erfolgt. Im Hinblick auf die erheblichen Steuerausfälle ab dem nächsten Jahr – davon bin ich felsenfest und zutiefst überzeugt – wäre es unverantwortlich, noch im Jahr 2000 den Geldhahn so weit aufzudrehen, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies jetzt fordern.

Es ist Ihnen auch bekannt, dass wir trotz der zu erwartenden Steuerausfälle die Neuverschuldung bis zum Jahr 2006 auf null zurückführen wollen. Derzeit wird in diesem Hohen Haus ein in Deutschland einzigartiger Gesetzentwurf beraten – die gesetzliche Verankerung des Verzichts auf neue Schulden ab dem Jahr 2006. Ich hoffe, Sie stimmen zu, wenn er im Verfahren ist.

(Zuruf des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Herr Kollege Mehrlich, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir in diesem und auch in den kommenden Jahren äußerste Ausgabendisziplin üben; da sind wir uns doch sicherlich einig.

Die Steuerentwicklung des Jahres 2001, liebe Kollegin Kellner, lässt sich nicht einfach fortschreiben, so wie Sie und offensichtlich auch die SPD meinen. Es ist doch auch Fakt, dass wir im nächsten Jahr mit erheblichen Steuerausfällen aufgrund der Steuerreform zu rechnen haben. Den Ländern fehlen im nächsten Jahr 12,6 Milliarden DM in den Kassen. Insofern halte ich es für die einzig richtige Entscheidung, die Mehreinnahmen zur Verstärkung der Rücklagen zu verwenden, um die Auswirkungen der Steuerreform für den Freistaat Bayern abzudecken.

Außerdem – auch dies ist Ihnen bekannt, Sie haben es nur nicht gesagt – besteht noch eine Vielzahl von Haushaltsrisiken. Ich nenne nur einige. Von den Steuermehreinnahmen muss Bayern den größten Teil im Rahmen des Länderfinanzausgleichs wieder abgeben. In diesem Jahr muss Bayern 500 Millionen DM mehr in den Länderfinanzausgleich einzahlen, als im Haushalt veranschlagt ist. Auch dies haben Sie nicht gesagt, aber es ist Fakt.

(Strasser (SPD): Das haben wir schon lange gesagt!)

Die Bundesregierung verschiebt munter Lasten auf die Länder und auf die Kommunen. Selbst die Spitzenverbände, die Sie ja gerne zitieren, wenn es um die sogenannten Schulden des Staates gegenüber den Kommunen geht, klagen sehr stark darüber, wie gnadenlos sich der Bund zu Lasten der Kommunen entschuldet. Auch dies ist Fakt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Zwei Beispiele: Rückzug des Bundes beim Wohngeld und beim Unterhaltsvorschussgesetz. Auch dies sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

Man muss auch feststellen, dass die Bundesgesetze zur Bafög-Reform und zur Kindergelderhöhung die Länder spürbar belasten werden. Auch dies sollte man berücksichtigen, bevor man einen Antrag auf einen Nachtragshaushalt stellt. Schließlich wird die Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge die Länder erheblich belas

ten. Die Steuerausfälle allein der Länder werden voraussichtlich auf bis zu 6,2 Milliarden DM jährlich ansteigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund meine ich, dass Träume von Finanzierungsspielräumen bloße Träume bleiben. Trotzdem denken Sie schon wieder an Ausgabenprogramme noch für das Jahr 2000.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Kellner?

(Frau Radermacher (SPD): Das ist aber traurig!)

Deutlicher hätten Sie, meine Damen und Herren von der SPD, Ihre finanzpolitische Orientierungslosigkeit und Ihre Lust zur Verschuldung wirklich nicht zum Ausdruck bringen können.

Sie müssen sich zum Abschluss schon fragen lassen: Eichel versucht in Berlin zu sparen – das ist unstrittig und wird auch von uns akzeptiert –, die bayerische SPD fordert für Bayern aber genau das Gegenteil. Was wollen Sie? Konsolidieren oder verschwenden? Sie müssen den Weg erst noch suchen und finden. Wir wollen mittelfristig konsolidieren und weiterhin gute Finanzpolitik betreiben. Deshalb werden wir beide Anträge, auch den von Ihnen, Frau Kollegin Kellner, ablehnen, weil sie heute zwar diskussionswürdig, aber nicht im positiven Sinn verabschiedungsreif sind. Wir werden nächstes Jahr darüber diskutieren müssen, was Sie an Ausgabenmehrungen beabsichtigen, Frau Kollegin Kellner, wobei ich sicherlich nicht bestreite, dass wir dann auch über die Altenheime sprechen müssen. Da liegen wir ja im Grunde genommen sachlich nicht weit auseinander. Es stellt sich nur die Frage, wie es dann im nächsten Jahr finanzpolitisch aussieht.

Ich glaube, es ist gut und langfristig besser, wenn wir heute diese Steuermehreinnahmen ausschließlich zur Rücklagenbildung verwenden, damit wir nächstes Jahr die enger werdenden Spielräume auch noch voll nutzen können, nicht nur mit Spatenstichen, Herr Kollege Strasser.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Prof. Faltlhauser. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin von den Rednern der Opposition aufgefordert worden, doch bitte schön nach Berlin wallzufahren,

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur nicht übertreiben!)

um dort Dank abzustatten. Weihrauchkessel soll ich schwenken, um zu sagen: Danke schön Eichel, danke schön Schröder; ihr habt uns das große Wachstum beschert, und deshalb haben wir mehr Steuereinnahmen. Hier soll ich auch noch große Freudenfeste veran