Meine Damen und Herren, so einfach geht es, wenn man die entsprechende Phantasie entwickelt und der Wille vorhanden ist, hier tatsächlich etwas zu tun. Sie können dem Herrn Kollegen Peterke ausrichten, dass er sich in Baden-Württemberg doch einmal kundig machen sollte.
Entschuldigung, da sind Sie ja. Ich habe Sie auf der anderen Seite vermutet. Sie sind weiter nach rechts gerückt.
Herr Peterke, ich gebe Ihnen die genannte Verwaltungsvorschrift nachher. Da können Sie nachlesen, wie es möglich ist, dass genau das, was wir fordern, nämlich Bürgerkriegsflüchtlinge, die in einem Beschäftigungsverhältnis sind, hier zu belassen, verwirklicht werden kann. So ist es jedenfalls per Kabinettsbeschluss im Land Baden-Württemberg geschehen.
Meine Damen und Herren, damit wird also aufgezeigt, wie es gehen könnte. Trotzdem bin ich gespannt, was uns Herr Regensburger aus der Sonderkonferenz zu berichten hat.
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Der SPD-Antrag ist durch die Tatsache, dass heute die Sonderinnenministerkonferenz stattfindet, hochaktuell, gleichzeitig aber auch durch die Beschlüsse, die dort gefasst worden sind, weitgehend überholt. Wir müssen uns vielleicht zum Schluss noch darauf verständigen, ob Sie den Antrag für erledigt erklären können.
Wenn Sie den Eindruck haben, dann möchte ich Ihnen diesen Eindruck nicht nehmen. Aber Sie dürfen davon ausgehen, dass der SPD-Antrag die Entscheidungen der Innenministerkonferenz nicht maßgeblich beeinflusst hat.
Meine Damen und Herren Kollegen, der Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN greift zum einen die Debatte über den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2000 zu humanitären Grundsätzen in der Flüchtlingspolitik wieder auf, um
sich dann die Forderung nach einer Verbleiberegelung für erwerbstätige Ausreisepflichtige aus dem ehemaligen Jugoslawien zu Eigen zu machen.
Ich darf dazu feststellen: Wir in Bayern haben die humanitären Verpflichtungen, die mit unserer Zustimmung von der Innenministerkonferenz einstimmig beschlossen wurden, immer beachtet. Sie dürfen sicher sein, dass wir dies auch in Zukunft tun werden.
Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass die Rückführung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina auf der Grundlage dieser einstimmigen – das betone ich immer wieder – Beschlüsse der Innenministerkonferenz erfolgt und zwischenzeitlich bereits weitestgehend abgeschlossen ist. Bei der Staffelung der Ausreisezeitpunkte wurde nämlich in vorbildlicher Weise humanitären Gesichtspunkten Rechnung getragen. Von den ursprünglich 65000 Bürgerkriegsflüchtlingen in Bayern sind zirka 97% bereits ausgereist und halten sich weniger als 2000 derzeit noch in Bayern auf. Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Personen, die sich in einem Weiterwanderungsverfahren in die USA, nach Kanada oder Australien befinden oder die als Traumatisierte – diesen Personenkreis schätzen wir auf 200 bis 300 – oder deren Angehörige ein Aufenthaltsrecht begehren. Die gestaffelte Rückführung dieser bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge hat sich bewährt, außergewöhnliche Härten konnten auf diesem Weg vermieden werden.
Es war das Hauptanliegen der schon zitierten Innenministerkonferenz vom 23./24. November 2000, über den weiteren Aufenthalt jener Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina zu entscheiden, deren Aufenthaltsbeendigung schon bisher aus humanitären Gründen zurückgestellt wurde, nämlich zum Ersten von Traumatisierten, zum Zweiten von Zeugen vor dem Internationalen Gerichtshof und zum Dritten von älteren Menschen. Bei den Kosovo-Albanern war im Zeitpunkt dieses IMK-Beschlusses eine völlig andere Ausgangssituation gegeben, auf die ich zur Klarstellung auch noch einmal eingehen muss. Die meisten der noch hier lebenden ausreisepflichtigen Kosovo-Albaner sind – und dies findet in der öffentlichen Diskussion viel zu wenig Beachtung – schon lange vor dem Krieg nach Deutschland gelangt und nach Ablehnung ihres Asylantrags, um die fehlende Durchsetzbarkeit ihrer Ausreisepflicht wissend, nicht in ihre Heimat zurückgekehrt.
Wir konnten nur die zwangsweise Ausreise nicht durchsetzen. Bei den vollziehbar ausreisepflichtigen Kosovo
Von der Rückführung in das Kosovo waren bisher schon Minderheiten, wie zum Beispiel Serben, Roma, Aschkali ausgenommen. Für die Rückführung in das Kosovo gelten deshalb völlig andere Grundsätze.
Die freiwillige Rückkehr der Kosovo-Albaner ist bereits im September 1999 angelaufen. Im ersten Jahr der Rückführung war bei den Angehörigen der Mehrheitsethnie eine große Rückkehrbereitschaft vorhanden. Bisher sind fast 80% der Kosovo-Albaner in ihre Heimat zurückgekehrt.
Angesichts begrenzter Rückführungsmöglichkeiten in das Kosovo wurde in der Innenministerkonferenz vom 23./24. November 2000 festgestellt, dass die Rückführung der Kosovaren nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, bis Ende 2000 abgeschlossen werden kann. Bund und Länder stimmten deshalb darin überein, dass an kosovarische Arbeitnehmer bis längstens 31. Juli 2001 eine Duldung erteilt werden kann, wenn die Familienangehörigen bis längstens zum 30. April 2001 ausreisen, wobei bei Familien mit schulpflichtigen Kindern ausnahmsweise bis zum Beginn der jeweiligen Schulsommerferien verlängert werden kann. Vorraussetzung nach dem damaligen Beschluss ist, dass die Arbeitnehmer und ihre Familien ihre Rückkehrbereitschaft zum Ende des Duldungszeitraums verbindlich erklären. Straftäter und Sozialhilfeempfänger werden und wurden dagegen weiter zurückgeführt.
Hier gibt es aufgrund der heutigen Sonderinnenministerkonferenz eine Neuerung. Diese Einschränkung bezüglich der Familienangehörigen entfällt, das heißt, auch diese können bis zum 31. Juli 2001 eine Duldung erhalten, wie dies vorweg bereits von Nordrhein-Westfalen festgelegt wurde.
Ich finde es sehr bedauerlich, meine Damen und Herren Kollegen, wenn kurz nach Ende der Innenministerkonferenz einzelne Länder bereits wieder aus diesem Konsens ausscheren. Dafür mag es durchaus nachvollziehbare Gründen geben: Bei dem einen sind Wahlen, der andere ist in einer schwierigen Koalitionssituation. Aber das macht es gerade so schwierig, auf diesen Innenministerkonferenzen einheitliche Linien durchzusetzen. In aller Regel funktioniert es, wenn die Innenminister unter sich sind, ausgezeichnet.
Wir sind eben vertragstreu, Herr Kollege Hahnzog, und Sie als Vorsitzender des Verfassungs- und Rechtsauschusses müssten dies eigentlich ausdrücklich begrüßen.
Es bestand auch Übereinstimmung dahingehend, dass die Beendigung des Aufenthalts von Minderheiten aus dem Kosovo nicht vor April 2001 möglich sein wird. Der Bundesminister des Innern wurde deshalb im November gebeten, die Länder unverzüglich zu informieren, wenn eine Rückführung wieder möglich sein sollte. Insoweit muss die weitere Entwicklung vor Ort abgewartet werden. Gespräche des Bundes mit der UNMIK – das ist die Organisation, die sich um diesen Bereich kümmert – sollen das weitere Vorgehen abklären.
Eine Aufenthaltsbefugnis wird auf der Grundlage von § 32 des Ausländergesetzes folgenden Personengruppen erteilt: gemischt-ethnischen Familien und Ehen aus Gebieten im Kosovo, die keinen spezifischen Minderheitenschutz gewährleisten; unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus dem Kosovo, soweit sie Waisen sind oder der Aufenthalt ihrer Eltern derzeit nicht feststellbar ist; schließlich Zeugen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, sofern sich aufgrund einer Stellungnahme des Gerichtshofs bei der Rückkehr eine Gefährdung ergibt. Entsprechendes gilt auch für deren Familienangehörige. Es besteht ein Interesse daran, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unnachsichtig verfolgt werden. Aus diesem Grund ist es auch vertretbar, den Aufenthalt von Zeugen weiter hinzunehmen, wenn ihnen ernsthaft eine Gefährdung droht.
Den Kernpunkt des damaligen IMK-Beschlusses bildet die Regelung für schwer traumatisierte Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina. Bürgerkriegsbedingt unter schweren posttraumatischen Belastungsstörungen leidenden Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina wird deshalb eine Aufenthaltsbefugnis erteilt. Der weitere Aufenthalt wird durch Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis für längstens zwei weitere Jahre ermöglicht.
Diese Regelungen gelten auch für die in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten sowie die minderjährigen oder bei der Einreise noch minderjährigen gemeinsamen Kinder, sofern diese unverheiratet sind. Der Beschluss gibt damit den schwer traumatisierten Flüchtlingen und ihren Familien ein Bleiberecht und somit auch eine längerfristige Perspektive. Dass schwer Traumatisierten, die Schlimmes durchgemacht haben und noch längerer Zeit der Behandlung bedürfen, geholfen werden soll, steht für uns außer Frage.
Aufenthaltsbefugnisse sollen schließlich auch jenen Bürgerkriegsflüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina erteilt
werden, die am 15. Dezember 1995 das 65. Lebensjahr vollendet hatten, heute also bereits über 70 Jahre alt sind, und die bisher wegen ihres Alters geduldet werden konnten. Vorraussetzung ist, dass sie in Deutschland Angehörige mit Daueraufenthaltsrecht haben und in ihrer Heimat auf sich allein gestellt wären. Leistungen der Sozialhilfe dürfen von diesen nicht in Anspruch genommen werden.
Über die Regelung vom November hinaus hat das heutige Sonderinnenministertreffen für die Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina folgende neue Regelung festgelegt: Ein Bleiberecht sollen die Flüchtlinge aus BosnienHerzegowina erhalten, die sich seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhalten, seit mehr als zwei Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und davon ohne Sozialhilfe leben können. Außerdem müssen die Arbeitgeber dringend auf die Flüchtlinge als Arbeitnehmer angewiesen sein und sich bei der Arbeitsverwaltung intensiv um deutsche oder EU-Angehörige als Ersatzkräfte bemüht haben. Die auf zwei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis gilt dann auch für Ehegatten und minderjährige Kinder. Sie wird über diese zwei Jahre hinaus verlängert, wenn die vorher genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Weitere Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an diesen Personenkreis sind ausreichender Wohnraum für die Familie und die Erfüllung der Schulpflicht der Kinder. Außerdem dürfen keine Ausweisungsgründe wegen Straffälligkeit vorliegen. Die Ausländerbehörden dürfen nicht durch falsche Angaben getäuscht oder bei ihren gesetzlich vorgeschriebenen Vollzugsmaßnahmen behindert worden sein. Die Betroffenen können eine Aufenthaltsbefugnis bis zum 30. Juni beantragen. Sie müssen in diesem Fall eventuell laufende asyl- und ausländerrechtliche Verfahren abschließen. So für diesen Personenkreis der Beschluss der heutigen Sonderinnenministerkonferenz.
Bei der Diskussion dieser Punkte wird oft vergessen, dass in diesem Land derzeit immer noch mehr als 4 Millionen arbeitslos sind. Herr Kollege Werner, es wundert mich, dass gerade Sie als profilierter Arbeitnehmervertreter, als der Sie sich auch heute Vormittag bei der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes zeigen wollten, diese Problematik nicht sehen. Ich war vor zwei Tagen in Mannheim bei der Vorbereitung dieser Sonderinnenministerkonferenz dabei. Dort ist deutlich geworden, dass es in der Bundesrepublik Deutschland zwischen den einzelnen Ländern sehr unterschiedliche Verhältnisse gibt.
Die neuen Bundesländer können einerseits leicht reden, weil sie wenig Betroffene haben. Andererseits haben sie bekanntlich mit 15 und 20% eine hohe Arbeitslosigkeit. Daher ist es schwierig, dort der Bevölkerung zu erklären, warum ausländische Kräfte dableiben können, während die Einheimischen selbst keinen Arbeitsplatz haben.
In Baden-Württemberg und Bayern ist es – wenn auch nur teilweise – umgekehrt. Im Großraum München, der praktisch eine Vollbeschäftigung hat, ist die Situation anders als etwa in Hof mit einer relativ hohen Arbeitslo
sigkeit. Diese unterschiedlichen Situationen machen es schwierig, eine einheitliche Regelung zu finden.
Ich habe in solchen Diskussionen bereits oft darauf hingewiesen, dass das in der Innenministerkonferenz herrschende Einstimmigkeitsprinzip natürlich immer wieder Kompromisse erfordert. Sonst wären die Innenminister und die Konferenz handlungsunfähig. Dies bedingt meist auch, dass Formulierungen gefunden werden, in denen sich möglichst alle Beteiligten wiederfinden können, die aber im Tempo des Vollzugs oder in Details eine gewisse Bandbreite an Auslegungsmöglichkeiten zulassen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn aber jemand ausdrücklich gegen den eindeutigen Wortlaut der Beschlüsse der Innenministerkonferenz verstößt und entsprechende Regelungen trifft, habe ich dafür kein Verständnis.