Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, auch Herr Maget, der leider jetzt nicht da ist, legte gestern noch mit einer Pressemitteilung nach. Ich verstehe nicht, warum Sie das immer noch nicht begreifen. Gott sei Dank gibt es auch in der Bundesregierung Minister, die schneller von Begriff sind. Ich zitiere hier:

Die Länder müssten dem Beispiel Bayerns folgen, das ein Sonderprogramm aufgelegt hat. Nur wenn Bund und Länder gemeinsam an einem Strang ziehen, wird eine Wende in der Agrarpolitik gelingen. Bayern hat angekündigt, in den nächsten zwei Jahren 600 Millionen DM für den Verbraucherschutz, die BSE-Forschung und schärfere Lebensmittelkontrollen auszugeben.

Das sagt Frau Künast am 15.02. mit einem Lob nach Bayern und der Forderung an die anderen Länder, es genauso zu machen.

Meine Damen und Herren, ich gebe Frau Künast ungern Recht, aber ich muss sagen: Wo Sie Recht hat, hat sie Recht, und hier hat sie eindeutig Recht.

(Beifall bei der CSU)

Vielleicht sollten Sie sich einmal in Ihrem Verhalten zum Verbraucherschutz bei Frau Künast „up-daten“, damit Sie auch zu einer anderen Einstellung kommen.

Im Übrigen müsste auch die SPD verstanden haben, dass es hier nicht um Parteipolitik geht. Ich empfehle Ihnen einen Blick in die neueste Regierungserklärung von Frau Simonis in Schleswig-Holstein. Sie kommt zu dem gleichen Ergebnis wie wir.

Risikoanalyse, Risikomanagement und Risikokommunikation sind Schwerpunkte des neuen Hauses. Wir hätten keine BSE-Krise –, das sage ich ganz deutlich –, wenn es nicht falsche Strukturen, Defizite und Versäumnisse gegeben hätte, in Brüssel, beim Bund und auch in den Ländern und auch hier bei uns.

Ich fasse in Kürze zusammen: Es ist zu wenig Personal eingesetzt worden. Die Kontrollen hätten sensibler sein müssen, risikobewusster und prozessorientiert. Es hat an einer vorausschauenden Risikoanalyse gefehlt. Außerdem waren die Rechtsgrundlagen für das Handeln der Behörden zum Teil unzureichend oder widersprüchlich.

Solche Schwachstellen zu erkennen, zu benennen und zu beseitigen, muss ein Schwerpunkt unseres Handelns sein. Damit steht Bayern allerdings nicht allein. Ich verweise hier auch auf das Weißbuch der Europäischen Kommission zur Lebensmittelsicherheit, das jetzt umgesetzt wird und das auch zahlreiche Forderungen und Beispiele enthält, wo Defizite von Europa bis zu den Ländern zu finden sind.

(Wahnschaffe (SPD): Der Ministerpräsident hat das vor zwei Monaten noch heftig bestritten!)

Meine Damen und Herren, lesen Sie einmal nach, was Frau Simonis gesagt hat, dann sehen Sie, dass hier von Bayern bis nach Schleswig-Holstein nicht die Vergangenheit eine Rolle spielt, sondern dass einfach die Zukunft wichtig ist, dass es wichtig ist, Fehler zu erkennen und die Defizite abzustellen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Was inte- ressiert mich mein Geschwätz von gestern! Ihr macht’s euch schon sehr einfach!)

Da kann es nicht beim Reden bleiben, sondern es ist Handeln gefordert. Das sollten Sie auch erkennen.

Meine Damen und Herren, ein aktuelles Beispiel ist die Maul- und Klauenseuche. Ich habe heute Morgen den aktuellsten Stand aus dem Internetangebot von BBC herausgeholt. Wir haben in England jetzt 1025 Fälle. Allein gestern kamen 34 neue Fälle hinzu. 379000 Tiere müssen noch geschlachtet werden; 631000 sind geschlachtet und 439000 Kadaver sind auf offenem Scheiterhaufen vernichtet worden.

Landwirtschaftsminister Nick Brown hat die Gefahr bis vor kurzem noch bagatellisiert. Inzwischen ist die Lage völlig außer Kontrolle, es sind apokalyptische Bilder, die uns erreichen. Soweit darf es bei uns nicht kommen.

(Beifall bei der CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Frankreich hat, wie es scheint, viel problembewusster gehandelt. Dort gelingt die Eindämmung von MKS in Mayenne. Es sind dort nur zwei Fälle.

Eine ähnlichen Weg verfolgen auch wir. Unsere Veterinärbehörden stehen in höchster Alarmbereitschaft. Wir sind täglich in einer Krisenkonferenz mit den Vertretern der Länder und des Bundes.

Meine Damen und Herren, ich wundere mich allerdings, wenn ich Schlagzeilen über Frau Bärbel Höhn lesen: „Höhn hält MKS-Kontrollen für nicht sicher“, „Höhn kritisiert Bundesminister Otto Schily: Das Bundesinnenministerium nimmt die berechtigte Angst unserer Bauern

vor der Seuche nicht ernst“. Es sei nicht auszuschließen, dass es illegale Tiertransporte oder verbotene Lieferungen von Frischfleisch und Milch über die Grenzen gebe. Wegen des Ausbruchs der Seuche sind alle Transporte sowie die Einfuhr von Frischfleisch und Milch aus den Niederlanden verboten. Wenn das stimmt, was Frau Höhn sagt, dann fehlt es am konsequenten Handeln der Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU)

Ich lese mit Erstaunen weiter, Mittwoch, 4. April: „Künast kritisiert Höhns Vorgehen bei der Klauenseuche“. In Nordrhein-Westfalen sei die Sperrzone bei den Verdachtsfällen schlecht und unzureichend organisiert. „NRW hat diese Mängel auch zugegeben. Daneben werden Blutproben mit dem Auto und nicht mit dem Hubschrauber nach Tübingen gebracht. Es werden Teile von Tieren nicht hingebracht“.

(Wahnschaffe (SPD): Sie haben keinen Grund, NRW zu kritisieren!)

„Den Bauern wird die Entwarnung nicht mitgeteilt, sie müssen das aus der Presse erfahren.“ Ich bin ja schon froh, dass Frau Höhn die Proben nicht per Pferd nach Tübingen bringt. Das Auto ist schon ein Fortschritt, aber notwendig wäre der Hubschrauber, weil bei MKS jede Sekunde zählt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn ich dieses Krisenmanagement sehe: im Bund zwei grüne Damen und der Altgrüne und Beutebayer Otto Schily, dann muss ich sagen: ein „flotter Dreier“ der Inkompetenz. So stellen wir uns Krisenmanagement nicht vor.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und was tun Sie? Das interessiert hier und nichts anderes!)

Meine Damen und Herren, Bayern hat bereits zahlreiche Vorsichtsmaßnahmen getroffen, und falls die Seuche noch näher heranrückt, werden wir die Zügel noch weiter anziehen.

(Wahnschaffe (SPD): Sie ist bereits in Holland!)

Ich verstehe Ihre Beunruhigung nicht. Ich erzähle Ihnen doch gerade, was Bayern macht.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ach so? Davon habe ich noch nichts gehört!)

Ich verstehe natürlich, dass Sie beunruhigt sind über die Defizite, die ich gerade genannt habe, und insofern verstehe ich Ihre Unruhe auch. Das beunruhigt uns auch, das beunruhigt die Bauern und das beunruhigt die Verbraucher.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, es ist ein Streit über präventive Impfungen ausgebrochen. Ich kann dazu nur deutlich sagen, dass die Bayerische Staatsregierung angesichts der Verhältnisse in England dringend eine Überprüfung der Impfpolitik auf EU-Ebene verlangt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir fordern, dass die Bundesregierung Mittel zur Entwicklung von Marker-Impfstoffen bereitstellt. Wir fordern, dass man aufgrund der Erfahrungen die Strategie überdenkt und sich überlegt, ob die präventive Impfung nicht doch ein Mittel sein kann anstelle der Tötung und Keulung zahlreicher Tiere, besonders wenn es so wie in England abläuft.

Ich muss aber deutlich feststellen, dass uns in der augenblicklichen Phase präventive Impfung nicht weiterhilft.

(Wahnschaffe (SPD): So ist es!)

Ich hatte gestern ein mehrstündiges Gespräch mit dem Tiergesundheitsdienst. Ich habe mehrere Stunden mit der Tierseuchenkasse in Bayern gesprochen. Ich habe jeden Professor, der sich in der Presse äußert, angerufen. Alle, die sagen: „Impfung ja und Keulen nein“, geben zu – ob es Professor Thein oder Professor Kaden von der Tierärztlichen Hochschule ist –, dass in der aktuellen Situation die Drei-Stufen-Strategie, also schnelle Erkennung des Ausbruchs der Seuche, schnelle Eliminierung des Tierbestands und eine Ringimpfung, um eine Expansion zu vermeiden oder einzugrenzen, das Mittel der Wahl ist. Dafür stehen auch genügend Impfstoffe zur Verfügung. Wir haben mit der Firma Bayer in Leverkusen – das ist die einzige Herstellerfirma in Deutschland, die diese Impfstoffe produziert – einen Vertrag und können sicherstellen, dass die erforderlichen Impfstoffe nach Bayern geliefert werden, wenn es nötig sein sollte, eine Ringimpfung durchzuführen. Insoweit sind wir vorbereitet. Seuchenprävention ist allerdings eine Aufgabe nationaler Politik und für die Entwicklung von Marker-Impfstoffen muss der Bund zusätzliche Gelder zur Verfügung stellen.

Vor allem muss er aber zusammen mit der EU das Problem der Massentierhaltung lösen.

(Loscher-Frühwald (CSU): So ist es!)

Ich habe Verständnis für die Sorgen von Frau Höhn, wenn man weiß, dass in dem Landkreis, in dem die ersten Verdachtsfälle auftraten, 900000 Schweine gehalten werden. In dieser Massentierhaltung, die extrem anfällig für Seuchen ist, liegt das eigentliche Problem der Prävention.

Meine Damen und Herren, wir müssen agieren, statt zu reagieren. Unser Ergeiz besteht darin, Gesundheitsrisiken für Verbraucher, Arbeitnehmer und Bevölkerung bereits ex ante zu ermitteln und abzuschätzen, noch bevor sie akut werden und damit sie möglichst nicht akut werden. Das erwartet der Verbraucher von uns und das rechnet sich auch.

Wir werden Prognosemethoden entwickeln, um Risiken schon frühzeitig zu erkennen, vor allem für den Lebensmittelbereich. Ich sage sehr deutlich: Vorsorge kostet viel Geld, aber Nachsorge kostet noch viel mehr Geld. Deswegen rechnet sich Vorsorge und Nachsorge lässt den Steuerzahler bluten für nichts.

Meine Damen und Herren, am Beispiel Futtermittel, BSE und MKS zeigt sich, dass sich die Art der Tierhaltung unmittelbar auf die Lebensmittelsicherheit auswirkt. Wir werden prüfen, ob die bestehenden Standards ausreichen und wie wir sie verbessern können. Gleichzeitig müssen wir aber den Verbraucher davon überzeugen, dass dies seinen Preis hat und dass Veränderung nicht zuletzt in seiner Hand liegt.

Wir haben einige zentrale Forderungen: Wir brauchen höhere Standards in der Tierhaltung. Medikamenteneinsatz als Wachstumsbeschleuniger gehören verboten, meine Damen und Herren, und zwar jetzt und nicht erst 2005 oder 2006.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Weite Schlachtviehtransporte darf es nicht mehr geben. Der Weg vom Züchter zum Mäster muss kürzer werden. Unterfränkische Mäster sind nicht auf englische Ferkel angewiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)