Protokoll der Sitzung vom 30.01.2001

Was heute auch nicht gut kam, Herr Ministerpräsident, „Sie und die Frauen“. Sie rühmen sich zuweilen einer aktiven Frauenpolitik. Die sieht jetzt so aus, dass Frauen wie die Staatssekretärin Frau Deml, die sich bisher nichts zuschulden kommen ließ, außer dass sie eine

andere politische Meinung wie die Landtagsfraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vertritt – was nichts Schlimmes ist –

(Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist schlimm genug! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

vom Ministerpräsidenten aktiv aus dem Amt entfernt wurde. Statt die tatsächlich Verantwortlichen aufzufordern, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu ziehen, wird der Apparat aufgebläht, und, weil das verfassungsrechtliche Probleme mit sich bringt, nimmt man Frau Deml weg. Ich sehe hier Frauenopfer denn Entscheidungsfreude. Die Tränen, die heute darüber vergossen worden sind, hätte man besser über die eigene Handlungsunfähigkeit vergießen sollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch Kontinuität zeichnet sich Ihr Kabinett jedenfalls nicht aus. Auch die Berufung von Frau Görlitz – ich wünsche ihr alles Gute und viel Glück –

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das kann sie brauchen!)

ändert daran nichts. Denn Frau Görlitz wurde erst nach öffentlicher Kritik an der Nichtbeachtung der Frauenquote berufen. Ich muss hinzufügen: In der CSU-Fraktion ist die Auswahl nicht sehr groß. Welche Frau soll man da auswählen? Es gibt nur ein paar Kandidatinnen.

Jede politische Entscheidung in diesem Zusammenhang signalisiert jedenfalls, dass es so weitergehen soll wie bisher. Deshalb verwundert es auch nicht, dass Herr Miller Landwirtschaftsminister bleiben soll, wenn schon nicht mit einem großem Ressort, dann zumindest als Berufsgruppenvertreter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, statt vor die Verbraucherinnen und Verbraucher stellen Sie sich vor die konventionell wirtschaftenden Bäuerinnen und Bauern und explizit gegen die Biobauern.

(Ranner (CSU): So ein Schwachsinn!)

Lesen Sie es doch einmal nach! Außerdem können Sie sich gleich noch zu Wort melden. Ich muss mir hier auch sehr viel anhören. – Herr Ministerpräsident, es ist Ihnen wichtig, zu betonen, dass die deutsche Landwirtschaft nicht zum Sündenbock gemacht werden darf – richtig – und dass alle Landwirte – und jetzt kommt die verkehrte Welt –, nicht nur Ökobauern, eine faire Chance brauchen, sich auf dem Markt zu behaupten. Da frage ich Sie: Hatten Ökobauern jemals die gleichen Chancen wie konventionell wirtschaftende Landwirte?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ökobauern mussten sich ihre Vermarktungssturkuren doch selbst aufbauen, wenn sie erst einmal die Umstellung ihres Hofes bewältigt hatten. Fördermittel erhielten

sie nicht. Was hat denn die Staatsregierung bisher groß getan, um die Chancen zu nutzen, die beispielsweise die „Agenda 2000“ für die ökologische Landwirtschaft bietet? Ich kann da nicht sehr viel sehen. Vielleicht können das meine Fachkollegen, die Biobauern, – –

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, nein!)

Danke schön. Das wollte ich hören. Ich liege also richtig mit meiner Einschätzung. – Ich hätte mir gewünscht, dass Sie dieselben deutlichen Worte, die Sie für die konventionelle Landwirtschaft mit Turbomast und Milchsee fanden, für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger finden.

(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So gewinnen Sie das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zurück – vom Krisenmanagement will ich in dem Zusammenhang gar nicht erst sprechen –, sondern riskieren vielmehr 5400 Arbeitsplätze und die Gesundheit von Menschen.

Eine erste Reaktion zur vorgeschlagenen Neugliederung kam denn auch aus Nordrhein-Westfahlen, wo man sich schon frühzeitig Gedanken zur BSE-Problematik und darüber gemacht hat, welche Strukturen zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Landschaft wären. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, es wäre ratsam gewesen, sich des dort versammelten Sachverstandes und der dort gewonnenen Erfahrung zu bedienen. Wir teilen die Ansicht von Bärbel Höhn, dass Verbraucherschutz und Landwirtschaft unter ein Dach gehören und dass nur so optimale Lösungen gefunden werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier wird künftig aber das Landwirtschaftsministerium neben dem Ministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz regieren. Keiner der beiden Minister wird sich in die eigenen Kompetenzen hineinreden lassen. Nehmen wir einmal die Fördermittelvergabe. In dem Zusammenhang ist zu fragen: Wie werden sich die jeweiligen Minister künftig darüber abstimmen, welche Förderung sinnvoll ist? Wer wird letztendlich entscheiden, ob ein Projekt im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher oder doch eher im Sinne der Landwirtschaft ist? Ein glücklicher Zufall wird es sein, wenn beide Seiten bedient werden können.

An dieser Stelle hätte ich gerne Herrn Herrmann ein paar Worte gewidmet. Doch hat er sich rechtzeitig wieder zurückgezogen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie trotzdem etwas! – Willi Müller (CSU): Eine überholte Rede!)

Mit dem Ausscheiden von Herrn Herrmann aus dem Personalkarussell ist die Situation jedenfalls nicht besser geworden. Vielmehr rächt sich jetzt bitter – das ist ein wichtiger Aspekt –, dass man das neue Ministerium auf eine Person zugeschnitten hat, anstatt für die in Rede

stehende Aufgabe den richtigen Mann oder die richtige Frau zu suchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das rächt sich vor allem beim Gesundheitswesen. Die Zuständigkeit hierfür wurde teilweise dem Sozialministerium abgenommen – mein Kollege hat dies schon sehr differenziert dargestellt –, ohne dass dafür eine Notwendigkeit bestanden hätte. Nach dem Rücktritt von Frau Stamm wäre ein Neuanfang möglich gewesen. So hätte man ganz unbeschwert bei einem Ministerium für Gesundheit und für Soziales mit den entsprechenden Abteilungen bleiben können. Ich frage mich jetzt jedenfalls: Was, bitte schön haben denn Sport- und Bädermedizinisches, die Konzessionierung von Privatkrankenhäusern und der Arbeitsschutz beim Ministerium für Ernährung und Verbraucherschutz zu suchen? Hier hat man sinnvolle Zuschnitte gekappt.

Gleichzeitig bleiben Rumpfministerien übrig, die beinahe die Größenordnung einer Abteilung haben, sprich: das Landwirtschaftsministerium, das dennoch auch künftig wichtige agrarpolitische Weichenstellungen treffen und Rahmenbedingungen schaffen soll. Genau diese gälte es doch mit dem Verbraucherschutz abzustimmen. Stattdessen wird das Landwirtschaftsministerium künftig amputiert vor sich hin kümmern, und das nur, weil Herr Miller nicht die Größe besitzt, endlich seinen Sessel zu räumen. All das ist Ergebnis machtpolitischer Entscheidungen, die mit der Sache gar nichts zu tun haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Bündelung von Kompetenzen, wie wir sie uns vorstellen, findet hier nicht statt. Denn dem neuen Ministerium fehlt die Zuständigkeit für die Landwirtschaft. So wird es sich mit Angelegenheiten beschäftigen, die es nichts angehen. Der Zuschnitt ist falsch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin nicht sicher, ob schon allen aufgefallen ist, welche weiteren Kahlschläge mit dem heute unterbreiteten Personalvorschlag verbunden sind. Dem ohnehin schon schwachen Umweltministerium

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Minister ist schon gegangen!)

weiteres Personal zu streichen, hier den Staatssekretärsposten, ist geradezu bezeichnend. Dem Ressort, bei dem momentan mit Blick auf die Verbindung von Verbraucherschutz und Landwirtschaft alle Fäden zusammenlaufen sollten, wird Arbeitskraft entzogen. Das zeigt deutlich, welchen Stellenwert der Umweltschutz in Bayern wirklich hat – allen vollmundigen Bekundungen der Staatsregierung zum Trotz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür war Herr Sinner vorgesehen!)

Danke, das weiß ich.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie mir eine Frage, Herr Ministerpräsident: Wieso glauben Sie eigentlich, dass Herr Sinner Zuarbeit von einer Staatssekretärin benötigt, ein von außen kommender Minister, wie es Herr Herrmann gewesen wäre, aber nicht? Ihre Entscheidungen in dem Zusammenhang machen mich nachdenklich.

Wir sind der Auffassung, dass ein Neuanfang mit einer neuen Struktur unter dem Primat der Ökologie stehen muss. Nur so schaffen wir Vertrauen bei den Konsumentinnen und Konsumenten, die sichergehen wollen, gesunde und unbelastete Nahrungsmittel zu erhalten. Dies erreichen wir aber nur, wenn neben den Sofortmaßnahmen gegen BSE eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft mit Einführung von Qualitätsstandards erfolgt und die Biolandwirtschaft ausgebaut wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Diese Richtungsänderung muss sein, will man ein eindeutiges Signal setzen. Angesichts des jetzt vorgesehenen Zuschnitts des Landwirtschaftsministeriums ist das nicht zu erwarten. Hier fehlt die Zukunftsperspektive.

(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So orientiert sich unser Umstrukturierungsvorschlag nicht an Personen, sondern an Sinnhaftigkeit. Vor dem dargestellten Hintergrund bevorzugen wir einen Ministeriumszuschnitt, der die Zuständigkeiten für Landesentwicklung und Umweltfragen, Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Forsten umfasst. Nach unseren Vorstellungen sollte das Sozialministerium für das Gesundheitswesen zuständig bleiben. Aus einzelnen anderen Ministerien müssten außerdem Abteilungen herausgenommen und bei dem neuen Ministerium gebündelt werden. Wir denken in dem Zusammenhang beispielsweise an die Zuständigkeit für die Verbraucherberatungen, die derzeit aufgeteilt ist, und an die Zusammenführung der verschiedenen ministeriellen Forschungsabteilungen. Die Vorschläge der Staatsregierung hierzu sind halbherzig und programmieren Streit und Kompetenzgerangel vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Agrarwende. Wir wollen das Primat der Ökologie. Wir wollen Verbraucher und Bauern zusammenführen und nicht trennen, wie Sie behaupten, meine Damen und Herren von der CSU. Wir wollen sie zusammenführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist mit dem von uns vorgeschlagenen Modell sehr viel besser möglich als nach dem Ihren, meine Damen und Herren von der CSU. Denn die Interessen beider Gruppen bilden eine natürliche Einheit. Gesunde Ernährung und Erhalt der Lebensgrundlagen gehören vernünftigerweise zusammen.

Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber ist auf der ganzen Linie gescheitert.